Das neue Coronavirus aus China ist nun auch in Deutschland angekommen. Die bayerischen Gesundheitsbehörden bestätigten am Dienstag einen ersten Fall: Ein 33 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Landsberg am Lech hat sich in seiner Firma in einem Vorort von München infiziert. Er steckte sich, so das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), bei einer Kollegin aus China an, die in der vergangenen Woche zu einer Schulung nach Stockdorf im Landkreis Starnberg gekommen war - aber ihre Infektion erst auf dem Rückflug nach China bemerkte.

Das neuartige Coronavirus 2019-nCoV kann eine Lungenkrankheit auslösen, an der im Hauptverbreitungsland China bereits mehr als 100 Menschen gestorben sind - die meisten davon waren ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen. Die Gesamtzahl der weltweit bekannten Erkrankungen ist inzwischen auf mehr als 4500 gestiegen, in China starben mindestens 106 Menschen an der Lungenkrankheit.

Der Mitarbeiter des Unternehmens Webasto aus Bayern war am Montag positiv auf das Virus getestet worden - da war er schon wieder zur Arbeit gegangen. "Es geht ihm recht gut, gestern Vormittag hat er noch gearbeitet", sagte LGL-Präsident Andreas Zapf am Dienstag. "Er ist fieberfrei, hat auch derzeit keine Atemwegssymptomatik mehr", fügte der behandelnde Chefarzt Clemens Wendtner vom Klinikum Schwabing hinzu. Der Mann befinde sich dort in einem Isolierzimmer, für andere Patienten bestehe keinerlei Gefahr.

Weitere Verdachtsfälle waren den Behörden am Dienstag zunächst nicht bekannt, aber 40 Menschen, die mit der chinesischen und dem deutschen Webasto-Mitarbeiter Kontakt hatten, stehen nach LGL-Angaben unter Beobachtung und sind aufgerufen, ihr Zuhause nicht zu verlassen. Der 33-jährige Patient ist Familienvater, sein Kind geht nach Angaben des Gesundheitsministeriums in eine Krippe im Landkreis Landsberg am Lech. Auch diese stehe nun unter Beobachtung, sagte LGL-Präsident Zapf. Der Leiter der Taskforce Infektiologie, Martin Hoch, betonte: "Die Zahl kann noch steigen."

Das neue Virus 2019-nCoV stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die neuartige Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, möglicherweise sogar ohne Symptome.

Übertragungen vor den ersten Symptomen gelten als sehr selten. So liefert der erste bestätigte Coronavirus-Fall in Deutschland womöglich auch neue Erkenntnisse über die Ansteckungswege der Lungenkrankheit. Denn der Mann habe sich nach ersten Erkenntnissen bei der Chinesin angesteckt, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch keine Symptome der Krankheit zeigte. "Das ist neu, dass wir das so wissen", sagte Taskforce-Leiter Hoch. Besonders an dem Fall in Bayern ist auch, dass es einer von bisher erst drei bekannten Nachweisen weltweit ist, bei denen die Ansteckung außerhalb Chinas geschah.

Die Behörden wollen nun nach und nach weitere Maßnahmen in Bayern einleiten. Eine offizielle Hotline der bayerischen Behörden sollte geschaltet werden, einige Krankenkassen haben das schon getan. Am Münchner Flughafen werden die Passagiere nach Angaben des Landesamtes mit Plakaten in drei Sprachen aufgefordert, bei Verdacht einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus einen Arzt aufzusuchen. Weitere Eskalationsstufen des Alarmplans sind möglich: Derzeit werde gemeinsam mit dem Bund beraten, "ob es sinnvoll sein kann, an Flughäfen Fieber zu messen", sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Die weltgrößte Spielwarenmesse in Nürnberg erwartet angesichts des Coronavirus-Ausbruchs in diesem Jahr weniger Besucher aus China.

Einen Grund zur Panik gebe es trotz allem nicht, betonte Huml - ebenso wie ihr Amtskollege, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Fall zeige, "dass wir gut vorbereitet sind", sagte er am Morgen. Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland bleibe auch nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts weiterhin gering.

Trotzdem waren Atemschutzmasken in einzelnen Apotheken in Bayern bereits ausverkauft. Er habe dies von Betrieben in Unterfranken und München gehört, sagte ein Sprecher des bayerischen Apothekerverbandes der Deutschen Presse-Agentur.

Das Management von Webasto hat den Mitarbeitern in der Stockdorfer Zentrale für diese Woche freigestellt, ob sie ins Büro kommen wollen, oder lieber zuhause arbeiten. Webasto ist ein großer Zulieferer für die Automobilindustrie mit 13 400 Mitarbeitern und einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro. Schon zuvor hatte das Unternehmen sämtliche Dienstreisen nach China für die nächsten zwei Wochen abgesagt. Auch BMW, Audi und Siemens erklärten, dass nur noch zwingend notwendige Dienstreisen nach China angetreten werden./bsj/eri/kll/DP/fba

AXC0206 2020-01-28/14:33

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