FRANKFURT (dpa-AFX) - Europas Banken haben den bisher härtesten Krisentest der Aufseher überwiegend ohne größere Blessuren überstanden - Kritik an den Tests selbst jedoch bleibt bestehen. "Stresstests sind ein problematisches Instrumentarium, weil es hypothetische Szenarien sind, bei denen nie so ganz klar ist, warum jenes und nicht ein anderes Szenario gewählt wird", sagte etwa Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim.

Die europäische Bankenaufsicht EBA hatte 50 Institute aus 15 Ländern auf Basis ihrer Bilanz des Corona-Krisenjahres 2020 durchrechnen lassen, wie stark Kapitalpuffer bis Ende 2023 schrumpfen würden, sollten sich Pandemie und Wirtschaftsflaute zuspitzen. Zusätzlich wurde ein ganzes Bündel ungünstiger Entwicklungen angenommen: steigende Arbeitslosenquote, Einbruch der Immobilienpreise, stark sinkende Auslandsnachfrage, weiter fallende Marktzinsen. Parallel nahm die Europäische Zentralbank (EZB) weitere 51 Banken aus dem Euroraum unter die Lupe, die sie direkt beaufsichtigt.

Den am Freitagabend vorgestellten Ergebnissen zufolge würde der EU-Bankensektor nach EBA-Berechnungen in Summe 265 Milliarden Euro an Kapital einbüßen. Die harte Kernkapitalquote als Puffer für Rückschläge würde von 15,0 Prozent Ende 2020 auf 10,2 Prozent Ende 2023 sinken.

Die sieben deutschen Banken im EBA-Test schnitten insgesamt vergleichsweise schlecht ab und landeten im Vergleich der 15 Länder auf Platz 13 - mit einer Kernkapitalquote von durchschnittlich 8,78 Prozent knapp vor Italien (8,60 Prozent) und Schlusslicht Irland (8,44 Prozent). Den besten Wert erzielte Norwegen (17,08 Prozent), wobei aus dem Nicht-EU-Staat nur eine Bank von der EBA getestet wurde. Unter den EU-Staaten führen die schwedischen Banken mit einer durchschnittlichen Kernkapitalquote von 16,12 Prozent die Liste an.

Insgesamt waren 16 deutsche Institute in den parallelen Tests von EBA und EZB dabei. Am härtesten traf das EBA-Stressszenario die Deutsche Bank, deren Kapitalpuffer auf 7,4 Prozent zusammenschmolz. Die Commerzbank kam auf 8,2 Prozent. Bestes deutsches Institut im EBA-Test war die Volkswagen Bank, die auch im schärfsten Stressszenario noch 15,48 Kernkapitalquote aufwies. Die DZ Bank landete mit 10,21 Prozent genau im europäischen Durchschnitt. Außerdem untersuchte die EBA die drei Landesbanken BayernLB, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

"Wegen der hohen Exporte der deutschen Volkswirtschaft und der starken Abhängigkeit deutscher Banken vom Zinsgeschäft ist der Kapitalverzehr bei den deutschen Banken leicht höher als im EU-Durchschnitt", erklärte Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. "Das ist kein Grund zur Beunruhigung und auch keine Schwäche, sondern spiegelt nur die höhere Verwundbarkeit der deutschen Volkswirtschaft in einer weltweiten Rezession wider."

Durchfallen konnten Banken bei den parallelen Stresstests der EBA (Paris) und der EZB (Frankfurt) im Grunde nicht. Allerdings wurde bei der schon länger kriselnden italienischen Monte dei Paschi in der simulierten Krise der komplette Kapitalpuffer aufgezehrt.

Insgesamt bescheinigten Europas Bankenaufseher den Instituten Solidität. "Die Resultate zeigen, dass das Bankensystem im Euroraum widerstandsfähig gegenüber ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklungen ist", fasste die EZB-Bankenaufsicht zusammen. Banken, die im hypothetischen Krisenszenario schlechter abgeschnitten haben, müssen allerdings damit rechnen, dass ihnen die Aufseher auftragen, ihre Kapitalpuffer zu verstärken, um sich besser für mögliche Rückschläge zu wappnen. Auf die Bremse treten könnten die Aufseher bei solchen Häusern bei der Ausschüttung von Dividenden.

Eigentlich sollte die neue Auflage des europäischen Bankenstresstests schon 2020 durchgeführt werden. Doch um den Instituten mitten in der Pandemie nicht noch weitere Aufgaben aufzubürden, verschob die EBA die Prüfung um ein Jahr. Seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 überprüfen Aufseher rund um den Globus mit solchen Stresstests regelmäßig, wie anfällig Banken im Krisenfall wären.

Unumstritten sind solche Tests und die Ableitungen daraus nicht, denn welche Risiken in den hypothetischen Szenarien wie stark gewichtet werden, liegt letztlich in der Hand der Aufseher. "Im besten Fall ist das Willkür, man kann aber auch politische Absicht dahinter vermuten", sagte Experte Burghof. "Je nach Auswahl der Kriterien können die Aufseher einzelne Banken bewusst in schlechtes Licht stellen und andere besser aussehen lassen."

Auch der Volkswirt Stefan Best, langjähriger Bankenexperte der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P), der inzwischen an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden unterrichtet, meint, man sollte solche Stresstests nicht überbewerten. "Ich halte sie nicht für glaubwürdig, weil sie von zwei Institutionen durchgeführt werden, die letztlich politisch nicht unabhängig sind." Mit solchen Tests wollten Aufseher vor allem die Öffentlichkeit beruhigen, ist Best überzeugt./ben/stw/red/DP/he

 ISIN  FR0000131104  DE000CBK1001  DE0005140008  IT0005239360  IT0005218752

AXC0018 2021-08-01/16:47

Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.