Der Hubertussee, nahe Mariazell, war die tiefwinterliche Umgebung der mittlerweile bereits dritten Börse Express-Panel-Diskussion, die wir gemeinsam mit Fame Investments veranstalten. Ein Ort, an dem es keine Ablenkung von außen gibt - es herrscht mehr oder minder eine mobilfunkfreie Zone rund um den Hubertussee...

Was der Intensität des Roundtables keinen Abbruch tat. Ziel des Roundtables ist der Gedanken- und Erfahrungsaustausch von Kapitalmarktteilnehmern und -interessierten. Das geht von Anlagechancen, dem Aufzeigen von Risiken, über Regularien, Makroökonomie bis hin zu Themen der Versicherung. Wobei diesmal dem Thema Zinsentwicklung und vor allem der Financial Literacy besonders Augenmerk geschenkt wurden. Hier hatten wir mit Heimo Scheuch als Aufsichtsratchef der Wiener Börse einen vehementen Kritiker des Ist-Zustands, der auch klar darlegte, woran das liegt. Mehr Widerspruch gab es bei Themen wie der künftigen Zinsentwicklung bzw. was uns die Digitalisierung, 3D-Drucker und Blockchain-Technologie für Auswirkungen aufs tägliche Leben und aber auch für die Anlagewelt bringen werden.

Einige der Themen ließ Heimo Scheuch gleich in der im Anschluss stattfindenden Unternehmenspräsentation von Wienerberger einfließen, die dieser als CEO leitet. Vor allem bereits bestehende Digitalisierungs-Features des Baustoffkonzerns ließen staunen: etwa eine Drohne, die mit dem Dachdecker aufs Dach fliegt und nach einem Foto-Screening bereits errechnen kann, wieviele Ziegel z.B. gebraucht werden und mit welcher Energieersparnis gerechnet werden kann, wenn dieser oder jener Ziegel verwendet wird.

Danach fand das Treffen seine Fortsetzung im inoffiziellen Teil – sei’s bei einer Party Karambole, einem klassischen Kamin-Gespräch, der Bar...

Neben Siegmund und Scheuch waren mit an Bord: Helmuth Klöckl, (Vermögensberater Kloeckl.cc), Jan Rimpler (Robert Beer Investments), Reinhard Magg (Vorstand FinanzAdmin), Thomas Strobach (Partner PwC), Markus Harrer (Vorstand dieplattform.at), Martin Trettler (Vermögensberater Team Leo) und Ralph Pöttinger (Alpine Equity Management) sowie Antonina Mishchaninova (MFS) und Danja Bauer (Bauer Communications), die auch ihr Gesangstalent im Rahmen eines Live-Auftrittes unter Beweis stellte. Für die Fotos sorgte Elke Mayr.

Was ist die Wienerberger heute? Eine der zentralen Botschaften von CEO Heimo Scheuch zum Unternehmen ist, dass Wienerberger mittlerweile mehr als ein Ziegelproduzent ist, vielmehr ein führender Anbieter von Baumaterialien und Systemanbieter. „Für Ziegel kennt man uns, mittlerweile kommen aber von 3,3 Mrd. Umsatz mehr als eine Milliarde von anderen Produkten.” Speziell in den Bereich Rohre wurde in den vergangenen Jahren diversifiziert. Das Portfolio besteht nunmehr aus Baustoffen aus keramischer Produktion bis hin zu Rohren und Flächenbefestigungen. „Wienerberger wird vom Finanzmarkt noch nicht ganz verstanden – wir erzielen 25 Prozent unseres Umsatzes mit innovativen Produkten mit einem Produktlebenszyklus von unter fünf Jahren. Das ist in der Baustoffbranche ein sehr starker Wert”, sagt Scheuch kurz nach einem Intermezzo in die Historie des mittlerweile seit 150 Jahren börsenotierten Unternehmens mit der Erinnerung daran, dass die heute noch zu sehenden Ziegelbauten rund um die Ringstraße aus Wienerberger-Ziegel hergestellt wurden ... mit entsprechendem Produktlebenszyklus.

Geografisch tätigt Wienerberger seine Umsätze zu etwa 90 Prozent in Europa, den Rest in Nordamerika. Das warum nicht Afrika und/oder Asien erklärt Scheuch damit, dass es im Baugeschäft sehr stark um Marktanteile geht: „Über eine starke Marktpräsenz fährt man die Gewinne ein.” Und da die Lieferradien für Wienerberger-Produkte bei maximal 400 km liegen, „müssten wir allein in China 1000 Fabriken haben, das schaffen wir nicht.”

Schaffen will Scheuch dafür weiteres Wachstum: „Für 2018 haben wir als Range beim EBITDA 460 bis 470 Millionen Euro ausgegeben. Es wird das obere Ende sein. Da kann man sich ausrechnen, wo das liegen wird. Wir schließen also 2018 mit einem starken Wachstum ab. Und es wird so weitergehen.” Scheuch spricht auch an, dass es nach der Ergebnissteigerung auch zu einer signifikant höheren Dividende kommen wird.

Dass es so weitergeht, liegt für Scheuch an der klar fokussierten Wachstumsstrategie - und dem im Vorjahr eingeläuteten Fast-Forward-Programm mit dem Ziel, alle Kosten und Prozesse zu durchleuchten - und daraus 120 Millionen Euro für das EBITDA zu lukrieren. „Wir sehen im digitalen Bereich für uns gewaltige Chancen, die Prozesse optimal zu gestalten.” So wurde z.B. in den letzten Jahren eine digitale Fabrik entwickelt. An Bord wurden auch Produktionsspezialisten anderer Branchen geholt - etwa aus dem Automobilbereich wo die Automatisierung der Produktion bereits weiter als beim Bau ist. Mittlerweile können Dachdecker, wie zuvor erwähnt, gemeinsam mit der von Wienerberger entwickelten Drohne aufs Dach fliegen... „Die Kapitalintesität geht für uns sehr stark zurück – daher die bessere Rentabilität”, sagt Scheuch. Und: „Die Digitalisierung führt dazu, dass wir nicht mehr nur den Dachziegel verkaufen, wir verkaufen eine Dienstleistung.”

Der Wienerberger-CEO strebt aber auch externes Wachstum an: „Wir sehen aufgrund der starken Bilanz die Möglichkeit, Unternehmen kaufen zu können.” Dabei, so Scheuch, ist wichtig, günstiger zuzukaufen als die (eigene) Marktbewertung – es sollte daher ein EBITDA-Multiple unter sechs sein. In der Peergroup selbst sieht der Wienerberger-CEO die Unternehmensbewertung am unteren Ende der Range - „vor allem wenn wir unsere EBITDA-Wachstumschancen sehen.” Zugekauft werden künftig speziell Lösungen für den Innenbereich des (Wohn-)Hauses – zuletzt ein Anbieter vorgefertigter Rohre für Elektroinstallationen. „Von dort werden wir bis zum Schaltkasten und weiter gehen”, kündigt Scheuch an und nennt speziell das Badezimmer als Ziel. „Heute sind wir sehr stark in der Infrastruktur – und werden mehr in den Zubehörsbereich des Hauses wachsen.”

Die gesehenen Wachstumschancen werden auch beziffert: Ziel für das Jahr 2020 ist ein EBITDA von 680 Millionen Euro (Anm: nach wohl knapp 470 in 2018). „Und ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren die fünf Milliarden Grenze beim Umsatz überschreiten werden”, sagt Scheuch, ohne ein Datum zu nennen.

Ausverkauft. Auf Anfrage wirft Scheuch einen Blick auf die osteuropäischen Märkte: Lage und Ausblick schätzt er positiv ein - und sieht keine Spur von Überhitzung des Marktes: „Es gibt keinen Markt in Osteuropa, der auf dem Niveau von vor der Krise ist – Ungarn liegt beispielsweise 40 Prozent darunter.” Aber die Geschäfte laufen - „in Rumänien sind wir komplett ausverkauft.”

Schlussendlich wirft Scheuch noch jene Frage in den Raum, der sich jedes Unternehmen irgendwann einmal stellen muss: Seiner Sinn-Frage. Da sieht Scheuch den klaren Auftrag, nachhaltig zu wirtschaften. Das schlägt sich nicht nur in der Ergebnisentwicklung nieder, sondern auch bei den Produkten. In Süddeutschland gibt es bereits den ersten (Wienerberger-)Ziegel am Markt, der klimaneutral ist – einer, der mit Null CO2-Emission produziert wird.

Scheuch fast zusammen: „Wir werden die Profitabilitätskurve weiter verbessern und unsere Aktionäre am Erfolg signifikant beteiligen – und bleiben ein Wachstumsunternehmen das zukauft.”