Bankkunden ärgern sich zunehmend über Filialschließungen, den ständigen Wechsel ihrer Bankbetreuer, deren Ersatz durch sture Automaten; es hagelt Kritik an verkürzten Banköffnungszeiten und überfallsartigen Kontokündigungen. All das in einer Zeit, in der die Banken Pläne wälzen, die privaten Ersparnisse ihrer Kunden in klimaschonende, umweltfreundliche und energiesparende Zukunftsprojekte umzuleiten. Das dürfte nur funktionieren, wenn neues Vertrauen zwischen Banken und Kunden aufkommt. Neben Staatsmitteln sollen auch die privaten Ersparnisse der Österreicher bei der Transformation in eine nachhaltige Zukunft mitspielen.

145 Milliarden Euro für die „grüne Wende“.

Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass zur Erreichung der Klimaneutralität in Österreich bis zum Jahr 2040 – um 10 Jahre früher als für die übrige EU – rund 145 Milliarden Euro erforderlich werden. Das sind bis 2030 14 bis 18,5 Milliarden Euro jährlich. Dieser enorme Aufwand soll in die Sektoren moderner Verkehr, erneuerbare Energie, emissionsarme Heizsysteme und in den Strukturwandel der Industrie fließen. Damit werden einerseits Energiewende, Klimaneutralität, Verkehrstransformation und Industrieerneuerung herbeigeführt, andererseits Österreichs starke Auslandsabhängigkeit bei Energie und Rohstoffen vermindert, weiters zusätzliche Wertschöpfung, Beschäftigung und Einkommenschancen geschaffen werden.

Das Umweltbundesamt rechnet als Ergebnis dieser Investitionen mit rund 70.000 neuen Arbeitsplätzen und Erhöhung der österreichischen Wertschöpfung (= Steigerung des Bruttoinlandsprodukts) um 2,4 Prozent im Jahr. Dieser starke wirtschaftliche Impuls soll in unserem Land zusätzlich zu den politisch verpflichtenden klimatischen und umweltrelevanten Zielen eintreten. Das aber nur dann, wenn die Österreicher:innen dabei aktiv mittun. Das heißt, dass sie einen Teil ihrer Ersparnisse – die Oesterreichische Nationalbank beziffert sie derzeit mit rund 800 Milliarden Euro – für die Klima-, Energie- Industrie- und Verkehrstransformation ihres Landes zur Verfügung stellen. Das bedeutet weiter, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Ersparnisse -- seien diese unter dem Kopfpolster, auf Sparbüchern oder in Wertpapierdepots -- dem Kapitalmarkt zur Verfügung stellen.

Zugleich mit dem Umweltbundesamt bemühen sich auch die österreichische Bundesfinanzierungsagentur und das Finanzministerium durch die Ausgabe von grünen Anleihen (green bonds) im Umfang mehrerer Milliarden Euro zur Erreichung der ehrgeizigen politischen Energie- und Klimaziele aufzutreiben. Bank Austria hat bereits die Emission einer grünen Bundesanleihe in Höhe von 500 Millionen Euro platziert. Dabei fiel ihr Blick auf institutionelle Investoren, noch nicht auf private Ersparnisse. Diese neue 6-jährige grüne Bundesanleihe, die weit überzeichnet war, soll einen Ertrag von 6 Basispunkten über dem 6-jährigen Mid-Swap bringen. Um daneben auch privates Spargeld einzuwerben, wird wohl ein attraktiverer Ertrag dieser Mittel erforderlich sein.

Privates Spargeld ist schwer einzuwerben.

Für Österreich ist demnach ein kompakter Überzeugungsfeldzug der Bankwirtschaft in Richtung ihrer Privatkunden vorgezeichnet, um deren Spargeld in Nachhaltigkeit umsetzen zu können. Noch herrschen diesbezüglich gravierende Zweifel am Überzeugungspotenzial der heimischen Banken. Denn ein Gutteil der Österreicher:innen trennt sich nur ungern vom mühsam Ersparten, auch wenn dessen Erträge derzeit nur mau sind und viele Experten die umwelt- und wirtschaftspolitischen Vorteile solcher Zukunftsinvestitionen in leuchtenden Farben ausmalen, aber noch nicht liefern. Die meisten Österreicher warten auf handfestere und für sie persönlich nachvollziehbarere Argumente; diese fehlen derzeit noch.

Der Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich, Franz Rudorfer, wirbt vorderhand nur mit bekannten Slogans aus der Finanztheorie um privates Sparkapital: „Unser Sektor hat die historische Aufgabe, die Nachfrage nach Investitionskapital, wie sie jetzt auf dem Tisch liegt, mit dem inländischen Angebot an Investitionskapital zusammenzubringen.“ Mit dem Slogan „wer K wie Klimatransformation sagt, muss auch K wie Kapitalmarkt sagen“, versucht Rudorfer den bei einfachen Bürgern zumeist verpönten Begriff „Kapitalmarkt“ ebenso populär zu machen wie den oft missverstandenen Begriff „Nachhaltigkeit“; das mit dem ehrgeizigen Ziel, die zögernden Österreicher:innen für die Hingabe ihrer Spargroschen aus der Reserve zu locken: „Die Nutzung des Kapitalmarktes, der diesen Namen auch verdient, ist die logische Antwort der Österreicher:innen, damit das erforderliche Geld überall dorthin kommt, wo es jetzt dringend gebraucht wird. Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine haben unsere Umwelt- und Energieziele eine neue Dringlichkeit bekommen“, zeigt Rudorfer die aktuelle Notlage auf.

Wo bleiben staatliche Anreize?

Damit aus dem bescheiden-niedlichen österreichischen Kapitalmarkt ein vollentwickeltes international angesehenes Finanzierungsinstrument für die anstehende Umwelt-, Verkehrs- und Klimawende werden kann, ist die rasche Umsetzung jahrzehntelang vergeblich vorgebrachter steuerlicher Anreize unumgänglich. Rudorfer legt die alten Forderungen der österreichischen Finanzindustrie an den Finanzminister wiederum auf den Tisch mit dem Ziel, die gröbsten Hindernisse der privaten Kapitalbildung in Österreich zu beseitigen:

• die Befreiung von Finanzprodukten wie Aktien oder Anleihen von der Kapitalertragsteuer (derzeit 27,5 Prozent einschließlich der Spekulationssteuer von 2,5 Prozentpunkten), wenn sie eine bestimmte Mindestzeit im Depot gehalten werden; überlegt wird die Festsetzung einer Behaltefrist von mindestens zwei Jahren, um diese Steuerbefreiung zu erreichen.

• die Befreiung von Lebensversicherungen (auch von fondsgebundenen Lebensversicherungen und Pensionskassenprodukten für die Altersvorsorge) von der Versicherungsteuer (derzeit 11 Prozent Steuer von der Versicherungsprämie für Verträge bis 15 Jahre Laufzeit, nur 4 Prozent von der Prämie für Langfristverträge).

Wie schätzt Franz Rudorfer die Chancen seiner steuerlichen Anreizwünsche an Finanzminister Magnus Brunner ein? „Wir haben von ihm eine sehr positive Antwort bekommen. Wir glauben, dass es sich um eine echte Win-Win-Win-Situation handelt: weniger CO2, nachhaltiges Wachstum und mehr Innovationen in der Wirtschaft, das ist etwas, worauf sich die Regierung wohl leicht einigen können wird“, hofft Rudorfer. Die Mindereinnahmen des Finanzministers bei Umsetzung der obigen Steuerbefreiungswünsche bezeichnet er als „bescheidene Erdnüsse“ verglichen mit den daraus entstehenden wirtschaftlichen Vorteilen wie durchgehende Klimatransformation, wesentlich fitterer Kapitalmarkt internationalen Zuschnittes, ansehnliches zusätzliches Wirtschaftswachstum sowie zehntausende neue Arbeitsplätze.

Beziehungskrise zwischen Kunden und Banken.

Die gesetzliche Interessenvertretung heimischer Banken in der Wirtschaftskammer Österreich gibt sich demonstrativ zuversichtlich, dass sie bald einen ansehnlichen Teil der privaten Ersparnisse der Österreicher in zukunftsträchtige Ziele wie Klimaneutralität, Dekarbonisierung oder Verkehrstransformation umlenken werde können. Merkwürdig dabei ist allerdings, dass sich die privaten Interessenvertretungen der heimischen Finanzwirtschaft, der Verband der österreichischen Banken und Bankiers sowie der Finanzmarketingverband Österreich (FMVÖ), dieser Zuversicht ihrer Branchenkollegen noch nicht angeschlossen haben. Vermutlich haben sie erkannt, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen heimischen Bankkunden und Banken derzeit auf einem Tiefpunkt steht, der für wachsende Enttäuschung vieler Kunden in ihre Bank und zu gegenseitigen Konflikten der Marktpartner führt, die das Projekt der Finanzierung neuer Infrastrukturvorhaben in Österreichs durch private Ersparnisse akut gefährden. Dabei wäre der FMVÖ -- der jährlich eine „Recommender-Gala“ abhält, bei welcher die Weiterempfehlungsbereitschaft heimischer Bank- und Versicherungskunden ausgelotet wird – hervorragend dazu geeignet, ein Urteil über die Effekte von abgestuft exzellenter, hervorragender und guter Kundenorientierung zu fällen und eine schlagkräftige Strategie zur Beilegung der Beziehungskrise zwischen Banken und Versicherungen sowie deren Kunden auszuarbeiten und in die Tat umzusetzen. Warum tut er das nicht?

Die Konsumentenberatung der Arbeiterkammer hat kürzlich die Hintergründe dieser akuten Beziehungskrise aufgedeckt, die seit der letzten Finanzkrise 2008 stetig zunimmt: Es gäbe, so die AK-Konsumentenschützer, immer häufiger Beschwerden ­gleichermaßen über den schlechten Service und die hohen Preise der Banken, sprich steigende Kontogebühren bei abnehmender Dienstleistungsbereitschaft. Namentlich genannt wurden dabei BAWAG/PSK und Erste Bank.

Christian Prantner, Teamleiter für Finanzdienstleister in der Konsumentenberatung der AK Wien berichtet: „Wir haben pro Tag zwischen 10 und 30 neue Kundenkontakte, die sich bei uns mit Beschwerden über Banken und Versicherungsthemen melden. Die BAWAG/PSK ist seit vielen Jahren Spitzenreiter in unserer Beschwerdestatistik; in den letzten Monaten ist sie besonders aufgefallen, indem sie konkret Girokonten und zugehörige Sparkonten einseitig gekündigt und die Kunden vor die Tür gesetzt hat. Diese Bank ist zudem telefonisch nicht erreichbar, ihre Schalter sind nur noch bis 13 Uhr geöffnet und ihr Kundenservice ist generell sehr schlecht. Aber auch bei anderen Banken gibt es zunehmend Probleme. 2008 haben die heimischen Banken begonnen, ihre Geschäftsmodelle und Ertragsstrategien zu ändern. Ein weiterer Problembereich ist die Digitalisierung und damit eine schwere Disruption im österreichischen Bankbereich. Das alles ist negativ für die Konsumenten, weil damit ein vielfach beanstandeter mangelnder Kundenservice einhergeht. Das alles betrifft alle großen heimischen Geschäftsbanken.“

Laut Prantner geht der aktuelle Bankentrend in Österreich in Richtung digitale Services, während der stationäre Vertrieb, der Filialbereich, immer mehr zurückgedrängt wird, weil die Filialen sehr teuer sind. Hauptvorwurf des Arbeiterkammer-Sprechers: „Die Marketing- und Werbebotschaften der Banken stimmen mit der täglichen Praxis nicht mehr überein. Die Banken schreiben Rekordgewinne, andererseits beschweren sich die Kunden, weil Bankservices eingestellt und aus Sicht der Banken unrentable Kunden einfach gekündigt werden.

Reformvorschläge der Konsumentenschützer.

Wenn österreichischen Banken tatsächlich Erfolg mit der Aktivierung privater Vermögen für Zukunftsinvestitionen haben und das vorgezeichnete Potential ausschöpfen möchten, müssten sie wieder in Beratung investieren, meint Prantner. „Die Kunden schätzen Beratung, auch in alltäglichen Geschäften, das zeigen unsere Studien. Wir sehen mehrere beunruhigende Zeichen im Zusammenhang mit der Produktpalette der Banken: Das gute alte Sparbuch oder Sparkonto gehört bei vielen Banken der Vergangenheit an. Das neue Credo scheint zu sein, dass man neuen Kunden kein Sparbuch mehr anbietet, sondern nur den Bestandskunden; denn das Sparbuch ist in den Augen der Banken unrentabel. Wir fordern, dass die österreichischen Banken angehalten werden müssen, ihren Kunden eine analoge Mindestinfrastruktur anzubieten; das bedeutet Filialbetrieb und physische Sparbücher. Bankkunden sollen künftig ein Wahlrecht zwischen einem analogen Bank- oder Sparprodukt und einem digitalen Produkt haben.“

Zum aktuellen Thema Privatkapital für Investitionen in die neuen Nachhaltigkeitsstrategien zitiert Prantner das Ergebnis einer aktuellen Studie, die in Form von Mystery Shopping in 16 heimischen Banken durchgeführt worden ist: „Wir haben dabei festgestellt, dass grosso modo die Beratungsqualität zum Thema nachhaltige Investmentfonds sehr ausbaubedürftig ist. Die Beratung der Banken muss auf diesem Gebiet stark angekurbelt werden, sonst wird es mit der Umlenkung privater Ersparnisse in nachhaltige Zukunftsaufgaben nichts werden.“

Dem hält Bankensprecher Rudorfer entgegen: „Die österreichischen Banken bieten gerade um das Konto ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis an, das keinen Vergleich mit anderen EU-Staaten zu scheuen braucht. Unsere Banken haben diesbezüglich sogar einen Stockerlplatz.“ Er verteidigt auch die Digitalisierungsfortschritte heimischer Banken: „Mit der Digitalisierung hat sich das Nachfrageverhalten der KundInnen nachdrücklich geändert und damit klarerweise auch das Angebot der Banken. Mehr als 60 Prozent der Kund:Innen erledigen ihre Bankgeschäfte nur noch digital. Die Beratung hat nach wie vor einen hohen Stellenwert und wird durch Covid noch verstärkt digital nachgefragt. Übrigens weist Österreich noch immer eine hohe Dichte an Bankstellen auf, und die Zahl der Geldbehebungsmöglichkeiten liegt hierzulande im europäischen Spitzenfeld!“

Rudorfer räumt allerdings auch Regulierungsschwächen ein: „Die europäischen Bankregeln zeigen hohe Komplexität sowie fehlende Planungs- und Rechtssicherheit. Bankberatung und Bankprodukte können sich immer nur an den vorliegenden Bestimmungen wie z.B. der EU-Taxonomieverordnung orientieren.

Windfall-Profits dank Bankgebührenerhöhungs-Automatik.

Das Anrecht österreichischer Banken auf Gebührenerhöhungen, wie jene am 1. Juli 2022, geht vom Verbraucherpreisindex (VPI) aus, der von Statistik Austria berechnet wird. Sobald die Inflation zwei Prozentpunkte steigt, dürfen die Banken ihre Gebühren automatisch anheben. Aufgrund der aktuell hohen Inflationsrate – zuletzt 7,2 Prozent – wegen der krisenbedingten Verteuerungen von Energie, Rohstoffen, Wohnungsmieten oder Nahrungsmitteln dürfen auch die heimischen Banken ihre Gebühren weiter anheben. Kritiker sprechen von sogenannten Windfall-Profits, das sind „unvorhergesehene Zufallsgewinne, die nicht durch zusätzliche Leistungen, sondern durch bloße Änderungen der Marktverhältnisse entstehen“. Das kommt nun den österreichischen Banken zugute. Sie leiden zwar nur geringfügig unter den erwähnten Preissteigerungen, sie passen aber trotzdem ihre Preise nach oben an und machen so einen unverhältnismäßigen Gewinnsprung.

AK-Experte Christian Prantner meint: „Bankkunden fällt auf, dass sie ihre Geldgeschäfte immer mehr in Selbstbedienung machen müssen, aber auf der Gegenseite werden die Bankspesen erhöht. Dieser Automatismus von Gebührenerhöhung passt mit den verkürzten Leistungen der Banken nicht zusammen. Der aktuelle AK Bankmonitor zeigt, dass 53 von uns untersuchte Preise für Bankdienstleistungen im Jahresvergleich kräftiger erhöht worden sind als im Vorjahr. Wir bezeichnen das als „Kundenvertreibungsaktion“. Auffällig ist, dass alle Dienstleistungen am Bankschalter extrem verteuert worden sind, obwohl sie bereits im Vorjahr kräftig gestiegen waren. Der Trend setzt sich fort, dass persönliche Dienstleistungen in der Filiale am Schalter und alles, was mit Papier oder manuellen Buchungen zusammenhängt, ständig teurer wird. Die Banken verfolgen offenbar das Modell, ihre Kunden von den Filialen fernzuhalten, möglichst viele Dinge digital erledigen zu lassen; bei Beratungen setzen sie nur noch auf zwei Königsprodukte: den Hypothekarkredit und das Wertpapiergeschäft.“

Auch diese Argumentation lässt Bankensprecher Rudorfer nicht gelten: „Die Gebührenerhöhungen sind mit der aktuellen Inflationsrate begrenzt und deswegen in den letzten 10 Jahren trotz hoher Kostenbelastungen für Digitalisierung und deren Sicherheit nur begrenzt möglich gewesen. Derzeit steigen gerade wieder die Anforderungen für den IT-Schutz bzw. in die Cybersicherheit enorm. Wie andere Branchen sind auch Banken von steigenden Preisen betroffen. Unsachliche und keiner Evidenz standhaltende Aussagen ändern daran nichts!“

Derartig knallharte Kontroversen zwischen Banken und deren Kunden werden das mangelnde gegenseitige Vertrauen nicht wiederherstellen und privates Spargeld nicht in wichtige Zukunftsgebiete lenken können. Um das zu erreichen, sollten sich Sozialpartner, Banker und Finanzpolitiker rasch um den Aufbau eines neuen gegenseitigen Verständnisses bemühen, um die Zukunft zu gewinnen und sie nicht durch fortgesetzten Streit zu verraten.

 

Aus dem Börse Express PDF von 24. Mai hier zum Download

 

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