BÖRSE EXPRESS: „Wir wollen mit der Digitalisierung der gesamten Customer Journey für unsere Kunden ein völlig neues Erlebnis im Brokerage und Banking schaffen“ – das sagten Sie im heurigen März, als Sie den Chefsessel bei der Hello bank! bestiegen. Wie weit sind Sie auf dieser Reise?

ROBERT ULM: Erste Schritte sind gemacht, 2020 wird ein Wesentlicher folgen. Das digitale Onboarding wird dann so sein, dass man in wenigen Minuten sein Konto bei der Hellobank! hat. Die Neukundengewinnung ist uns extrem wichtig und muss in der Zukunft schneller funktionieren. Denn wenn es ein Luxusgut in unserer Zeit gibt, dann ist das Zeit.

 

BÖRSE EXPRESS: Wird man das Ganze auch optisch merken?

ROBERT ULM: Die neue Webseite kommt Mitte/Ende Jänner heraus – bei der wir den gesamten Märkte- und Kurse-Bereich überarbeitet haben und Features anbieten werden, wie Real-time-Kurse, spezielle Charts etc., für die man bei anderen Online-Brokern zahlen muss.

 

BÖRSE EXPRESS: Und abseits des Traders?

ROBERT ULM: Wir werden den neuen Weg des Sparens in Österreich präsentieren: eine Kombination aus Banking und Wertpapierhandel. Heute kennt man bereits das Girokonto mit Abschöpfungsauftrag Richtung Sparbuch – so etwas ähnliches werden wir mit Fonds, ETFs und Sparplänen abbilden. Und wollen damit das vom Realverlust zu Grabe getragene Sparbuch endgültig ablösen und versuchen, dieses aus den Herzen der Österreicher zu streichen.

 

BÖRSE EXPRESS: Ist der Weg der Digitalisierung für ein etabliertes Unternehmen schwieriger als für ein auf die grüne Wiese gebautes Fintech? Oder überwiegt die im Hintergrund vorhandene Substanz als Vorteil?

ROBERT ULM: Die Münze hat 2 Seiten. Natürlich gibt es den Nachteil, das etablierte Unternehmen bestehende Systeme habe, die nicht heute erfunden wurden, was bei einem auf der grünen Wiese startenden Fintech nicht so ist. Herausfordernd ist auch, dass wir viele Bestandskunden haben, die eine gewisse Erfahrung mit uns gewöhnt sind, die wir nicht von heute auf morgen mit einer komplett neuen Umgebung vor den Kopf stoßen wollen.

Aber gleichzeitig konzentrieren sich die Fintechs eben auf ihre App, auf ihre Nische, während wir als Hellobank die komplette Palette des Angebots anbieten: vom Sparen bis hin zum Wertpapierhandel.

Was ich auch als Vorteil sehe: Wir haben einen Business Case – uns geht es nicht nur darum, Kundendaten und Crowd-Kapital zu sammeln, wir sind Teil einer der größten Banken der Welt – das bringt eine gewisse Sicherheit mit. Und diese Sicherheit schätzt der Kunde. Wir waren vor 25 Jahren der First-Mover in Österreich und sind noch immer der Marktführer.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie sind seit März Chef der Hello bank! und kamen von Flatex. Was war für Sie die größte Herausforderung?

ROBERT ULM: Es ist wesentlich, wesentlich umfangreicher … wesentlich spannender und komplexer. Flatex ist ein reiner Discount-Online-Broker ohne Banking dahinter, hat keine große Mutter. Bei der Hello bank! wird nicht Discount-Brokerage um jeden Preis gemacht, wir haben Kunden, die großen Wert auf Servicequalität legen; Und auf Nachhaltigkeit, dass der Partner auf der anderen Seite auch morgen noch da ist.

 

BÖRSE EXPRESS: Jetzt kommen Sie aber von eben so einem Discountbroker-Spezialisten – wo sehen Sie die künftige Zielgruppe der Hello bank?

ROBERT ULM: Wir werden den bisherigen Weg weitergehen … nur mit neuer Technik und bin mir sicher, dass wir auch in 25 Jahren noch Marktführer sein werden. Wir werden nicht in die Schiene eines Discount-Brokers gehen – Broker nur über den Preis zu spielen, macht für uns a la longue keinen Sinn, obwohl wir durchaus sehr günstig aufgestellt sind. Wir sind die Bank für Trader und Anleger, auf die wir uns auch spezialisiert haben – machen das aber auch gerne in Kombination mit Girokonten etc.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn Sie sagen Marktführer bleiben zu wollen: aktuell gibt es bei der Hello bank! rund 80.000 Kunden, was ist da in den nächsten Jahren möglich?

ROBERT ULM: Am Ende des Tages ist nicht die Zahl der Kunden entscheidend, sondern jene, die mit uns zufrieden ist. Ziel ist, die 100.000 bei den Bestandskunden zu knacken.

 

BÖRSE EXPRESS: Woher käme dieses Wachstum? Ist es der Markt, oder ein Verdrängungswettbewerb?

ROBERT ULM: Wir wachsen aus dem Mitbewerb der Hausbanken heraus und sehen uns als sehr herausfordernde Alternative zu diesen: wir haben die Qualität einer Filialbank zum Preis eines Online-Brokers.

Wir können aber auch aus dem Markt wachsen und ich sehe in dem Bereich der mit Sparen zu tun hat, sehr großes Potenzial. Denn alles Geld außerhalb des Notgroschens wird notgedrungen in den Wertpapierhandel gehen müssen, wenn man es vermehren will. Es gibt dazu keine Alternative.

 

BÖRSE EXPRESS: Herr und Frau Österreicher aus dem Sparbuch zu bringen, versucht die Branche bereits seit Jahren. Wirklich geklappt hat es nicht. Sind wir beratungsresistent, oder ist der Schmerz noch nicht groß genug?

ROBERT ULM: Beides. Wir hängen an der Nadel des Sparbuchs, auch wenn nichts mehr herauskommt. Das wurde uns in die Wiege gelegt. Aber ich bin guter Dinge, da auch immer mehr Medien die Kunde verbreiten, dass mit dem Sparbuch kein Geld zu verdienen ist und es a la longue keinen Sinn macht. Man kann sich einige Zeit dagegen verwehren, aber es führt kein Weg am Kapitalmarkt vorbei – am Sparbuch wird das Geld jeden Tag weniger. Es muss in den Köpfen vor allem der jungen Menschen ankommen, dass sie für sich selbst vorsorgen müssen und das nicht mehr über die fondsgebundene Lebensversicherung geht.

 

BÖRSE EXPRESS: Zinswende sehen Sie somit auch keine rasche auf uns zukommen?

ROBERT ULM: Das Niedrigzinsumfeld wird sich nicht so rasch ändern, da zu viele Interessenten, wie die verschuldeten Staaten, davon profitieren. Die auch die Bevölkerung zum Konsum animieren möchte. Es wird für den Bürger nicht einfacher werden, mehr aus seinem Geld zu machen.

 

BÖRSE EXPRESS: 2019 waren abseits des politischen Geschehens ESG und Bitcoin die Themen des Jahres. Was erwartet uns da 2020?

ROBERT ULM: Der Hype um die Kryptowährungen ist, glaube ich, vorbei. ESG wird uns fix weiter begleiten. 2020 dürfte ein positives Marktumfeld für US-Aktien bringen, denn niemand, der in den USA Präsident werden möchte, wird zulassen, dass die Aktienmärkte fallen. Aktien werden im Fokus stehen.

 

BÖRSE EXPRESS: In wenigen Worten – warum sollte ein Kunde zur Hellobank! gehen?

ROBERT ULM: Es macht die Mischung aus Qualität und Preis.