Die Situation auf den deutschen Intensivstationen ist nach Angaben von Intensivmedizin-Verbänden und Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) insgesamt noch relativ normal, regional gibt es aber große Unterschiede. Die Kliniken bekommen wegen der aufwendigen Vorbereitungen auf die erwartete große Krankheitswelle nach eigenen Angaben aber bereits die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie zu spüren. Zudem fehlt es weiterhin an Schutzausrüstungen für Mediziner und Pflegepersonal.

Die Situation auf den Intensivstationen sei momentan entspannt, hieß es auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur bei der DKG, die dabei auf das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) verwies. Die Online-Datenbank zeigt die Verfügbarkeit von Intensivbetten in rund der Hälfte der Kliniken im Land an. Von konkreten Problemen infolge der Coronavirus-Pandemie sei der DKG bisher nichts bekannt.

DIVI-Präsident Uwe Janssens, Chefarzt für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler, sagte der dpa: "Im Moment geht es noch. Wir spüren so langsam, dass doch mehr Patienten mit Covid-19-Erkrankung reinkommen." Dies seien aber nicht unbedingt alles Schwersterkrankte. "Das sind tatsächlich viele Ältere mit dem klassischen Krankheitsbild, Fieber, Lungenentzündung". Die Lage sei aber regional sehr unterschiedlich.

Am Montagabend wurden laut DIVI-Datenbank im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen 144 Menschen wegen Covid-19 auf Intensivstationen behandelt, in Sachsen waren es 6. Mehrere Bundesländer haben Notfallpatienten aus Italien und Frankreich aufgenommen - weil dort mancherorts die Intensivstationen völlig überlastet sind.

"Die große Welle von Schwerkranken wird aber noch kommen, schätzungsweise in acht bis zehn Tagen", sagte Gernot Marx, Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und Chefarzt für Operative Intensivmedizin an der Uniklinik Aachen der dpa. Es sei schwer zu sagen, wann der Höhepunkt zu erwarten sei. Man nutze die Zeit bis zum großen Ansturm auch, um Personal, das nicht in der Intensivmedizin arbeite, mit Abläufen und Beatmung vertraut zu machen.

Seit drei Wochen seien die Kliniken damit beschäftigt sich auf die Krisenlage einzustellen, berichtet Janssens. "Es handelt sich um eine logistische Umschichtung eines ganzen Systems hin zu Notfallszenarien." Die Intensivmedizin in Deutschland sieht der DIVI-Präsident insgesamt gut gerüstet. So viele Intensivbetten habe sonst kein Land in Europa. In Deutschland gibt es etwa 28 000 Betten für Intensivpatienten. Was aber fehle seien Schutzausrüstung und Pflegepersonal. "Wir können die Intensivkapazitäten an Betten verdoppeln, aber es wird nicht mit einer Verdoppelung des Intensivpersonales einhergehen". Pflegekräfte aus anderen Bereichen müssten unterstützend in der Intensivpflege eingesetzt werden.

Für seine Klinik in Eschweiler würden wegen fehlenden Nachschubs sogar ehemalige Krankenschwestern Schutzmasken nähen. Diese seien allerdings nur für den normalen Betrieb. Bei Umgang mit infektiösen Patienten müsse man auf höherwertige sogenannte FFP2-Masken zurückgreifen, diese fehlten derzeit überall. Nach Angaben von Marx deutet sich hier aber inzwischen ein Ende der Knappheit an, weil in China die Produktion langsam wieder anlaufe.

Die Umstellung der Kliniken auf die erwartete Krisenlage hat nach Angaben der Verbände schwere wirtschaftliche Folgen. "Wir erleiden schon jetzt finanzielle Schäden, weil wir Operationen heruntergefahren und Betten freigemacht haben", sagte Janssen. "Wir haben einen Fallrückgang von 24 Prozent. Wir fahren runter, damit wir uns wappnen. Das wird gigantische finanzielle Ausfälle zur Folge haben. Diese sind trotz aller Zusagen nicht durch die anstehende Gesetzgebung gedeckt."

Marx forderte zusätzliche Gelder. "Deutschland kann sich jetzt auf die Intensivmedizin verlassen! Dann muss sich die Intensivmedizin auch auf Deutschland verlassen können! Wir riskieren im Moment unser Leben." Das müsse jedem Politiker bewusst sein./jr/DP/zb

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AXC0049 2020-03-25/06:00

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