Die Verhandlungen über das milliardenschwere Konjunkturprogramm in der Corona-Krise sind für die Spitzen der schwarz-roten Koalition zur Geduldsprobe geworden. Auch am zweiten Tag rangen Union und SPD im Kanzleramt stundenlang um entscheidende Knackpunkte wie Kaufprämien für Autos und Zuschüsse für Familien. Am späten Nachmittag zeichnete sich noch kein Durchbruch ab. Teilnehmer rechneten damit, dass die Gespräche sich erneut bis in die Nacht ziehen könnten, und berichteten von längeren Pausen, in denen Union und SPD getrennt voneinander berieten.

Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise sollen nun Konjunkturhilfen die Wirtschaft wieder ankurbeln. Es gehe vor allem um Investitionen und darum, die Kaufkraft vor allem von Familien zu erhöhen, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Am Verhandlungstisch saßen neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) die Partei- und Fraktionschefs der Koalitionspartner. Weil die Vorstellungen noch weit auseinander lagen, hatten sie in der Nacht zum Mittwoch ihre Gespräche nach rund neun Stunden zunächst unterbrochen. Ziel war eine Einigung am Mittwoch.

Über Details der Verhandlungen hatten Union und SPD Stillschweigen vereinbart. 60 bis 70 Vorschläge lagen zu Beginn auf dem Tisch - entschieden werden sollte dann aber über ein Gesamtpaket. Klar war, dass nicht alle Wünsche finanzierbar sein würden, zumal die Steuereinnahmen wegen der Corona-Krise sinken. CSU-Chef Markus Söder will, dass der Bund maximal 100 Milliarden Euro weitere Schulden aufnehmen darf, davon hält die SPD aber nichts. Dem Vernehmen nach könnte schließlich trotzdem ein Paket mit einem Volumen zwischen 80 und 100 Milliarden Euro herauskommen.

Zu den Knackpunkten gehörte etwa, ob es eine Kaufprämie für neue Autos geben soll und ob damit auch Diesel und Benziner gefördert werden oder nur alternative Antriebe. Dabei verlaufen die Fronten auch quer durch die Parteien. Die Autobranche verlangt eine Prämie aus Steuergeldern auch für Verbrenner, ebenso die Länder Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg, wo die wichtigen Hersteller BMW , VW und Daimler ihren Sitz haben. Damit hat etwa Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil eine andere Position als seine Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Die Nachfrage nach Autos ist in der Corona-Krise eingebrochen. Die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer mahnte im Bayerischen Rundfunk, die sogenannte Abwrackprämie in der Finanzkrise 2009 sei teuer und ineffektiv gewesen. Prämien auch für Diesel und Benziner würden aus Sicht der Wirtschaftswissenschaftlerin den Strukturwandel verhindern, den die Automobilindustrie leisten müsse - so sieht es auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Umstritten waren auch Hilfen für Kommunen. Bundesfinanzminister Scholz will eine Übernahme kommunaler Altschulden durch den Bund, die Union setzt stattdessen darauf, dass der Bund etwa mehr Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern übernimmt und auf seinen Anteil an den Gewerbesteuern verzichtet. Der Städte- und Gemeindebund warnte vor Einschnitten: "Wenn uns nicht geholfen wird, gibt es Haushaltssperren", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Dann werden die Kommunen Investitionen aufschieben oder gar nicht mehr anschieben." Sie könnten sogar gezwungen sein, die Grundsteuern zu erhöhen.

Streit gab es auch über den vor allem von der SPD geforderten Familienbonus, eine Einmalzahlung von 300 Euro pro Kind. Als denkbar galt ein solcher Bonus etwa im Paket mit der von der CSU gewünschten Verdopplung des Steuer-Freibetrags für Alleinerziehende. Auf der langen Liste der Verhandlungspunkte stand zudem die Frage, ob die geplante Teilabschaffung des Solidaritätsbeitrags um ein halbes Jahr vorgezogen wird und schon im Sommer kommt. Die Union möchte den Soli zudem für alle abschaffen.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter mahnte in der n-tv-Sendung "Frühstart", es dürfe "nichts Zusammengestückeltes" herauskommen. Er fürchte aber, dass es so komme: "So nach dem Motto: Die CDU kriegt ein Häppchen, die CSU kriegt ein Häppchen und auch für die SPD ist ein bisschen was dabei."

Zu einem Konjunkturprogramm könnten auch Entlastungen beim Strompreis zählen sowie weitere Hilfen etwa für Schausteller, Solo-Selbstständige oder Künstler und steuerliche Entlastungen für Firmen. Außerdem will die Bundesregierung stärker auf die Eigenproduktion von medizinischen Gütern und Medikamenten setzen und eine Notfallreserve anlegen. Weiter ging es um mehr Investitionen in Forschung, Digitalisierung, Klimaschutz und die Energiewende./bk/had/tam/hoe/rm/ted/DP/mis

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