Gesetz zur Beseitigung der Übererfüllung von EU-Vorgaben im Ministerrat beschlossen - Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zur „Unendlichen Geschichte der Bürokratie“

Wien (OTS) - Gold Plating, also das Übererfüllen von EU-Vorgaben, führt zu massiven bürokratischen Belastungen und ist ein Hemmschuh im internationalen Wettbewerb. „Anstelle einer ‚Musterschüler-Mentalität‘ mit Übererfüllung von EU-Recht braucht Österreich mehr Freiräume. Deshalb ist das Anti-Gold-Plating-Sammelgesetz, das heute den Ministerrat passiert hat, ein wichtiger Schritt für Österreichs Betriebe. Damit werden rund 40 Übererfüllungen von EU-Vorgaben beseitigt“, so WKÖ-Präsident Harald Mahrer heute, Dienstag, bei der Eröffnung der Podiumsdiskussion „Die unendliche Geschichte der Bürokratie“, zu der WKÖ und Austrian Economic Center (AEC) geladen hatten.

Mahrer: Trendumkehr eingeleitet, weitere Schritte müssen
rasch folgen

Bürokratische Belastungen sind für die heimischen Unternehmen die größten Hürden im Arbeitsalltag. Die Wirtschaftskammer drängt deshalb bereits seit Jahren auf eine massive bürokratische Entlastung der Unternehmen. „Die Vermeidung von unnötigem Gold Plating gehört dabei zu den Hauptstoßrichtungen.“ Eine Trendumkehr sei nun eingeleitet, jetzt müssen so rasch wie möglich weitere Schritte folgen, damit unnötiger Bürokratieaufwand - wie verschiedene Mitteilungs- und doppelte Meldepflichten für Betriebe - bald endgültig der Vergangenheit angehören.

Kolm: Bei Gesetzen und Verordnungen größtes Augenmerk auf Allgemeingültigkeit legen

„Gesetze und Verordnungen sind für Durchschnittsbürgerinnen und -bürger längst nicht mehr zu überblicken“, hielt AEC-Direktorin Barbara Kolm fest. „Die Regeln, die zu beachten sind, sind so umfangreich, dass man selbst bei bestem Gewissen und ohne böse Absicht Gefahr läuft, Verstöße zu begehen. Bei der Gesetzgebung und dem Entwurf von Verordnungen ist größtes Augenmerk auf Allgemeingültigkeit zu legen. Denn jedes Gesetz, das eine Ausnahme erfordert, ein ‚Wenn – Dann‘, führt unweigerlich zu einem Rattenschwanz von Ergänzungen. Hier nährt sich die Bürokratie selbst; und auch, wenn das mit gutem Willen passiert, ist das Ergebnis für uns alle schädlich.“

Koßdorff: Mündige Verbraucher müssen gestärkt werden

Als einen der seit langem am stärksten regulierten Themengebiete sieht Katharina Koßdorff den Lebensmittelbereich. Die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in der WKÖ sieht die politische Willensbildung zunehmend in Richtung gesetzlicher Verbote und Beschränkungen gehen, „vom mündigen Verbraucher wird immer mehr abgegangen.“ Als Negativbeispiele nannte Koßdorff Diskussionen über Steuern auf „ungesunde“ Lebensmittel, Werbe- und Verkaufsverbote oder Eingriffe in Rezepturen. Stattdessen sollen Ernährungsbildung und ein aktiver Lebensstil gefördert werden und Konsumentinnen und Konsumenten selbstbestimmt aus dem breiten Produktangebot entscheiden können.

Ofner: Bürokratieabbau als prioritäres Ziel der
Bundesregierung

Günther Ofner, Vorstandsdirektor der Flughafen Wien AG, verwies darauf, „dass im aktuellen Regierungsprogramm wichtige und richtige Vorhaben zum Bürokratieabbau definiert sind. Die Umsetzung diese Pläne muss mit größerer Akribie und mehr Nachdruck vorangetrieben werden, wozu alle Stakeholder einen wichtigen Beitrag leisten sollten.“ Die Zielsetzungen niedrigere Kosten und raschere Verfahren haben im Hinblick auf eine sich abzeichnende Abkühlung der Konjunktur besondere Priorität.“ Was es brauche, sei bessere Regulierung im Sinne von Smart Regulation. Der Flughafen Wien-Manager erwähnte weiters den notwendigen Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Jäger: Staat soll Rahmenbedingen setzen, aber nicht alles nur Erdenkliche regulieren

Michael Jäger, Generalsekretär des Steuerzahlerbundes Taxpayers Association of Europe (TAE), forderte: „Statt permanent über die Einführung neuer Regelungen nachzudenken, wäre es mehr als angebracht, endlich dafür zu sorgen, dass bestehende Regelungen eingehalten werden.“ Aus Sicht der TAE ist es Aufgabe des Staates, Rahmenbedingungen zu setzen und nicht alles nur Erdenkliche zu regulieren: „Wer glaubt, dass in Europa durch einheitliche Regelung jedes erdenklichen Lebenssachverhaltes alles besser wird, ist entweder besessen von der Idee der Zentralisierung oder hat keine Ahnung von der Realität.“

Lothert: Politisch einfacher, mehr als weniger zu regulieren und so den Eindruck des Handelns zu erwecken Ralf-Wolfgang Lothert, Head of Corporate Affairs and Communication von Japan Tobacco International (JTI) Austria, kritisierte die Überregulierung in der Genussmittelbranche: „Wenn ich als Unternehmen verpflichtet bin, mein Produkt zu mehr als 50 Prozent mit gesetzlich vorgegebenen Hinweisen zu versehen, verletzt dies natürlich Markenrechte und geistiges Eigentum und schadet damit natürlich dem Unternehmen.“ Für den Gesetzgeber oder die Verwaltung scheine es politisch immer einfacher, mehr als weniger zu regulieren, um den Eindruck des Handelns zu erwecken. „Es ist daher grundsätzlich begrüßenswert und mutig, wenn hier ein anderer Weg gegangen und dem Bürger ein Stück Mündigkeit zurückgegeben wird“, zeigte sich auch Lothert über die aktuelle Entwicklung in Österreich erfreut. (PWK124/JHR)