FRANKFURT (dpa-AFX) - Deutlich fallende US-Börsen haben den
deutschen Aktienmarkt am Mittwoch in Mitleidenschaft gezogen. Trübe
Nachrichten vom US-Einzelhandelssektor sowie negativ interpretierte
Wirtschaftsdaten aus den Vereinigten Staaten ließen den
Aufwärtsschwung nach dem starken Vortag erlahmen.
Der Dax , der mittags noch im Plus notiert hatte, sank
im Schlussgeschäft sogar kurzzeitig unter die viel beachtete Marke
von 14 000 Punkten und verlor letztlich 1,26 Prozent auf 14 007,76
Punkte. Für den MDax der mittelgroßen Unternehmen
ging es um 0,92 Prozent auf 29 101,48 Punkte nach unten.
Auch die anderen europäischen Leitbörsen verbuchten klare Gewinne.
Der EuroStoxx 50 fiel um 1,36 Prozent auf 3690,74
Punkte. Der Cac 40 in Paris und der FTSE 100
in London büßten jeweils mehr als ein Prozent ein.
Der New Yorker Dow Jones Industrial notierte zum
Handelsschluss in Europa 2,4 Prozent im Minus.
Die US-Einzelhändler schockieren derzeit die Anleger mit Kürzungen
ihrer Prognosen. Nachdem die Aktien von Walmart
bereits am Vortag deshalb um mehr als elf Prozent eingebrochen
waren, verloren am Mittwoch die Target-Papiere gar
ein Viertel ihres Börsenwertes nach einem eingetrübten Ausblick des
Discounters. "Wie bereits zuvor schon bei Amazon und Walmart zu
sehen, geraten die Gewinnmargen der Einzelhändler durch die
Inflation und die steigenden Transport- und Lohnkosten gehörig unter
Druck", kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger von CMC Markets.
In den USA gingen die Baubeginne im April zum Vormonat zwar weniger
stark zurück als von Analysten erwartet. Allerdings wurde der
moderate Anstieg im Vormonat in einen deutlichen Rückgang revidiert.
Zudem sank die Zahl der Baugenehmigungen im April noch etwas
deutlicher als prognostiziert. Sie laufen den Baubeginnen zeitlich
voraus und geben einen Hinweis auf die zu erwartende Bautätigkeit.
"Es ist noch nicht an der Zeit, den Gesamtmarkt zu kaufen, und so
kann sich die aktuelle Erholungsphase tatsächlich schnell als
Eintagsfliege erweisen", kommentierte Experte Andreas Lipkow. "Der
Dax befindet sich in einer sehr wichtigen Börsenphase in der es um
Sekt oder Selters für die Marktteilnehmer in den kommenden
Handelstagen geht."
Unternehmensseitig standen am deutschen Aktienmarkt zur Wochenmitte
Übernahmehoffnungen und Geschäftszahlen im Fokus. Dass Siemens
Energy Überlegungen einer Komplettübernahme der
spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa
bestätigte, ließ die Aktien des Energietechnikkonzerns im MDax um
1,3 Prozent steigen. Man erwäge ein Kaufangebot in bar, um die
Tochter im Anschluss potenziell von der Börse zu nehmen, teilte
Siemens Energy mit. Die Siemens-Gamesa-Aktien an der Börse in Madrid
waren zeitweise vom Handel ausgesetzt und gewannen am Ende 12,6
Prozent.
Von der Nachricht profitierten auch andere Papiere aus dem Bereich
Alternativer Energien: Die Anteilscheine des
Siemens-Gamesa-Konkurrenten Nordex gewannen im
Nebenwerte-Index SDax 1,3 Prozent und jene des
Windpark-Betreibers Encavis 3,3 Prozent. Der
Dax-Spitzenreiter RWE verbuchte ein Kursplus von 3,2
Prozent. Dies reichte dem Energiekonzern für das höchste Kursniveau
seit 2011. Fantasie für langfristige Windkraftziele auf hoher See
und ein Milliardenplan der EU für die Unabhängigkeit von russischer
Energie galten als Treiber.
Bei der Commerzbank sorgte das Thema Übernahme
ebenfalls für Rückenwind. Die Aktien gewannen als MDax-Spitzenreiter
3,1 Prozent, nachdem die "Financial Times" berichtet hatte, dass die
italienische Unicredit vor Ausbruch des
Ukraine-Kriegs einen Kauf der Konkurrentin und die Zusammenlegung
mit der deutschen Tochter Hypo Vereinsbank erwogen habe. Einem
Börsianer zufolge ist das Thema zwar aufgeschoben, aber noch nicht
vom Tisch: "Die Fusionsfantasie ist zurück."
Dagegen brachen Dermapharm-Titel nach Zahlen am
SDax-Ende um 13,4 Prozent ein. Experte Alexander Thiel vom
Analysehaus Jefferies attestierte dem Arzneimittelhersteller ein
durchwachsenes erstes Quartal.
Außerhalb der deutschen Aktienindizes büßten Cropenergies-Titel
über 14 Prozent ein, nachdem der Biosprit-Hersteller
seine Jahresbilanz vorgelegt hatte. Die Aktien des im SDax notierten
Wettbewerbers Verbio verloren 8,2 Prozent. Börsianer
verwiesen auf konkretisierte Pläne der Bundesregierung zur
Abschaffung von Biokraftstoffen .
Der Euro kostete zuletzt 1,0488 US-Dollar. Die Europäische
Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,0523
Dollar festgesetzt.
Am deutschen Anleihenmarkt ging es bergab: Der Rentenindex Rex
fiel um 0,44 Prozent auf 135,42 Punkte. Die
Umlaufrendite stieg im Gegenzug von 0,84 Prozent am Vortag auf 0,91
Prozent. Der Bund-Future gewann 0,14 Prozent auf
152,77 Punkte./edh/he
--- Von Eduard Holetic, dpa-AFX ---
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