BÖRSE EXPRESS: Die Erste ist für den russischen Aktienmarkt positiv für 2018 gestimmt. Welche sind die wichtigsten Gründe dafür und hält dieser Optimismus auch für 2019 an?

ALEXANDRE DIMITROV: Die russische Wirtschaft hat die Rezession 2015/16, die vor allem durch den Absturz der Ölpreise und Einbruch der inländischen Kaufkraft ausgelöst wurde, hinter sich gelassen. Heuer und nächstes Jahr wird die Wirtschaft nach den aktuellen Prognosen um zirka 1,8 Prozent wachsen. Während eine Reihe von Schwellenmärkten vom Anstieg der US-Dollar-Zinsen und des US-Dollars negativ betroffen ist, ist Russland diesbezüglich besser gewappnet. Das Land weist einen Leistungsbilanzüberschuss und ein praktisch ausgeglichenes Budget auf. Die Gesamtverschuldung ist in den vergangenen Jahren tendenziell geschrumpft, und die Staatsverschuldung liegt bei lediglich 17,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

 

BÖRSE EXPRESS: Der derzeit steigende Ölpreis trägt zum optimistischen Szenario bei. Es gibt allerdings auch Experten die meinen, dass die langfristigen Aussichten nicht so schillernd sind, wie die jüngste Entwicklung vermuten lässt. Wie stehen Sie dazu?

ALEXANDRE DIMITROV: Die soliden makroökonomischen Zahlen dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die längerfristige Wachstumsdynamik der russischen Wirtschaft gedämpft ist. Die prognostizierten Wachstumszahlen dürften nur etwa halb so hoch wie das globale Wachstum ausfallen. Damit wäre das Wachstum deutlich niedriger als in den Jahren vor der Finanzkrise, als sich Russland auf der Überholspur befand. Ob sich während der Amtszeit „Putin 4.0“ daran etwas ändert, ist fraglich. Die neue Regierung und die vom Präsidenten dekretierten Reformziele signalisieren nur eine verhaltene Reformbereitschaft.

 

BÖRSE EXPRESS: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die US-Sanktionen gegen Russland bald wieder zurückgenommen werden?

ALEXANDRE DIMITROV: Anzeichen einer Lockerung der Sanktionen gibt es nicht. Im Gegenteil: Die USA haben neue Restriktionen gesetzt, die unter anderem eine neuerliche Abschwächung der russischen Währung bewirkten. Bisher wurden die negativen Folgen der Sanktionen von den Schwankungen des Erdölpreises und anderer Rohstoffpreise überlagert, aber längerfristig sind ihre Wirkungen negativ für die russischen Wirtschaftsaussichten.

 

BÖRSE EXPRESS: Apropos US-Sanktionen. In wie ferne haben sich die zuletzt verstärkten Sanktionen auf die Titel im Fonds-Portefeuille bereits ausgewirkt und welche Folgen sind noch zu erwarten?

ALEXANDRE DIMITROV: Aus Sicht von uns Investoren ist vor allem die letzte Runde der US-Sanktionen negativ zu beurteilen, da zum ersten Mal börsennotierte Unternehmen einschließlich ihrer internationalen Operationen direkt ins Visier der Politik gerieten. Unmittelbare Folgen auf unsere Portfolio-Gestaltung haben die Sanktionen keine, aber wir sehen uns natürlich genau an, wie sich Umsätze und Erträge in nächster Zeit entwickeln werden.

 

BÖRSE EXPRESS: Der russische Aktienmarkt ist vor allem wegen seiner günstigen Bewertung und der hohen Dividendenrendite attraktiv. Wie viel Performance trauen Sie dem Markt in 2018 zu?

ALEXANDRE DIMITROV: Wir sehen die Aussichten für den russischen Aktienmarkt tendenziell positiv. Der Markt ist mit einen Kursgewinnverhältnis von zirka 6x auf Basis der erwarteten Gewinne günstig bewertet. Der Bewertungsabschlag zu anderen Schwellenländern liegt deutlich über 40 Prozent. Hinzu kommt, dass der russische Aktienmarkt eine Dividendenrendite von über 6 Prozent bietet, die sowohl auf Basis der Gewinnprognosen und der absehbaren Ausschüttungspolitik gut abgesichert scheint.

 

BÖRSE EXPRESS: Russische Aktien erscheinen schon einige Jahre als ziemlich günstig. Welche Ursachen haben diese Discountpreise und sehen Sie Katalysatoren, die den Markt zu einer Neubewertung veranlassen?

ALEXANDRE DIMITROV: Man wird abwarten müssen, wie sehr die jüngsten Sanktionen den Geschäften von exportorientierten Unternehmen schaden. Die Gewinnsituation der Rohstoffunternehmen hat sich ja heuer deutlich verbessert und nicht verschlechtert. Da gibt es eher mehr Argumente, Positionen aufzubauen als für Verkäufe an der Börse. Aber Propheten sind wir natürlich keine.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie verfolgen beim Fondsmanagement des ESPA Stock Russia einen aktiven Investmentansatz mit qualitativen und quantitativen Methoden. Welche sind demgemäß die wichtigsten Kriterien zur Aktienauswahl?

ALEXANDRE DIMITROV: Die Investitionsentscheidungen basieren nicht allein auf fundamentaler Analyse der Unternehmen. Nicht nur die Bewertung der einzelnen Aktien, besonders wichtig sind auch die Qualitäten des Managements, die mittel- und langfristige Strategie und die Transparenz der unternommenen Maßnahmen, die zum Erfolg führen sollen. In einem für Investoren schwierigen Umfeld ist es unbedingt notwendig, die gegenwärtigen und zukünftigen Risiken für das Geschäftsmodell zu analysieren. D.h. grundsätzlich werden Unternehmen bevorzugt, die in unterschiedlichen Szenarien erfolgreich und profitabel wirtschaften können. Es gibt genügend positive Beispiele in Russland, u.a. Sberbank oder die Einzelhandelskette X5, oder Lukoil etc etc. Timing und globale Trends spielen dabei auch eine entscheidende Rolle – vor allem selbstverständlich die Rohstoffmärkte und Zinsen. Der Aktienmarkt in Russland ist immer in Bewegung, deshalb müssen auch die Investments ständig evaluiert und wenn notwendig Positionen angepasst werden.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche russische Branchen bzw. Titel haben mittelfristig die besten Zukunftsaussichten?

ALEXANDRE DIMITROV: Im Moment bevorzugen wir exportorientierte Unternehmen mit gesunden Bilanzen, die auch in diesem schwierigen Umfeld ihre Gewinne steigern können. Es handelt sich vor allem um börsennotierte Unternehmen aus dem Energie- und Rohstoffsektor, die vom niedrigen Rubelkurs profitieren und den Investoren eine hohe Dividendenrendite bieten.< Mehr zum Fonds des Monats Im Moment bevorzugen wir exportorientierte Unternehmen mit gesunden Bilanzen, die auch in diesem schwierigen Umfeld ihre Gewinne steigern können. Es handelt sich vor allem um börsennotierte Unternehmen aus dem Energie- und Rohstoffsektor, die vom niedrigen Rubelkurs profitieren und den Investoren eine hohe Dividendenrendite bieten.

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