Ein sich verschärfender Konflikt im Golf von Oman könnte der Weltwirtschaft nach Ansicht von Ökonomen einen weiteren Dämpfer verpassen und auch deutsche Exporteure belasten. Nach den mutmaßlichen Angriffen auf zwei Tankschiffe nahe der ölreichen Region waren die Ölpreise zwar zunächst gestiegen. Das deutliche Plus war aber nur von kurzer Dauer. Am Freitag gaben sie einen Teil der deutlichen Gewinne wieder ab. Die Auswirkungen auf Benzinpreise waren zunächst unklar. Der Außenhandelsverband BGA warnte vor einer Eskalation und steigenden Ölpreisen, was erheblich auf die globale und deutsche Wirtschaft durchschlagen würde.

Die Umstände der schweren Zwischenfälle blieben zunächst mysteriös. Was sich auch an den Märkten widerspiegelte: Die Ölpreise knüpften am Freitagmorgen noch an den Höhenflug vom Vortag an, drehten im weiteren Handel aber in die Verlustzone. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete mittags 61,14 US-Dollar - 17 Cent weniger als am Donnerstag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate fiel um 23 Cent auf 52,05 Dollar.

"Am Ölmarkt machte sich als Reflex sogleich Sorge um Lieferunterbrechungen breit, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preise", kommentierten Experten des Bankhauses Metzler. Nach Einschätzung des Rohstoffexperten Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg bleiben die Auswirkungen einzelner Attacken auf Öltanker in der strategischen wichtigen Region begrenzt.

Steigende Ölpreise könnten für Autofahrer zu höheren Kraftstoffpreisen führen. Zwar hängt der Benzinpreis an der Tankstelle nach Angaben der Mineralölwirtschaft nicht direkt am Ölpreis. Wenn der Ölpreis aber zulegt, steige "über kurz oder lang meistens" auch der Produktpreis für Benzin und Diesel. "Und das kommt dann auch an der Tankstelle an", sagte der Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes, Alexander von Gersdorff, der dpa.

"Entscheidend für den Benzinpreis an der Tankstelle ist allein der Einkaufspreis für Benzin im Großhandel - also ab Raffinerie", betonte er. "Und der kann mit den Bewegungen des Öls übereinstimmen, muss es aber nicht." Der Ölpreis bilde die Basis für den späteren Produktpreis. Der Verbandssprecher verwies darauf, dass zurzeit die Ölpreise deutlich niedrigerer seien als vor einem Monat.

Die betroffene Meerenge ist eine der wichtigsten Seestraßen der Welt. Über die Straße von Hormus läuft ein großer Teil des weltweiten Öltransports per Schiff. Es sei kaum möglich, die Straße von Hormus als eine Schlagader der Weltwirtschaft dauerhaft zu umgehen, erklärte der Außenhandelsverband BGA.

Deutschland beziehe aus der Region vor allem Öl. "Ein Anstieg des Ölpreises ist Gift für die ohnehin angeschlagene Weltwirtschaft", kommentierte BGA-Präsident Holger Bingmann die Entwicklung. Geliefert werden dorthin aus deutscher Produktion Maschinen und Anlagen, aber auch Fahrzeuge und Fahrzeugteile.

"Eine weitere Eskalation muss verhindert werden", warnte Bingmann. "Wir wollen die ohnehin bestehende Unsicherheit nicht noch weiter schüren, indem wir über mögliche Folgen spekulieren. Natürlich drohen bei einer weiteren Eskalation erhebliche Beeinträchtigungen für die Weltwirtschaft, deren Umfang heute nicht abzuschätzen ist, aber deren Folgen alle träfen."

ING -Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski bekräftigte: "Auch wenn die Region auf dem Papier relativ unbedeutend für die deutsche Wirtschaft ist, so wäre ein neuer Brandherd - der auch deutliche Folgen für die weltweiten Finanzmärkte hätte - natürlich Gift für die deutsche Konjunktur." Jede weitere Verunsicherung koste Wachstum.

Zu möglichen Auswirkungen auf die internationale Luftfahrt und den Tourismus in der Krisenregion halten sich Experten bedeckt. Die Lufthansa wollte sich am Freitag zu möglichen Szenarien nicht äußern, weil es dafür noch viel zu früh sei, wie ein Sprecher in Frankfurt betonte.

Sollte es zu kleineren, partiellen Luftraumsperrungen kommen, müssen diese umflogen werden, sagte der Luftfahrtexperte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne: "Das könnte dann vor allem im Asienverkehr zu Verspätungen führen."

Wissel hält es zum gegenwärtigen Zeitpunkt für sehr unwahrscheinlich, dass die großen Drehkreuze der arabischen Fluggesellschaften in Katar oder Dubai geschlossen werden. Die dortigen Airlines könnten ihre Drehkreuze aufrecht halten, würden aber möglicherweise Fluggäste verlieren, die dann eher europäische Drehkreuze nutzen würden. Bei einer größeren Krise sei es denkbar, dass die westlichen Gesellschaften die Ziele am arabischen Golf nicht mehr anfliegen.

Dem Deutschen Reiseverband zufolge merkt die Tourismusindustrie derzeit noch keine Auswirkungen. In der Region sei es derzeit extrem heiß, so dass die Hauptreisesaison in die Golfstaaten erst im Winter beginne. "Wir - die Reisewirtschaft und damit die Reiseveranstalter und Fluggesellschaften - beobachten die Lage aufmerksam", sagte ein Sprecher. Ähnlich der Kreuzfahrtenverband Clia: Im vergangenen Jahr hätten rund 107 000 Menschen in die Region Afrika/Mittlerer Osten eine Kreuzfahrt angetreten - von insgesamt 1,2 Millionen./sl/ben/cb/bec/maa/DP/jha

 ISIN  DE0008232125  NL0011821202

AXC0193 2019-06-14/15:55

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