OLDENBURG (dpa-AFX) - Nach der überraschenden Abberufung von Cewe -Chef Christian Friege hat das einflussreiche Stiftungskuratorium des Fotodienstleisters den scheidenden Vorstandsvorsitzenden deutlich kritisiert. Es warf ihm Versäumnisse bei der Frauenförderung vor. Damit ist das Unternehmen bereits das zweite in jüngster Vergangenheit, das Konsequenzen aus Meinungsverschiedenheiten zu dem Thema zieht. Die Cewe-Aktie reagierte am Montagvormittag kaum auf die Nachrichten.

Trotz der "durchaus akzeptablen bis guten Arbeit Frieges" hätten sich beim Kuratorium "seit längerer Zeit Bedenken gegen Frieges Leistungen und gegen sein Verhalten herausgebildet", teilte das Kuratorium der Neumüller Cewe Color Stiftung am Freitag in Oldenburg mit. Zwei Drittel der Kuratoriumsmitglieder seien überzeugt, dass Friege nicht mehr das nötige uneingeschränkte Vertrauen für eine Vertragsverlängerung habe - aus persönlichen wie aus inhaltlichen Gründen.

Seit August 2021 müssen große Unternehmen nach dem sogenannten Zweiten Führungspositionen-Gesetz neue Regeln zur Besetzung von Spitzenpositionen befolgen. Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen müssen demnach bei Nachbesetzungen in der Top-Management-Etage sicherstellen, dass mindestens eine Frau im Vorstand vertreten ist.

Die börsennotierte Cewe Stiftung & Co KGaA erklärte daraufhin am Sonntag, dass das Unternehmen "für eine nachhaltige Werteorientierung und Diversität steht". Zwischen 2017 und 2021 sei die Anzahl der Frauen in Führungspositionen um mehr als 50 Prozent von 95 auf 146 gestiegen. Auf der Geschäftsführungsebene sei die Hälfte der neu zu besetzenden Positionen mit Frauen besetzt worden. Insgesamt beträgt der Anteil der Frauen im Unternehmen Unternehmensangaben zufolge 48,5 Prozent per Ende Dezember. Die Förderung von Frauen in Führungspositionen spiegele sich in der Diversität bei der Stellenbesetzung wider.

Das Kuratorium mit seinem Vorsitzenden Rolf Hollander hatte dagegen am Freitag kritisiert, Friege habe die Notwendigkeit der Förderung der Diversität im Unternehmen sowie den Prozess der Berufung einer Frau als Vorständin Personal und Organisationsentwicklung durch das Kuratorium nicht forciert, sondern stark behindert. Auch habe er eine von Cewe-Mitarbeiterinnen getriebene Initiative der Frauenförderung innerhalb des Unternehmens nicht unterstützt. Dass Friege "das gesellschaftlich und cewe-intern bedeutende Thema Frauen im Vorstand und weiteren leitenden Funktionen nicht erkannt und implementiert" habe, sei nach Überzeugung Hollanders ein unentschuldbares Versäumnis.

Hollander hatte am 17. März mitgeteilt, der Vertrag mit Friege werde wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Unternehmensführung nicht über den 31. Dezember 2022 hinaus verlängert. Als persönlich haftende Gesellschafterin führt die Neumüller Cewe Color Stiftung die Geschäfte der börsennotierten Cewe Stiftung & Co KGaA. In der komplizierten Führungsstruktur der Cewe Stiftung & Co KGaA sind Vorstandspersonalien Sache des Stiftungskuratoriums. Die Entscheidung zur Trennung von Friege fiel nicht einstimmig. Sie habe "intern und extern zu einer Reihe von Fragen geführt", hieß es in der aktuellen Mitteilung des Kuratoriums.

Einen ähnlichen Fall gab es Mitte Februar beim Motorenhersteller Deutz aus Köln. Der Vorstandsvorsitzende Frank Hiller wurde vom Aufsichtsrat einstimmig aus dem Vorstand abberufen und schied mit sofortiger Wirkung aus. Bei Deutz war die Chefetage von vier Männern und keiner Frau besetzt./sl/ngu/mne/eas

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AXC0130 2022-04-04/10:04

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