FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt hat am Donnerstag
nach dem nächsten großen Zinsschritt der Europäischen Zentralbank
(EZB) deutlich zugelegt. Zunächst machte die Erhöhung die Anleger
nervös und ließ den Dax ins Minus drehen. Die
Hoffnung auf eine künftig weniger rigide Geldpolitik trieb den
Leitindex aber letztlich 1,57 Prozent höher auf 14 967,10 Punkte,
womit er zumindest einen Teil seiner deutlichen Vortagesverluste
wieder wettmachen konnte. Die psychologisch wichtige runde Marke von
15 000 Punkten war aber knapp zu hoch. Für den MDax
der mittelgroßen Unternehmen ging es um 0,94 Prozent auf 27 043,77
Punkte nach oben.
Die EZB hatte den Leitzins erneut um 0,5 Prozentpunkte erhöht -
trotz der Unsicherheit im Bankensektor nach dem Kollaps mehrerer
kleinerer US-Banken und Sorgen um die Schweizer Großbank Credit
Suisse . "Das drückt berechtigtes Vertrauen in die
Solidität des europäischen Bankensystems aus", kommentierte Ulrich
Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die EZB habe sich nicht von ihrem
angekündigten Zinskurs abbringen lassen.
Analyst Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen verwies
jedoch darauf, dass die EZB sich in ihrem begleitenden Statement
nicht auf weitere Zinserhöhungen festgelegt habe: "Alles in allem
hat es den Anschein, dass die Währungshüter sich eher in
Zurückhaltung üben könnten und das Zinstempo reduzieren." Laut
Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets rechnen
die Anleger trotz der weiterhin hohen Inflation in Zukunft sogar mit
einer Zinspause.
Oldenburger brachte das Dilemma der Notenbanken auf den Punkt: "Eine
Pause einlegen und riskieren, dass die Inflation wieder steigt oder
die Zinsen anheben und eine sich ausweitende Finanz-Kernschmelze
riskieren." Nach der EZB müsse in der kommenden Woche auch die
US-Notenbank Fed bei ihrer Zinssitzung am 22. März entscheiden,
welcher Weg der bessere sei.
Die Banken standen folglich erneut besonders im Fokus. Ein
milliardenschweres Hilfspaket der Schweizer Notenbank für die
angeschlagene Credit Suisse stützte den gesamten Sektor. Zudem
betonte die EZB, dass die Kapital- und Liquiditätspositionen der
Banken des Euroraums solide seien. Hierzulande reduzierte die
Commerzbank ihre Erholungsgewinne nach dem
EZB-Zinsentscheid auf ein Plus von 0,3 Prozent, die Deutsche Bank
gab sogar 1,3 Prozent nach.
Abseits der Banken trotzte Siemens Energy mit einem
Plus von 5,1 Prozent dem prinzipiell belastenden Effekt einer
milliardenschweren Kapitalerhöhung zur Finanzierung der
Komplettübernahme der Windkrafttochter Siemens Gamesa
und setzte sich an die Dax-Spitze. Der Markt sei auf den Schritt
bereits gut vorbereitet gewesen, hieß es von Börsianern.
Bei Grand City Properties kam dagegen der Verzicht
auf eine Dividende nicht gut bei den Anlegern an. Die Aktien
rutschten als Schlusslicht im Nebenwerte-Index SDax
um 6,8 Prozent auf ein Tief seit Februar 2014. Noch etwas deutlicher
um 10,2 Prozent fielen in diesem Sog die Anteile von Mutterkonzern
Aroundtown im MDax. Am Dax-Ende ging es für Vonovia
um 4,4 Prozent bergab. Europas größter
Wohnungsvermieter kürzte am Abend nach Börsenschluss die Dividende
und legt seine Zahlen am Freitag vor. TAG Immobilien
verloren zudem nach einem vorsichtigen Ausblick 4,5 Prozent.
Der Pharmaforscher Evotec konnte mit der Nachricht
über Fortschritte in seiner Kooperation mit dem US-Konzern Bristol
Myers Squibb (BMS) und einer Millionenzahlung punkten. Die Papiere
legten als Spitzenreiter im Index der mittelgroßen Werte um 6,7
Prozent zu.
Aktien von Morphosys führten dagegen den SDax mit
einem Plus von 7,4 Prozent an. Ein Händler bezeichnete die
Geschäftszahlen für 2022 vom Vorabend als "nicht so schlimm wie
befürchtet". Der Umsatz sei höher als erwartet und der Verlust
geringer als angenommen. Mit dem Barmittelbestand könne das
Unternehmen zudem noch einige Jahre agieren.
Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone schloss
2,03 Prozent höher bei 4116,98 Punkten. Der französische Cac 40
stieg ebenso um gut 2 Prozent, während der britische
FTSE 100 rund 0,9 Prozent zulegte. In New York drehte
der Dow Jones Industrial nach einem schwachen Start
ins Plus und gewann zum europäischen Handelsschluss knapp 1 Prozent,
für den technologielastigen Auswahlindex Nasdaq 100
ging es sogar um mehr als 2 Prozent aufwärts.
Der Euro legte nach seinem jüngsten Kursrutsch wieder
etwas zu und wurde zuletzt mit 1,0622 US-Dollar gehandelt. Die EZB
setzte den Referenzkurs auf 1,0595 (Mittwoch: 1,0549) Dollar fest.
Der Dollar kostete damit 0,9438 (0,9480) Euro.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,34 Prozent am Vortag auf
2,29 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,33
Prozent auf 125,41 Punkte. Der Bund-Future verlor
0,50 Prozent auf 136,28 Zähler./niw/jha/
--- Von Nicklas Wolf, dpa-AFX ---
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