ROUNDUP 2: Bayer will Glyphosat-Klagen hinter sich lassen - Milliarden-Vergleich
25.06.2020 | 10:18
(neu: Statements von Konzernchef Baumann und Börsenkurs ergänzt)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Mit einem milliardenschweren Vergleich will
Bayer
"Wir können die Unsicherheit beseitigen", sagte Konzernchef Werner Baumann der "ntv"-Redaktion. "Wir haben eine Lösung für große Rechtsfälle, die wir jetzt vergleichen. Und damit können wir uns jetzt auf die Zukunft ausrichten." In einem Interview mit dem "Handelsblatt" betonte er: "Wir sind vom Sinn des Monsanto-Kaufs weiter überzeugt."
Bayer ist dafür nach eigenen Angaben bereit, insgesamt 10,1 Milliarden bis 10,9 Milliarden US-Dollar (9,1 bis 9,8 Mrd Euro) zu zahlen. Damit solle der überwiegende Teil der vielen Glyphosat-Verfahren in den USA aus der Welt geschafft und zugleich drohenden Rechtsrisiken vorgebeugt werden. Enthalten sei auch eine Pauschale, mit der Ansprüche abgedeckt werden sollen, die noch nicht beigelegt sind sowie 1,25 Milliarden Dollar, um eine separate Vereinbarung für potenzielle künftige Klagen zu ermöglichen.
An der Börse reagierten Anleger zwiegespalten. Bayer-Aktien stiegen auf der Handelsplattform Tradegate zunächst vorbörslich um fast 9 Prozent, bewegten sich im regulären Handel aber dann kaum noch. Ein Börsianer sprach vom klassischen "Sell on good news". Die Anleger hätten sich nach den jüngsten Signalen bereits auf einen nahen Vergleich einstellen können und entsprechend positioniert. Die Bestätigung werde nun zum Verkauf genutzt.
Der Schritt sei kein Schuldeingeständnis, sondern die vernünftigste Lösung für das Unternehmen, sagte Konzernchef Baumann in einer Telefonkonferenz mit Journalisten am Abend. Man wolle nach vorne blicken und sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Auf angebotene Produkte oder den künftigen Einsatz von Glyphosat solle die Einigung keinen direkten Einfluss haben, hieß es.
Der Konzern erzielte im Zuge des Kompromisses auch Einigungen bei
weiteren US-Klagen, die etwa den umstrittenen Unkrautvernichter
Dicamba betreffen. Um Verfahren wegen Verwehungen dieses Herbizids
und dadurch angeblich verursachte Ernteschäden loszuwerden, wird
Bayer nach eigenen Angaben bis zu 400 Millionen Dollar zahlen. Die
bei einem Gericht in Missouri gebündelten Klagen betreffen demnach
die Erntejahre 2015 bis 2020. Bayer erwarte einen Beitrag des
mitverklagten Wettbewerbers BASF
Weitere etwa 820 Millionen Dollar will Bayer in die Hand nehmen, um den wesentlichen Teil der US-Verfahren wegen des Umweltgifts PCB beizulegen. Hierbei geht es um mit Chemikalien verseuchte Gewässer. Kläger hatten dem inzwischen zu Bayer gehörenden US-Unternehmen Monsanto vorgeworfen, verheerende Folgen toxischer Schadstoffe für Natur und Lebewesen verschwiegen zu haben. Monsanto sei von 1935 bis 1977 der einzige Hersteller von Polychlorierten Biphenylen (PCB) in den USA gewesen. 1979 wurde die Chemikalie dort verboten. In Deutschland ist das seit Ende der 1980er Jahre der Fall.
Die teuren Rechtskosten, die Bayer nun in Kauf nimmt, um reinen
Tisch zu machen, sind allein der Übernahme des US-Saatgutriesen
Monsanto geschuldet. Der Leverkusener Dax
Die Klagen stützen sich wesentlich auf eine Einschätzung der WHO-Krebsforschungsagentur IARC, die Glyphosat 2015 - im Gegensatz zu anderen Behörden - als "wahrscheinlich krebserregend" für Menschen eingestuft hatte. Die Leverkusener wiesen die Vorwürfe stets zurück und bekamen dabei Rückendeckung von der US-Umweltbehörde EPA, die Glyphosat bei vorschriftsmäßigem Gebrauch nicht als Gesundheitsrisiko einstuft. Die Berufungsprozesse zu den drei bereits kassierten Schuldsprüchen in den USA sollen trotz des Vergleichs weiterlaufen.
Mit Blick auf mögliche künftige Glyphosat-Fälle solle ein unabhängiges Wissenschaftsgremium gebildet werden, hieß es von Bayer. Das soll entscheiden, ob und wenn ja, ab welcher Dosis, Roundup Lymphdrüsenkrebs verursachen könne. Kläger und Bayer seien dann daran gebunden.
Die Glyphosat-Klagewelle hatte Bayer an der Börse unter Druck und die Konzernführung um Baumann in die Kritik gebracht. Man könne sich zwar darüber ärgern, für ein eigentlich unbedenkliches Produkt eine riesige Menge Geld aufbringen zu müssen, sagte Baumann nach der Verkündung des Vergleichs. "Ich bin aber sehr erleichtert, dass wir diese Phase der Unsicherheit nun hinter uns lassen können."
Finanziell ist der Konzern gut gerüstet: Allein der Verkauf der Tiermedizin soll Bayer 7,6 Milliarden Dollar einbringen - den Großteil davon in bar, einen kleineren Teil in Aktien des Käufers Elanco. Mit den Zahlungen will Bayer noch in diesem Jahr beginnen.
Die Grünen nahmen die Einigung hingegen zum Anlass, erneut für ein schnelles, nationales Verbot von Glyphosat für den privaten Verbrauch zu werben. Der im Koalitionsvertrag versprochene Ausstieg müsse endlich vorangetrieben werden, mahnte der Obmann der Grünen im Bundestag, Harald Ebner. "Die Vergleichseinigung zu Glyphosat zeigt klar: Das giftige Erbe von Monsanto kommt Bayer teuer zu stehen."/hbr/mis/swe/DP/jha
ISIN DE0008469008 DE000BAY0017 DE000BASF111
AXC0127 2020-06-25/10:18
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