Inmitten der aufgeheizten Stimmung auf dem Mietmarkt in Deutschland will Berlin als erstes Bundesland einen fünfjährigen Mieterhöhungsstopp einführen. Das soll helfen, bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Der rot-rot-grüne Senat einigte sich am Dienstag auf Eckpunkte als Vorstufe für einen Gesetzentwurf. Das Gesetz soll - so der Plan - spätestens im Januar 2020 in Kraft treten. Kritiker laufen dagegen Sturm, es wird mit Klagen gerechnet. An der Börse verloren deutsche Wohnimmobilien-Aktien an Wert.

Hintergrund der Pläne ist der angespannte Wohnungsmarkt in Berlin mit seinen etwa 3,6 Millionen Einwohnern. Die Mieten sind gestiegen, viele Menschen zieht es aus anderen Regionen in die Hauptstadt und viele finden keine bezahlbare Wohnung in beliebten Stadtteilen - so ist die Lage in mehreren Großstädten Deutschlands.

Der geplante Mietendeckel beinhaltet diese Kernpunkte: Die Mieten von nicht preisgebundenen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern sollen fünf Jahre lang nicht steigen. Laut Mieterverein wären bis zu 1,6 Millionen Wohnungen betroffen. Bei Wiedervermietung soll höchstens die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis verlangt werden können. Überhöhte Mieten können auf Antrag sogar gesenkt werden - das Ganze soll sich an einer Mietobergrenze orientieren. Der Neubau ist von den Regelungen ausgeschlossen - das soll helfen, den Bau anzukurbeln.

Die nächsten Schritte: Es wird zunächst ein Gesetzentwurf in der Senatsverwaltung für Wohnen erarbeitet. Dann braucht es zu dem Entwurf erneut einen Senatsbeschluss, den könnte es Mitte Oktober geben. Danach wird der Entwurf in das Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht und durchläuft Lesungen und Ausschussberatungen. Am Ende wird über das Mietengesetz abgestimmt.

Das Gesetz soll spätestens im Januar 2020 in Kraft treten, wie Senatorin Katrin Lompscher (Linke) nach der Senatssitzung sagte. Da man juristisches Neuland betrete, müsse man davon ausgehen, dass das Vorgehen rechtlich angegriffen werde.

Lompscher sprach zugleich von einem Beispiel für andere Bundesländer. Unlängst brachten Politiker der Linken und SPD bereits einen bundesweiten Mietendeckel ins Spiel. Bislang gibt es laut Deutschem Mieterbund noch kein Bundesland mit einem Mietenstopp - Berlin wäre das erste. In Bayern will der Mieterverein München ein entsprechendes Volksbegehren starten. Bayerns Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich (CSU), dämpfte am Dienstag Erwartungen. "Ein Landesgesetz, das die Mieten für Wohnungen auf dem freien Markt für fünf Jahre deckelt, ist verfassungswidrig - in Berlin genauso wie in Bayern. Denn die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund und nicht bei den Ländern."

Die Mietendeckel-Pläne in Berlin hatten große Proteste in der Wohnungswirtschaft ausgelöst. Es gibt Zweifel, ob der Mietenstopp rechtssicher wäre und es wird moniert, dass er Investoren abschrecke. Das Konzept schere Eigentümer zudem über einen Kamm. Zudem befürchten manche Kritiker, dass kleinere Vermieter in wirtschaftliche Nöte kommen könnten. Harsche Kritik kam auch von anderen Parteien.

Laut Berliner Mieterverein gab es bereits Auswirkungen auf den Mietendeckel-Plan in Berlin. Und zwar negative: In den Tagen vor der Senatssitzung verzeichnete er eine starke Zunahme von Mieterhöhungen in der Hauptstadt. Es werde vermutet, dass Vermieter noch die Gelegenheit nutzen wollten, bevor ein Mietendeckel in der Hauptstadt eingeführt werden könnte. Der stellvertretende Geschäftsführer Sebastian Bartels sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gibt einen Run auf unsere Beratungsstellen." Mieter riefen deutlich häufiger an als gewöhnlich. Am Montag seien besonders viele Anfragen für Beratungstermine eingegangen.

Der Berliner Eigentümer-Landesverband Haus und Grund hatte Vermieter dazu aufgerufen, die Mieten vor der Entscheidung des Senats zu erhöhen. Kommt alles so wie im Eckpunktepapier skizziert, dann würden die Regelungen des Landesgesetzes grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, an dem die Eckpunkte beschlossen wurden, greifen.

Am Dienstag gab es auch Reaktionen an der Börse: Die deutschen Wohnimmobilien-Aktien büßten ihre deutlichen Verlaufsgewinne bis zum Nachmittag nahezu komplett ein.

In Berlin wird neben einem Mietendeckel auch die Enteignung großer Wohnungskonzerne diskutiert. Die Bürgerinitiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" übergab vor Tagen 77 000 Unterschriften an die Senatsverwaltung, um ein Volksbegehren offiziell einzuleiten. Das Bündnis hat es vor allem auf ein Unternehmen abgesehen: Den börsennotierten Konzern Deutsche Wohnen. Er besitzt bundesweit 160 000 Wohnungen, darunter 112 000 in Berlin, und ist immer wieder wegen seines Umgangs mit Mietern in den Negativschlagzeilen.

Der Immobilienkonzern wehrte sich am Dienstag gegen Enteignungsforderungen. Vorstandschef Michael Zahn sagte bei der Hauptversammlung in Frankfurt am Main, die Debatte um die Vergesellschaftung werde nicht von der Breite der Gesellschaft getragen. Das Unternehmen vermiete auch keine Luxuswohnungen. "Wir fokussieren uns auf die mittlere Schicht, wir bieten Wohnungen in mittlerer Qualität an, die bezahlbar sind."

Die Deutsche Wohnen sei aber kein kommunales Unternehmen, sagte Zahn. "Wir müssen Gewinne realisieren." Er habe Verständnis für Sorgen von Menschen, die sich Marktmieten nicht leisten könnten. Die Debatte dürfe aber nicht auf diese Haushalte verengt werden. Auch Menschen mit höheren Einkommen fänden nur schwer Wohnungen in Berlin.

Deutsche Wohnen werde nächstes Jahr mit dem Bau von 2500 Mietwohnungen in Berlin, Potsdam und Dresden beginnen. Das sei nur ein Anfang. Wichtig seien stabile Bedingungen der Politik für Investitionen, dort herrsche aber viel Populismus. Deutsche-Wohnen-Finanzchef Philip Grosse wies die Forderung nach Enteignung als "mediales Getöse" zurück. "In dieser Form wird sie ohnehin nicht kommen", sagte er.

Vor der Hauptversammlung in Frankfurt protestierten Demonstranten gegen die Geschäfte von Deutsche Wohnen. Aktivisten in Gespensterkostümen hielten Plakate mit Slogans wie "Wir sind die Geister, die ihr rieft" und skandierten "Keine Rendite mit der Miete" und "Deutsche Wohnen enteignen". Die Linke hatte vor dem Kongresszentrum eine aufblasbare Miethai-Figur aufgestellt./rin/DP/tav

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AXC0267 2019-06-18/17:12

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