Ungeachtet des heftigen Widerstands im Netz und auf der Straße hat das Europaparlament der Reform des Urheberrechts ohne Änderungen zugestimmt. Die Abgeordneten bestätigten am Dienstag in Straßburg unter anderem die besonders umstrittenen Artikel 11 und 13. Der eine sieht ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vor, der andere nimmt Plattformen wie YouTube beim Schutz von Urheberrechten stärker in die Pflicht. Kritiker sprachen nach der Abstimmung von einem schlechten Tag für die Freiheit des Internets, Befürworter hingegen von einem positiven Signal an die Kultur- und Kreativwirtschaft.

Jetzt liegt die Aufmerksamkeit auf der Bundesregierung, denn die EU-Staaten müssen dem vom Parlament gebilligten Kompromiss noch einmal zustimmen. Dies hatten sie - auch mit einem deutschen Ja - im Februar schon einmal getan. Als möglicher Termin für das neue Votum gilt der 9. April. Die Gegner erhoffen sich, dass die Bundesregierung die Zustimmung dann verweigert. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. Falls die EU-Staaten erneut zustimmen, hätten sie rund zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.

Die Copyright-Reform soll das veraltete Urheberrecht in der EU ans digitale Zeitalter anpassen und Urhebern für ihre Inhalte im Netz eine bessere Vergütung sichern. Mitte Februar hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Darüber stimmte das Parlament nun ab. 348 Abgeordnete waren dafür, 274 dagegen. Es gab 36 Enthaltungen.

Der Protest gegen das Vorhaben und insbesondere gegen Artikel 13, der im finalen Gesetz Artikel 17 heißen wird, war zuletzt vor allem in Deutschland immer größer geworden. Am Wochenende gingen Zehntausende in mehreren deutschen Städten dagegen auf die Straße.

Sie wenden vor allem ein, dass Plattformen wie YouTube nach Artikel 13 künftig schon beim Hochladen überprüfen sollen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Das ist ihrer Meinung nach nur über sogenannte Upload-Filter möglich, bei denen die Gefahr bestehe, dass viel mehr als nötig aussortiert werde. Dies käme einer Zensur gleich. Aus Sicht der Befürworter geht es hingegen darum, Plattformen, die wissentlich mit fremden Inhalten Geld verdienen, zu einer fairen Lizenzierung zu zwingen.

Auch umstritten war der nun ebenfalls gebilligte Artikel 11, der ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorsieht. Danach müssen Nachrichten-Suchmaschinen wie Google News für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten künftig Geld an die Verlage zahlen. Hier sehen Kritiker insbesondere für kleine Verlage Nachteile, die gegenüber Google eine schwache Verhandlungsposition hätten. Zudem verweisen sie auf Deutschland, wo es ein Leistungsschutzrecht schon seit 2013 gibt, es aber nicht zu nennenswerten Geldzahlungen an die Verlage führt.

Änderungen an der Reform nahmen die Abgeordneten am Dienstag allerdings nicht mehr vor. Kurz vor dem finalen Votum lehnten sie es mit einer Mehrheit von fünf Stimmen ab, Änderungsanträge zuzulassen. Andernfalls hätten einzelne Teile der Reform noch gestrichen werden können.

Der CDU-Europaparlamentarier Axel Voss, der das Vorhaben federführend mit den EU-Staaten verhandelt hatte, wertete das Ergebnis als "Sieg für die Demokratie". "Mit der Reform schaffen wir erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen", sagte er. Auch die großen deutschen Verlegerverbände begrüßten das Ergebnis. "Die Zustimmung zur Reform ist ein "Ja" zur digitalen Zukunft von Kultur und Medien und zu einer lebendigen und vielfältigen Kreativlandschaft in Europa", teilten der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger mit.

Vielfach wurde allerdings auch Bedauern geäußert. Die schärfste Kritikerin des Vorhabens, Piraten-Politikerin Julia Reda, sprach von einem schwarzen Tag für die Netzfreiheit. "Die Einigung über die Reform des Urheberrechts gefährdet das freie Internet, wie wir es kennen." Die Chance auf ein modernes Urheberrecht sei vertan worden, sagte sie. Die Reform werde Upload-Filter nach sich ziehen, so dass legale Inhalte künftig häufiger blockiert würden. Auf Twitter wurde am Dienstag zu Spontan-Demos in mehreren deutschen Städten aufgerufen.

Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley zeigte sich enttäuscht. "Ich bedaure sehr, dass das Europäische Parlament sich heute nicht gegen Upload-Filter positioniert hat", sagte die SPD-Politikerin. Barley hatte dem Vorhaben auf EU-Ebene als federführende Ministerin zugestimmt, obwohl sie selbst Artikel 13 ablehnt. Zur Begründung argumentierte sie mit der Kabinettsdisziplin.

Mit Blick auf die nächste Abstimmung unter den EU-Staaten sagte eine Sprecherin des Justizministeriums, dass die Bundesministerien sich noch einmal untereinander abstimmen müssten. Mit einer Ablehnung der Bundesregierung rechnet Barley aber offensichtlich nicht. Sie beschäftigte sich am Dienstag schon mit der Umsetzung der Reform. Es gehe darum, dass Künstler "tatsächlich davon profitieren und Meinungsfreiheit und Vielfalt im Netz erhalten bleiben". Auch die CDU-Spitze sprach bereits von der Umsetzung. Upload-Filter müssten vermieden werden, twitterte Generalsekretär Paul Ziemiak.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte, die Europaparlamentarier hätten mehrheitlich gegen die Interessen von Internetnutzern gestimmt. "Filter wissen nicht, was Parodien sind oder ob ein Inhalt zitiert wurde", sagte Vorstand Klaus Müller. Damit würde die Reform viele legale Inhalte bedrohen.

Selbst Whistleblower Edward Snowden meldete sich zu Wort. "Vergiss nie, was sie hier gemacht haben", twitterte der Amerikaner auf Deutsch. Besonders rügte er die Unionsabgeordneten im Parlament. Snowden, der 2013 die ausufernde Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA öffentlich gemacht hatte, lebt nach wie vor im russischen Exil./wim/DP/stw

 ISIN  DE0005501357  US02079K3059  US0231351067  US30303M1027

AXC0288 2019-03-26/17:50

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