Die Weltwirtschaft hat den Höhepunkt des aktuellen Konjunkturzyklus überschritten – anders als zu Jahresbeginn gehen die Finanzmärkte jedoch nicht mehr von einer ausgeprägten Krise der Weltwirtschaft aus. Die Abkühlung des Wachstumsumfeldes führte zu Wortmeldungen von Vertretern der US-Notenbank und von Präsident Trump, die auf eine erste Leitzinssenkung seit 2008 hindeuten – mit Auswirkungen auf die Eurozone: „Wenn die Fed die Zinsen senkt, bringt sie die EZB unter Zugzwang, neue unkonventionelle Maßnahmen zu starten. Wie auch immer der Weg aus dem aktuellen Zins-Dilemma aussieht: Zinsen bleiben in Europa auf absehbare Zeit auf ihren tiefen Niveaus und die heimischen Sparbuchsparer werden weiterhin an Kaufkraft verlieren, selbst wenn die Inflationsraten leicht zurück gehen“, erklärt Ingo Jungwirth, Volkswirt bei der BAWAG P.S.K.

Erste Leitzinssenkung seit 2008 in den USA möglich, Zinsanhebungen in Eurozone unwahrscheinlich

Vor allem in Ländern mit exportorientierten Industrien wurden die Wachstumsprognosen für 2019 nach unten korrigiert. Das Wachstumsfeld wird aktuell von Sonderfaktoren belastet, wie etwa dem Auslaufen der positiven Effekte aus der Einkommensteuersenkung in den USA, den Anhebungen von Zöllen zwischen den USA und China sowie den Unsicherheiten im Hinblick auf den Brexit. Auch in Österreich ist die österreichische Nationalbank bei den Prognosen heuer verhaltener als noch 2018: Demnach soll die heimische Wirtschaft um 2,0% wachsen. Im Vorjahr betrug das Wirtschaftswachstum 2,8%.

Auch in den USA zeigt sich ein ähnlicher Trend: Die Notenbank geht 2019 von einem schwächeren Wachstum (2,1%) aus. In den letzten Wochen hat dies laut Jungwirth zu einem Umdenken bei den Notenbankern geführt: „In den USA hat es seit 2015 neun Leitzinsanhebungen gegeben. Dieses Jahr ist wohl keine weitere Zinsanhebung zu erwarten – im Gegenteil. Es gibt bereits erste Notenbankmitglieder, die sich für Zinssenkungen in den USA aussprechen, um die Konjunktur anzukurbeln.“ Das aktuelle Zinsniveau von 2,5% befindet sich auf dem durchschnittlichen Vorkrisenniveau und lässt somit Spielraum für Zinssenkungen in den USA. Eine Zinssenkung der US-Notenbank könnte Investitionstätigkeiten und damit das Wirtschaftswachstum fördern.

„Wenn die Zinsen in Amerika fallen, könnte es zu einem Abwertungswettlauf zwischen Euro und US-Dollar kommen“, weist Jungwirth hin. Eine Vergünstigung der US-amerikanischen Exporte im Ausland und eine Verteuerung der europäischen Importe in die USA wären als Folgen zu erwarten, was auch die EZB hinsichtlich ihrer Zinspolitik unter Zugzwang setzen würde. Da der Leitzins in Europa aber schon bei 0,0% liegt, wäre der Handlungsspielraum der EZB begrenzter als jener der US-Notenbank. Jungwirth: „Die bisher erprobten Mittel in dieser Situation waren Strafzinsen, günstige Liquidität für Geschäftsbanken und Wertpapierzukäufe. Es gibt jedoch wenig Erfahrungswerte, was die Dosierung dieser unkonventionellen Mittel angeht.Damit verbunden wären zudem große Unsicherheiten hinsichtlich der Effizienz der Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft.

Chancen für Anleger im Niedrigzinsumfeld

Unabhängig von aktuellen und künftigen Entwicklungen der Leitzinsen hat sich in Österreich an der Zusammensetzung des Finanzvermögens der privaten Haushalte kaum etwas verändert: So befanden sich Ende 2018 etwa 42% des Finanzvermögens unter dem Kopfpolster oder auf (Spar-)Konten – zudem flossen im vergangenen Jahr mehr als 18 Mrd. € in täglich fällige Einlagen, rund 9 Mrd. € alleine im vierten Quartal 2018. Das derzeitige Niedrigzinsumfeld bleibt weiterhin besonders günstig für Unternehmen und Private, die Kredite aufnehmen wollen, jedoch unattraktiv für Sparer. „Aktuell sieht es so aus, dass auch 2019 keine Leitzinsanhebung kommt. Wer also auf eine adäquate Rendite hofft, kommt auch weiterhin am Kapitalmarkt nicht vorbei“, so Jungwirth abschließend.