Wir befinden uns mitten in der Berichtssaison des ersten Quartals 2021 und es lässt sich bereits ein deutliches Muster erkennen. Eine Vielzahl der Unternehmen übertreffen die Prognosen der Analysten und können Steigerungen, bzw. nur moderate Rückgänge im Vergleich zum Vorjahresquartal, welches noch größtenteils unbeeinflusst von der Corona Pandemie war vorweisen. Insbesondere Unternehmen der gelegentlich schon totgesagten „old economy“, also der Sektoren und Unternehmen, die bereits vor der Technologierevolution im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Internets erfolgreich wirtschafteten, konnten in den letzten Wochen und Tagen sehr überzeugende Zahlen vorlegen. Und das, nachdem in den vergangenen Jahren die Unkenrufe immer größer wurden, wonach die Geschäftsmodelle einiger dieser Industrien eher Auslaufmodelle sind. Insbesondere in den USA konnte man diese Entwicklung in den vergangenen Jahren deutlich erkennen, wo der Technologiesektor seine Vormachtstellung laufend ausbaut und sich bereits einer Gewichtung von 30% des S&P 500 annähert (mehr als die beiden folgenden Sektoren kumuliert). Durch die steigende Nachfrage im Zuge der immer größer werdenden wirtschaftlichen Öffnungsschritte können viele Vertreter der old economy wieder einen Teil des verlorenen Bodens gutmachen. Bereits seit Ende des letzten Jahres lässt sich diese Tendenz erkennen, die zunächst noch von China getrieben war und jetzt zunehmend auch von den USA und Europa getragen wird. Insbesondere am Rohstoffmarkt lässt sich diese Entwicklung sehr gut ablesen, da zahlreiche Rohstoffe in den vergangenen Monaten einen teils außergewöhnlichen Höhenflug verzeichneten.

Als ersten klassischen Vertreter dieser Zunft, wollen wir die Automobilindustrie näher beleuchten. In Europa ist diese traditionell am stärksten in Deutschland beheimatet mit den mächtigen Herstellern VW, BMW und Daimler. Nach den Q1/21 Zahlen konnte man sowohl aus München, Stuttgart als auch Wolfsburg großen Jubel vernehmen. Die drei Unternehmen starteten allesamt fulminant ins neue Jahr und übertrafen die Erwartungen. Dabei stellte sich insbesondere die Nachfrage und die hohen Absatzzahlen aus China als wichtiger Erfolgsfaktor heraus. Zudem konnten durch Kosteneinsparungen die Margen wieder deutlich ausgeweitet werden. Den einzigen Wermutstropfen in der Autoindustrie stellen derzeit die Lieferausfälle bei Elektronik-Chips mit wichtigen Halbleitern dar, die sich noch spürbar hinziehen könnten. Es gibt eine grundsätzliche Knappheit bei Chips, die wegen der zahlreichen vernetzten Geräte in den Fahrzeugen benötigt werden. Nichtsdestotrotz konnten VW und BMW ihren Ausblick für das laufende Geschäftsjahr bereits erhöhen. Auch Daimler sieht sehr zuversichtlich in die Zukunft und plant die eigene Truck- und Bus-Sparte in der zweiten Jahreshälfte 2021 an die Börse zu bringen. An den Aktienmärkten blieben diese Entwicklungen nicht unbemerkt und der Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts gehört mit +18% zu den besten YTD-Performern. In Österreich profitieren vorrangig einige Zulieferunternehmen wie voestalpine, Polytec, Andritz oder AT&S von den steigenden Absatzzahlen der Autoindustrie.

Ein weiterer „old economy“ Sektor, der nach den Präsentationen der Q1/21 Ergebnisse zu den Gewinnern gezählt werden muss, ist der Banksektor. Vor allem das Licht am Ende des Pandemie-Tunnels sowie steigende Handelserträge wirkten sich positiv auf die Resultate der meisten europäischen Finanzinstitute aus. Europas Banken haben im vergangenen Jahr Milliarden von Euro beiseitegelegt, um sich auf eine erwartete Welle von Zahlungsausfällen vorzubereiten, als große Teile der Wirtschaft abgeschaltet wurden, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Doch massive Hilfen von Regierungen und Zentralbanken haben die Unternehmen bisher von den Auswirkungen bewahrt, und viele erwarten nun, dass das endgültige Ausmaß der Insolvenzen und Forderungsausfällen geringer sein wird als zuvor befürchtet. Credit Suisse, UBS, Uni Credit, ING, Societe Generale, Deutsche Bank - die Liste jener Banken, die im ersten Quartal die Prognosen übertrafen, ist lange. Damit taten sie es ihren amerikanischen Pendants gleich, die bereits in den Wochen zuvor äußerst starke Quartalsergebnisse vorweisen konnten. Die überraschend positiven Ergebnisse der europäischen Banken für das erste Quartal haben auch deren Bewertungen in die Höhe getrieben. Viele Aktien haben nach der tiefen Talsohle unmittelbar nach dem ersten Pandemieschock im vergangenen Jahr fast wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch wenn man auf den für Österreich so wichtigen Bankensektor schielt. Erste Group, RBI und Bawag konnten aufgrund deutlich gesunkener Risikokosten ebenso die Prognosen der Analysten übertreffen. Der makroökonomische Ausblick hat sich deutlich verbessert und die Risikokosten sowie die notleidenden Kredite (NPLs) könnten im laufenden Geschäftsjahr deutlich niedriger als gedacht ausfallen. Beispielsweise bestätigte Alexandra Habeler-Drabek, CRO der Erste Group, zunächst die Guidance für das laufende Geschäftsjahr von Risikokosten von unter 65 Basispunkten des durchschnittlichen Kundenkreditvolumens. Im Conference Call zeigte sie sich danach jedoch sehr zuversichtlich und meinte, dass man diese Zielmarke möglicherweise deutlich unterschreiten wird können, nachdem man im ersten Quartal lediglich 8 Basispunkte an Kreditkosten verzeichnen musste. Für die österreichischen Banken Erste Group und RBI ist dafür im Vergleich zu den meisten europäischen Banken insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung, sowie die Zinsentwicklung in Mittel- und Osteuropa von großer Bedeutung. Nachdem in einigen dieser Länder die in Kraft gewesenen Kreditstundungen ausgelaufen sind, konnten die österreichischen Banken aufatmen, da die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer bisher nicht spürbar nachließ. Sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen und sollte es nicht zur von einigen befürchteten Pleitewellen kommen, könnte der Bankensektor einer der größten Gewinner des Jahres werden. Bereits jetzt befindet sich das alte Schlachtschiff der old economy mit einer YTD Performance von +25% im absoluten Spitzenfeld der europäischen Sektoren..

 

 

Aus dem Börse Express-PDF vom 10. Mai - hier zum kostenlosen Download

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