Der Gesundheitssektor ist ein Wirtschaftszweig, der viel Wertschöpfung erbringt und weltweit als Wachstumsmarkt gilt. Gestützt wird diese Entwicklung durch mehrere Faktoren. Einerseits führt die demografische Entwicklung zu neuen Bedürfnissen und dementsprechend sind neue Lösungsansätze gefragt. In vielen Industrieländern ist die Alterung der geburtsstarken Jahrgänge ein zentrales Thema, während das Bevölkerungswachstum Entwicklungsländer beschäftigt. In Verbindung mit zunehmendem Wohlstand und diesbezüglich veränderter Lebensweise steigt andererseits die Häufigkeit der Diagnose von Krankheiten wie Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Durch neue oder verbesserte Behandlungsansätze könnten Krankheiten früher und besser behandelt werden. Neben verbesserter Gesundheit und Wohlbefinden von Betroffenen bieten Innovationen die Möglichkeit, Kosten zu reduzieren.

 

 

Wichtige Bereiche im Gesundheitswesen sind die Biotechnologie (Biotech), die Pharmazeutik sowie die Medizinaltechnik und Diagnostik.

Die Biotechbranche beschäftigt sich mit der Entwicklung und Herstellung von Enzymen, Proteinen, Antikörpern und weiteren Wirkstoffen für medizinische und andere Zwecke. Daraus können neue Medikamente hervorgehen, welche zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden können. Im Gegensatz zur Pharmabranche, deren Produkte auf chemischer Basis entwickelt und produziert werden, weisen Biotech-Produkte eine biologische Basis auf.

Schwieriges Börsenumfeld

Seit Jahresbeginn (2022) haben die wichtigsten Börsenindizes einen Rückgang verzeichnen müssen. Themen, die die Finanzmärkte momentan beschäftigen, sind der Konjunkturausblick, der Krieg in der Ukraine, die Inflationsentwicklung sowie die Geldpolitik der Noten- und Zentralbanken. Weltweit befinden sich die Inflationszahlen auf einem hohen Niveau, weshalb Noten- und Zentralbanken zur Bekämpfung Leitzinsenerhöhungen beschlossen haben und weitere Anhebungen in Aussicht stellen.

 

Steigende Zinsen haben Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung. In der Theorie besteht der heutige Unternehmenswert aus den Erträgen in der Zukunft. Dabei werden die zukünftigen Erträge diskontiert, um den Wert dieser Erträge zum heutigen Zeitpunkt zu ermitteln. Der Zins ist einer der Bestandteile des Diskontierungssatzes. Höhere Zinsen führen zu einem niedrigeren Wert zukünftiger Erträge und schmälern somit die Unternehmensbewertung.

Besonders empfindlich auf Zinsänderungen reagieren Unternehmen, die den Großteil ihrer Erträge in der Zukunft erwarten. Davon betroffen sind vor allem Wachstumsunternehmen, die oftmals in der breiten Technologie aber auch in der spezialisierten Biotech-Branche anzutreffen sind.

Entwicklung eines Medikaments ist langwierig und kostenintensiv

Die Ertragsverteilung kann am Beispiel von jungen Biotechunternehmen aufgezeigt werden, die keine marktreifen Produkte vorweisen können. Der Forschungs- und Entwicklungsprozess (F&E Prozess) dauert mehrere Jahre an und durchläuft dabei verschiedene Phasen. Diese Phasen verursachen hohe finanzielle Kosten und können entsprechend zu Verlusten führen, falls den Ausgaben keine oder nur kleine Erträge gegenüberstehen. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht, daher nehmen Biotechunternehmen ein erhöhtes Risiko in Kauf.

Der Prozess von der Idee bis hin zur ersten Zulassung eines Arzneimittels dauert lange. Je nach Quelle wird eine ungefähre Dauer von 10 bis 15 Jahren genannt. Interpharma, ein Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, gibt beispielsweise einen Durchschnitt von 12 Jahren und Kosten in Höhe von CHF 2,6 Milliarden für den Entwicklungsprozess an. Von knapp 10.000 untersuchten Substanzen erreichten gerade einmal 10 die klinische Phase, wovon wiederum nur eine Substanz als markttaugliches Medikament vertrieben werden konnte (Quelle: Interpharma). Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht den langwierigen Prozess eines möglichen Wirkstoffkandidaten.

 

Deckung des Kapitalbedarfs

Diese intensive F&E-Tätigkeit verursacht hohe Kosten. Ein etablierter Pharmakonzern mag diese Kosten durch die Erträge aus bereits existierenden Produkten leichter stemmen können. Für Unternehmen, die nicht über diese finanziellen Ressourcen verfügen, muss das benötigte Kapital anderweitig herangezogen werden. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten an, um an die finanziellen Mittel zu gelangen.

Ein Unternehmen kann Schulden über die Kapitalmärkte aufnehmen oder Eigenkapital von Aktionären beziehen. Alternativ können Partnerschaften mit etablierten Pharmakonzernen eingegangen werden, worauf Lizenzgebühren vereinbart werden. Auch eine komplette Übernahme einer Biotechfirma kann in Frage kommen. Große Pharmakonzerne erhoffen sich, durch Übernahmen zukünftige Produktpipelines erweitern zu können sowie neue Therapiegebiete zu erschließen.

Patente schützen Erfinder für eine gewisse Zeit und erlauben die exklusive kommerzielle Vermarktung des patentierten Produktes. Läuft dieser Schutz aus, kann die Erfindung ohne Erlaubnis des Patentinhabers von jemand anderem kommerziell genutzt werden. Ebenfalls können in der Zwischenzeit neue Therapiemöglichkeiten auf den Markt gelangen, die eine bessere Behandlung erlauben und somit das wirtschaftliche Potenzial eines bereits existierenden Medikaments schmälern.

 

Zeitpunkt für Übernahmen?

In einem Börsenumfeld, das von Ungewissheit geprägt ist, neigen Investoren tendenziell dazu, ihre Risikobereitschaft zu reduzieren. Gleiches gilt für Biotechunternehmen, die für Anlegerinnen und Anleger aufgrund der unsicheren Resultate ihrer F&E-Prozesse risikobehaftet bleiben.

 

Seit Anfang dieses Jahres wurden bereits einige Übernahmen durch große Pharmakonzerne bekanntgegeben. Die bisher größte Verpflichtung hatte Pfizer mit der Übernahme von „Biohaven Pharmaceuticals“ für USD 11,6 Milliarden angekündigt. Biohaven ist auf die Behandlung von Migräne spezialisiert. Ein weiteres Geschäft hatte Brystol Myers Squibb (BMS) mit der Akquisition von „Turning Point Therapeutics“ für USD 4,1 Milliarden getätigt. Damit erhält BMS Zugang zu einer Pipeline an Krebsmedikamenten. Der britische Pharmakonzern Glaxo Smith Kline (GSK) hat für USD 2,1 Milliarden „Affinivax“ übernommen, wobei eine erfolgsabhängige Zahlung von USD 1,2 Milliarden noch folgen könnte. Mit diesem Schritt erweitert GSK die Pipeline um weitere Impfstoffe.

Die Biotechbranche trägt dazu bei, neue, innovative Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Der F&E-Prozess ist sowohl lang- als auch kostspielig und garantiert keine Entwicklung eines erfolgreichen Wirkstoffes. In der Regel fallen erste Erträge für kleinere Biotechunternehmen in der Zukunft an, umso empfindlicher reagieren jene Unternehmen auf das aktuelle Börsenumfeld steigender Zinsen. Größere Pharmakonzerne können mit einer Übernahme eines Biotechunternehmens das Produktportfolio ergänzen und das neue Geschäft dank ihrer Kapitalausstattung finanzieren.

 

 

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