Liquidität und Vertrauen durch größtes Konjunkturpaket der

gesamtdeutschen Geschichte - Deutscher Investmentmarkt zum Ende des

ersten Halbjahres noch deutlich im Plus

Frankfurt (ots) - Liquidität und Vertrauen. Zwei Begriffe, die sowohl die

Finanz- als auch die Investmentmärkte in den letzten Wochen und Monaten geprägt

haben. "Zur Aufrechterhaltung der Liquidität bei Unternehmen hatten Politik und

Zentralbanken deswegen enorme Beträge in die Märkte gepumpt. Das mit dieser

Maßnahme verbundene Ziel war und ist die Wiederherstellung von Vertrauen durch

diese unterstützenden Maßnahmen. Denn Vertrauen ist die Voraussetzung für

mutiges, nicht zögerliches Handeln und die Vermeidung eines Lockdowns auf Seiten

von Investoren, Nutzern und Konsumenten", so Helge Scheunemann , Head of

Research JLL Germany. Mit einem Volumen von rund 4 bis 4,5 Prozent des

Bruttoinlandsprodukts wurde in einer konzertierten Aktion das bislang größte

Konjunkturpaket der gesamtdeutschen Geschichte geschnürt, bestehend aus vier

großen Blöcken: Hilfen für die Konsumenten, für die Unternehmen und für die

Kommunen sowie Investitionen in die Zukunft. "Die damit einhergehende massive

Neuverschuldung des Staates erscheint angesichts der Krisendimension notwendig

und vor dem Hintergrund der nach wie vor aufgerufenen Minizinsen für deutsche

Bundesanleihen auch vertretbar", so der JLL-Chefresearcher.

Auch wenn die Wirtschaft gepusht durch die Finanzhilfen langsam wieder anläuft,

erwarten die Marktteilnehmer verzögerte Auswirkungen auch auf die

Immobilienwirtschaft. "Das Finanzierungsumfeld wird mindestens bis 2021 spürbar

schwierig bleiben. Im weiteren Verlauf könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen

der Pandemie bei Finanzierern, beispielsweise in Form von non-performing loans,

konkreter und verstärkter zum Tragen kommen", so Helge Scheunemann . Für die

Beurteilung der Werthaltigkeit der Immobilie auch als Kreditsicherheit sei die

Entwicklung an den Investment- und Vermietungsmärkten daher ausschlaggebend.

"Vorübergehende Mietrückstände oder gar die komplette Stundung von Mietzahlungen

beeinträchtigen die Preisfindung aktuell allerdings erheblich. Diese

Verunsicherung lähmt den Markt. Der Wert der Immobilien wird zukünftig auf jeden

Fall noch viel mehr durch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Nutzer

beeinflusst", so Scheunemann . Wer hätte es schon für möglich gehalten, dass ein

Unternehmen wie die Deutsche Lufthansa kurz vor der Insolvenz stehen könnte, mit

entsprechenden Auswirkungen auch auf die von ihr genutzten Immobilien? Dagegen

werden Immobilien mit Nutzern aus den Branchen öffentliche Verwaltung,

Lebensmittel, Drogerien oder Gesundheit und Forschung sicherlich anders bewertet

werden.

Transaktionsvolumen[1] im ersten Halbjahr 2020 noch deutlich über Vorjahr -

Finanzierungen bleiben herausfordernd

Was der Blick auf die nackten Zahlen offenbart, ist zunächst einmal erfreulich

und würde in "normalen" Zeiten und unter "normalen" Umständen sicherlich zu

einer anderen Schlagzeile führen. Doch angesichts der verhaltenden Stimmung und

der enormen Diskrepanz der Transaktionsvolumina zwischen dem ersten und zweiten

Quartal mag keine echte Freude aufkommen. Mit einem Transaktionsvolumen in Höhe

von 42,5 Mrd. Euro übertraf das erste Halbjahr 2020 das Ergebnis des Vorjahres

um 31 Prozent. Dabei lag das Plus mit über 80 Prozent in den ersten drei

Monaten. Das gesamte Jahr 2020 profitiert von diesem einen, ersten Quartal, und

das wird gleichwohl auch eine Ausnahme bleiben. Vor diesem Hintergrund muss man

auch die Monate April bis Juni bewerten: bei 35 Prozent liegt ihr Beitrag zum

Halbjahresvolumen - Beleg dafür, dass die Corona-Pandemie und deren Folgen auch

den Investmentmarkt erreicht hat.

"Vor allem die im ersten Quartal dominierenden Unternehmensübernahmen und

-beteiligungen fanden in der Folge kaum noch statt, sicherlich auch ein Resultat

der unsicheren Entwicklung und der Volatilität an den Aktienmärkten", vermutet

Scheunemann . Die grassierende Volatilität schlägt sich in den Statistiken

nieder: der Anteil der Portfoliotransaktionen hat sich im zweiten Quartal

deutlich auf rund die Hälfte des Volumens reduziert. Dennoch ist für das erste

Halbjahr ein deutliches Plus gegenüber 2019 zu notieren mit einem Volumen von

24,4 Mrd. Euro. Einzeltransaktionen trugen mit 18,1 Mrd. Euro 43 Prozent zum

Gesamtvolumen bei.

Größte Transaktion des zweiten Quartals war der Verkauf von 86 Prozent inklusive

der Immobilien von Godewind an Covivo mit einem Volumen von rund 1 Mrd. Euro.

Die größte Einzeltransaktion weist München auf, wo rund 240 Mio. Euro für einen

Büro- und Gewerbepark gezahlt wurden.

Dennoch ist enorm viel Liquidität im Markt und zahlreiche institutionelle und

private Investoren suchen nach attraktiven Anlagemöglichkeiten. Wie so oft in

Krisenzeiten fokussiert sich die Nachfrage vermehrt auf das Core-Segment. "Doch

nicht mehr jedes noch vor der Krise als Core titulierte Objekt wird heute noch

so eingestuft. Vor allem Produkte mit langlaufenden Mietverträgen und stabilen

Mietern, am besten staatlich, sind gefragter denn je. Bei solchen Objekten wird

es auch keinen Preisdiscount geben, eher das Gegenteil ist der Fall",

prognostiziert Scheunemann . Rückläufig ist dagegen die Nachfrage für Value Add

Produkte oder Projektentwicklungen, die spekulativ errichtet werden bzw. noch

keine (ausreichende) Vorvermietung aufweisen.

"Die Finanzierung für Core-Produkte sehen wir als nach wie vor stabil an, Banken

und auch Versicherungen sind weiterhin als Kapitalgeber aktiv. Die

Finanzierungskonditionen haben sich zwar um ca. 30-70 Basispunkte verteuert, in

Relation zu den gesunkenen Renditen für Staatsanleihen ergeben sich dennoch

nahezu die gleichen Finanzierungskonditionen wie vor Covid-19", berechnet

Scheunemann. Und weiter: "Dagegen haben die Kapitalkosten für Value-Add Objekte

und Projektentwicklungen im Schnitt um 100-200 Basispunkte deutlich stärker

zugelegt. Und bei großvolumigen Transaktionen ziehen sich Finanzierungen

deutlich länger hin als vor der Krise. Viele Finanzierer prüfen insbesondere die

Zahlungsbereitschaft der Mieter bzw. die bereits existenten Mietausfälle."

Scheunemann konstatiert denn auch: "Die Prognose bleibt zur Jahresmitte

durchwachsen. Auf der einen Seite laufen einige Verkaufsprozesse weiter bzw.

wieder an, einige auch größere Transaktionen könnten in den nächsten beiden

Quartalen erfolgreich über die Bühne gehen. Andererseits wird es in den

besonders betroffenen Assetklassen Einzelhandel, mit Ausnahme Lebensmittel, und

Hotel auch im weiteren Jahresverlauf schwierig bleiben. So banal es auch klingen

mag, auch die nach wie vor immer noch lahmen Reisetätigkeiten behindern den

Abschluss oder das Fortführen mancher Transaktionen. Solange die

Einreisebeschränkungen aus bestimmten Herkunftsländern aufrecht erhalten

bleiben, solange werden auch die Transaktionsaktivitäten nur eingeschränkt und

überwiegend national funktionieren.

Für das Gesamtjahr 2020 rechnen wir vor diesem Hintergrund mit einem Volumen von

rund 70 Mrd. Euro. Dies wäre ein Rückgang gegenüber 2019 um knapp ein Viertel."

Living bleibt stärkste Assetklasse

Zum Ende des ersten Halbjahres hat die Assetklasse Living ihren Spitzenplatz als

transaktionsstärkster Sektor bestätigt. Von Januar bis Ende Juni wurden rund

14,7 Mrd. Euro (davon 4 Mrd. Euro in Q2) in deutsche Wohnportfolios,

Studentenwohnheime, Mikroappartements oder Senioren- und Pflegeheime investiert.

Der Anteil dieses Sektors am Gesamtvolumen wuchs auf 35 Prozent, dokumentiert

damit die große Nachfrage nach solchen Immobilien auch oder gerade in

Krisenzeiten. Die Bedeutung wird auch mit dem Aufstieg des zweiten

Immobilienunternehmens (Deutsche Wohnen) in den DAX unterstrichen. Und nicht zu

vergessen ist Vonovia in den letzten Wochen und Monaten zum mittlerweile

sechstgrößten börsennotierten Wohnungskonzern weltweit aufgestiegen.

Deutlich geringer ist der Anteil der im ersten Halbjahr gehandelten

Büroimmobilien : Mit 22 Prozent kommen sie auf 9,4 Mrd. Euro mit der bereits

erwähnten größten Transaktion (Übernahme der Godewind-Büroimmobilien). Die

größte Einzeltransaktion im Bürosektor war der Verkauf eines Bürokomplexes in

Berlin für rund 400 Mio. Euro im ersten Quartal. Auf rund 240 Mio. Euro kam in

den folgenden drei Monaten der größte Verkauf eines Objekts eines Entwicklers an

eine Versicherung in München. Dennoch: Gerade großvolumige Transaktionen

jenseits der 100 Mio. Euro waren bislang eher selten. Bis Ende Juni konnten nur

28 Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich registriert werden. Damit hat

sich die Anzahl der Abschlüsse in diesem Segment gegenüber den beiden letzten

Quartalen des Jahres 2019 halbiert. Eine deutlich größere Relevanz haben

gemischt genutzte Immobilien oder Portfolios. Der Anteil solcher Transaktionen,

bei denen keine spezifische Nutzungsart mehr als 75 Prozent der Mieteinahmen auf

sich vereinen kann, liegt mittlerweile bei 16 Prozent (6,7 Mrd. Euro).

Einzelhandelsgenutzte Immobilien kommen auf einen Anteil von 14 Prozent (rund 6

Mrd. Euro). Mit 3,5 Mrd. Euro entfielen mehr als 58 Prozent auf Fachmärkte,

Fachmarktzentren oder Supermärkte und Discounter. Ähnlich wie Wohnimmobilien

erweisen sie sich als krisenresistent. Auch für den weiteren Jahresverlauf

dürften sich die gestiegenen Umsatzerlöse in diesem Segment positiv auf die

Nachfrage nach Immobilien auswirken. In diesem Segment bleibt es eher dabei,

dass das Angebot an adäquaten Produkten limitiert ist. "Ob die zum 1. Juli

reduzierte Mehrwertsteuer die Lust der Konsumenten aufs Shoppen zurückbringt,

bleibt abzuwarten. Zumindest für den stationären Handel bleiben Maskenpflicht

und Abstandsregeln eher Hemmschuh und das Einkaufen ist mehr Pflicht denn

Freude", so Scheunemann .

Hamburg mit dem stärksten Anstieg unter den Big 7 - Nachfrage außerhalb der

Hochburgen steigt

I n der Aggregation entfallen rund 18 Mrd. Euro auf die Big 7 . Das ist ein

Anteil von 42 Prozent am gesamtdeutschen Transaktionsvolumen und entspricht

einem Plus von 4 Prozent gegenüber dem Vorjahreshalbjahr. Besonders stark wuchs

das Transaktionsvolumen in Hamburg mit einem Plus von 83 Prozent auf knapp 3 Mrd

. Euro. Hierzu beigetragen haben auch Objekte aus

überregionalen Portfolios. Damit liegt die Hansestadt noch vor Frankfurt (+

26%), Düsseldorf (+ 23 %) und München (+ 17 %). Volumenmäßig mit Abstand an der

Spitze bleibt aber nach wie vor Berlin . Hier wechselten Immobilien im Wert von

5,1 Mrd. Euro die Besitzer. Allerdings: auch die Hauptstadt musste im

12-Monatsvergleich - wie Köln (- 27%) und Stuttgart (- 41%) - einen deutlich

zweistelligen Rückgang (- 24 %) hinnehmen.

"Interessanterweise hat die regionale Diversifizierung zugenommen. Fanden vor

Jahresfrist noch 46 Prozent des gesamtdeutschen Transaktionsvolumens in Städten

außerhalb der Big 7 statt, so erhöhte sich dieser Anteil nun auf 58 Prozent -

und das bei einem absolut höheren Volumen", erklärt Scheunemann . Rund 25 Mrd.

Euro flossen in Märkte außerhalb der großen Metropolen . Scheunemann weiter:

"Angesichts der vermeintlich defensiveren und risikoaverseren

Investitionsstrategie der Investoren scheint diese Entwicklung erst einmal

überraschend. Zurückzuführen ist dieses Ergebnis aber auch auf die großen

M&A-Deals des ersten Quartals, so z.B. im Wohnbereich die Adler-Übernahme durch

ADO Properties mit einem Schwerpunkt des Wohnungsportfolios auf Standorte

außerhalb der Big 7."

Renditen beginnen sich langsam auszudifferenzieren

Die Spitzenrenditen bleiben auch nach sechs Monaten robust. Das gilt zumindest

für die Assetklassen Büro, Logistik sowie in Teilen auch für

Einzelhandelsimmobilien. Mit einer über alle sieben Hochburgen hinweg

gemittelten Büro-Spitzenrendite von 2,91 Prozent liegt das Preisniveau aktuell

sogar noch einmal minimal niedriger als vor drei Monaten und im

12-Monatsvergleich damit 15 Basispunkte niedriger. "In den letzten drei Monaten,

die voll im Corona-Krisenmodus standen, haben deutsche Immobilien eine

bemerkenswerte Stabilität bewiesen", erläutert Helge Scheunemann . Auch wenn die

Anzahl der Transaktionen rückläufig ist, so habe die Krise dennoch nicht dazu

geführt, dass die Investorennachfrage abebbte. "Große Private Equity Investoren

sammeln nach wie vor Unmengen an Kapital ein, gleichzeitig sondieren gerade auch

asiatische Investoren intensiv den deutschen Markt. Kurzum: wenn es um

Sicherheit, Vertrauen und Stabilität geht, ist der deutsche Investmentmarkt in

Teilen weiterhin ein interessanter Investitionsstandort. Und für die

Preisfindung ist letztendlich nicht nur der Abschluss wichtig, auch die Anzahl

der Gebote in Bieterprozessen und das in diesen Prozessen ermittelte Preisniveau

spricht für diese Renditekonstanz. Ähnliches gilt auch für Logistikimmobilien,

die derzeit stark von der wachsenden Nachfrage im Bereich E-Commerce

profitieren. Hier liegen die Spitzenrenditen weiterhin bei 3,75 Prozent und

damit 15 Basispunkte unter dem Vorjahreswert", erläutert Scheunemann.

Im Einzelhandel differenzieren sich die Renditen immer stärker aus. Während

lebensmittelgeankerte Fachmarktprodukte, Nahversorgungszentren oder auch

Baumärkte eine nach wie vor sehr hohe Investorennachfrage spüren, machen sich

die strukturellen Probleme bei Shopping Centern und auch bei innerstädtischen

Geschäftshäusern nun auch in den Preisen bemerkbar. So stiegen im stationären

Einzelhandel in den Einkaufsstraßen der sieben Hochburgen die Renditen im Mittel

leicht um 3 Basispunkte auf 2,87 Prozent. Zwar dürfen die Geschäfte seit Mai

wieder ihre Pforten öffnen, Rückkehr zur gewohnten Normalität ist das allerdings

noch lange nicht und weggebrochene Umsätze werden sich nur schwer bis gar nicht

wieder aufholen lassen. In der Folge sind die Insolvenzen besonders im

Textilsektor gestiegen und in den Einkaufsstraßen der Städte gibt es vermehrt

Leerstände zu beobachten.

Bei Shopping Centern gab es einen weiteren Schritt nach oben, die

Spitzenrenditen liegen nun bei 4,75 Prozent und damit 55 Basispunkte höher als

noch vor 12 Monaten.

"Für die weitere Entwicklung bis zum Jahresende gehen wir davon aus, dass die

zum Halbjahr beschriebenen Prozesse sich fortsetzen werden: keine Veränderung

bei den Büro-, Fachmarkt- und Logistikrenditen. Dagegen erwarten wir einen

weiteren Anstieg bei Shopping Centern", prognostiziert Helge Scheunemann .

[1] Das Transaktionsvolumen umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und

Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien, gemischt genutzte

Immobilien sowie die Asset-Klasse Living mit Mehrfamilienhäusern und

Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung, Verkauf von

Unternehmensanteilen (ohne Börsengänge), Appartementhäuser, Studentenwohnen,

Senioren-/Pflegeimmobilien und Kliniken.

Pressekontakt:

Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/62984/4643400

OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL)

AXC0095 2020-07-06/09:39

Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.