Ausgabe vom Montag, 6. Juli 2020

Innsbruck (OTS) - Die Aufarbeitung des Wirecard-Betrugs hat erst begonnen, Fehler im System sind bereits zutage getreten. Zwingend notwendig ist eine Reform der Aufsicht. Strengere Regeln für digitale Dienstleister sind eine mögliche Folge.

Der Wirecard-Skandal ist ein Kriminalfall, der Stoff fast filmreif. Fast zwei Milliarden Euro sind von philippinischen Treuhandkonten verschwunden. Im Verdacht der Untreue, der Bilanzfälschung und der Marktmanipulation stehen der einstige Vorstandsvorsitzende sowie drei Vorstände, einer davon befindet sich auf der Flucht. Die darauffolgende Konzern-Pleite schockt nicht nur die Börsen, wo Wirecard Milliarden an Wert verloren hat, es ist auch das Vertrauen der Anleger sowie die Reputation verloren. Der Wirecard-Schwindel erschüttert auch jenseits der strafrechtlichen Aufarbeitung. Der Finanzdienstleister, der für seine Kunden die Abwicklung von internationalen Online-Zahlungen übernahm – etwas, das die Kunden selbst nicht bemerken –, galt als europäisches Vorzeigeunternehmen. Auf einem Markt, der von US-Tech-Giganten wie Amazon und Apple dominiert wird, konnte das Unternehmen mit dem Österreicher an der Spitze überzeugen.
Dass die Zahlungsabwicklungen manipuliert waren, scheint derzeit unwahrscheinlich. In Österreich wurde Wirecard als zuverlässiger technischer Provider im Hintergrund von Online-Zahlungen wahrgenommen, das Geschäftsmodell überzeugte. Zu den Kunden zählen namhafte Unternehmen wie die ÖBB, die Post oder A1. Sie werden wohl zu anderen Anbietern wechseln müssen.
Der Wirecard-Skandal kann aber auch ein Weckruf sein. In Deutschland wird bereits an einer Gesetzesänderung gearbeitet, die den staatlichen Prüfern von Unternehmen mehr Kompetenzen einräumt. Gleichzeitig wird die überfällige Debatte geführt, ob die Wirtschaftsprüfer, die im Auftrag des Unternehmens tätig waren, ihre Arbeit sorgfältig und energisch genug gemacht haben. Klar scheint, dass damit strengere Regeln folgen werden – für die Aufsicht, aber auch für die digitalen Dienstleister selbst. Denn der Online-Bezahlmarkt ist ein Zukunftsfeld, das enorm profitabel ist. Die Verlagerung des Einkaufens und Bezahlens ins Internet ist nicht mehr umkehrbar, bequeme Payment-Dienstleistungen werden immer häufiger genützt. Nicht nur der Markt, auch die Zahl der Anbieter am Payment-Sektor wächst stetig. Darüber – und über mögliche Folgen wie etwa die Weiterverarbeitung der Kundendaten – den Überblick zu behalten, ist schwierig. Umso mehr braucht es transparente Anbieter und Vertrauen in die Technologie, die uns immer häufiger im Alltag begegnet. Auch deshalb gehört der Wirecard-Schwindel rasch aufgeklärt.