Die Anzahl an Geldwäschevorwürfen, Betrugsanzeigen, Spionageverdächtigungen oder einfach nur simpler Anpatzerei via Boulevardmedien haben ein Level erreicht, das man nicht mehr als normal bezeichnen kann. Schrecklicherweise werden diese Methoden inzwischen auch im Kapitalmarkt direkt angewendet. Die Nachrichtenagenturen waren kaum voller mit diversesten Vorwürfen und Untersuchungsandrohungen wie jetzt.

Kein Wunder, denn man glaubt scheinbar hier auf generell fruchtbaren Boden gefallen zu sein.

Ob es die Regularik ist, die generell nach „Überprüfung“ schreit. Ob es die Konkurrenten sind die sich feixend ins Fäustchen lachen wenn der Mitbewerber wieder eine Klagsdrohung am Halse hat. Ob es die Leerverkäufer sind, die gefühlt ohne jedwede Kontrolle jede Negativschlagzeile dieser Welt straflos und kritiklos und jedenfalls beweislos ins Netz stellen können. Oder ob es einfach Investoren sind, die sich sagen, „da wird schon was dran sein und deswegen verkaufe ich gleich einmal vorab mit“. Es ist egal, der Effekt ist immer der gleiche: Wertverlust, Vermögensverlust, Potenzialverlust, wirtschaftlicher Verlust. Eben Verlust.

Es spielt sich vor unseren Augen ab. Kaum beginnt man sich im Kurs zu erholen, kommt schon eine nebulose Geldwäsche-Verdächtigung, ein Bestechungsverdacht, ein vermuteter Auftragsentfall, ein möglicher Patentverlust oder ein wahrscheinlicher Kostenballon aus irgendwelchen Rückstellungserfordernissen, die allesamt gerade in Prüfung sind. Irre! Und scheinbar leider auch viele professionelle Investoren sitzen vor dem Bloomberg und denken sich, „aua, da haut‘s die Aktie XY aber ganz schön runter, ich glaub ich gebe auch meine Aktien weil am Ende könnte ja was Wahres dran sein und dann muss ich mich vor meinem Chef rechtfertigen und das will ich nicht“.

Kaum jemand, selbst viele Analysten nicht, rufen einfach bei der jeweiligen Firma an und erkundigen sich, was denn nun Sache an dem Vorwurf wäre. Und die es tun, kommen oft gar nicht durch, weil die Firma ja zuerst einmal alles objektivieren muss. Die Wahrheit wird zuerst dem Markt geopfert.

Und warum? Es geht nur ums kurzfristige Ergebnis im Portfolio in Verbindung mit dem eigenen immer mehr einem Beamtenschicksal ähnelnden Berufsbild. Es fragt niemand, wann man billig gekauft hat, sondern immer nur warum man gerade so teuer gekauft hat. Die Performance wird immer mehr einem kurzfristigen Tradingbild unterworfen. Langfristig investiert heute scheinbar kaum jemand mehr.

Und einige Firmen sind auch selber schuld. Warum gibt es keine rasche Erklärung zu aktuellen Verdachtsmomenten zu welcher Blödsinnigkeit auch immer im Markt. Kaum jemand getraut sich, auf diese Vorwürfe zügig öffentlich zu reagieren. Bis durch die ganzen internen Kontrollorgane die dringend notwendigen Antworten freigegeben sind, hat sich der Kurs schon gedrittelt. Danach ist die 5%-Erholung nur mehr ein schwacher Scherz. Der Schaden ist angerichtet. Und das kann auch niemand so richtig klarstellen, die Verpflichtung zu Compliance, Risikokontrolle und Ad Hoc Verpflichtung schließt fasst immer aus, sofort bei negativen Ereignissen auf den Presseknopf zu drücken. Im Falle von Selbstverteidigung gegen unlautere Anschuldigungen wird daher immer öfter nur der Schutz via Anwalt oder ein deutlich verzögerter Zeithorizont gespiegelt. Warum? Ganz einfach, weil sich jeder fürchtet Regeln zu verletzen und weniger davor Kapitalverlust zu vermeiden.

Let’s face it. Wir sind in einer Börsenzeit angekommen wo jeder jeden bewerfen kann ohne eine angemessene Reaktion fürchten zu müssen. JEDER! Kennt jemand irgendeinen Hedgefund oder Schmierfink oder Denunzianten, der in den letzten Monaten ausgeforscht, angeklagt und verurteilt wurde? IRGENDEINEN? Im Gegenteil offizielle Whistleblower Accounts und anonyme Beschwerdebriefkästen die rechtlich verpflichtend einzurichten sind verstärken diesen Eindruck genauso wie die immer öftere Umkehr der Beweislast im Rechtschutz – nicht der Behaupter muss beweisen, dass seine Behauptungen der Wahrheit entsprechen, sondern der Beschuldigte muss nachweisen, dass diese nicht stimmen – bis hin zur offensichtlichen Ignorierung von Unschuldsvermutungen.

Wenn nur 10% der regulatorischen Aktivitäten und Aufmerksamkeit in die Untersuchung und Vermeidung obiger Vorfälle gehen würde, verbunden mit einer deutlichen Bestrafung für mutwillige Fehlinformation auch über die Staatsgrenzen hinaus, hätten wir ein weit besseres Kapitalmarktleben und eine weit bessere Investitionskultur in Verbindung mit einer nachfolgend weit besseren Refinanzierung der Wirtschaft.

Und das bedeutet nur, dass man fair spielen darf. Nichts anderes. Nur fair.