OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL) / Der Lockdown hinterlässt erste Bremsspuren ...
06.04.2020 | 10:17
Der Lockdown hinterlässt erste Bremsspuren am Bürovermietungsmarkt /
Büroflächenumsatz in den Big 7 sinkt im Jahresvergleich um 30%
Frankfurt (ots) - Deutschland hält den Atem an. Nicht nur gesundheitlich,
sondern auch wirtschaftlich. Ein noch nie dagewesener "Lockdown" versetzt die
hiesige Wirtschaft in eine Zwangsstarre mit ungewissem Ausgang.
Mit LUV wird in der Seefahrt die dem Wind zugewandte Seite eines Schiffes
bezeichnet. Je nachdem wie stark der aktuelle Pandemie-Orkan den Kurs behindern
wird, richtet sich danach auch die Schnelligkeit und die Ausprägung der
wirtschaftlichen Erholung in "L"-, "U"- oder "V"-Form. "Auf welche Formation wir
zusteuern werden erst die nächsten Wochen und Monate Auskunft geben können, wenn
das gesamte Ausmaß der Rezession ersichtlich ist und die staatlichen Hilfspakete
ausgelaufen sind. Aktuell steht zunächst einmal die akute Krisenbewältigung oder
anders formuliert die Handlungsfähigkeit der Unternehmen im Vordergrund", so
Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Für den Chef-Researcher von JLL
daher wenig überraschend, dass Unternehmen aus fast allen Bereichen (Handel,
Dienstleistungen und Bau) ihre Beschäftigungspläne gestoppt oder auf Eis gelegt
haben. Nicht von ungefähr ist das ifo-Beschäftigungsbarometer im März um 4,6 auf
93,4 Punkte gefallen, der größte Rückgang seit Beginn dieses wichtigen
Konjunkturindikators und auch die Wirtschaftsinstitute rechnen mittlerweile
überwiegend mit einem mehr oder weniger deutlichen Rückgang der
Wirtschaftsleistung zumindest in den nächsten beiden Quartalen.
Die eilig von der Regierung ins Leben gerufenen Hilfsprogramme sollen die akuten
Rückschläge mildern. Insbesondere der milliardenschwere
"Wirtschaftsstabilisierungsfonds" soll Firmen mit Kapital und Garantien stärken.
Der Staat soll sich notfalls wie in der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren
auch an Unternehmen beteiligen können. Für Unternehmer gibt es zudem Notkredite
und ein Hilfspaket für Soloselbstständige und Kleinunternehmer. Darüber hinaus
ist das in der Finanzkrise bereits recht erfolgreich eingesetzte Modell der
Kurzarbeit wieder implementiert worden. Noch Anfang März wurde über sinkende
Arbeitslosigkeit, kaum Kurzarbeit und massenhaft offene Stellen berichtet. Und
jetzt? Eine komplette Kehrtwende. Die letzten zwei Wochen im März markieren eine
historische Zäsur. Allein bis zum 27. März wurden Anträge auf Kurzarbeit von
über 470.000 Betrieben gestellt - Tendenz weiter steigend. "Dieser Anstieg
könnte bei einer Lockerung des wirtschaftlichen Lockdowns natürlich auch schnell
wieder gebremst oder umgedreht werden, aber angesichts der nach wie vor stark
steigenden Infektionsraten dürfte zumindest der April noch ökonomisch auf
Notbetrieb fahren. Zum Vergleich: in der Finanzkrise erreichten die
Kurzarbeiter-Anträge im Juli 2009 mit etwas über 61.000 ihren Höhepunkt. Dieser
Unterschied verdeutlicht die dramatische gesamtwirtschaftliche Rezession, mit
der wir es aktuell zu tun haben", so Scheunemann.
Nachfrage nach Büroflächen sinkt im Jahresvergleich deutlich
Helge Scheunemann gibt zu bedenken: "Dies alles kann nicht ohne Folgen für die
gewerblichen Bürovermietungsmärkte bleiben. Auch hier markiert die zweite
Märzhälfte einen Schnitt zwischen einem Büromarkt vor Corona und einem sich
verändernden Markt nach Corona. Die Antwort auf die Frage, wie dieser künftig
aussehen könnte, wäre reine Spekulation und darum sinnlos. Im Rückblick auf die
nüchternen Zahlen des ersten Quartals 2020 bleibt zumindest festzuhalten, dass
sich die Vermietungsmärkte auch bereits ohne Corona rückläufig entwickelt
hätten. Denn die ersten Anzeichen für ein etwas verhaltenes Marktgeschehen gab
es ja bereits zum Ende des letzten Jahres."
Über alle Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München,
Stuttgart) hinweg ergibt sich im ersten Quartal 2020 ein kumuliertes
Umsatzvolumen von 701.000 m², ein Minus von rund 30 Prozent im
12-Monatsvergleich. Damit ist der umsatzschwächste Dreimonatszeitraum seit Q3
2014 zu bilanzieren, der 10-Jahresschnitt der jeweiligen ersten Quartale ist um
15 Prozent unterschritten.Keine der Hochburgen konnte sich dem Rückgang
entziehen, ein ungewohntes Bild, nachdem es über 10 Jahre fast immer nur
positive Zahlen zu vermelden gab. München führt nun wieder die Statistik an mit
184.000 m² und einem nur moderaten Umsatzrückgang von 6 Prozent. Die stärksten
Nachfrageeinbußen mussten Köln mit einem Minus von 60 Prozent und Stuttgart mit
einem Rückgang von 61 Prozent hinnehmen. Selbst im erfolgsverwöhnten Berlin
reduzierte sich die Nachfrage um gut ein Viertel auf 172.000 m².
Wie kann es weitergehen?
Die mit Hilfe des Ende März neu entwickelten JLL-Thermometers befragten
Unternehmen befürchten zu mehr als 50 Prozent nachhaltig große Auswirkungen der
Corona-Krise auf ihr Kerngeschäft. Mögliche Auswirkungen auf die Büromärkte
könnten sich in Form von überwiegend sinkenden Flächenbedarfen
niederschlagen."Bereits jetzt wirkt sich die Corona-Krise auf aktuelle
Überlegungen zum Thema Neuanmietungen oder Mietvertragsverlängerungen aus. Mehr
als die Hälfte der befragten Unternehmen bestätigt, dass es zu einer Vertagung
von Entscheidungen kommt. Positiv formuliert bedeutet eine Vertagung immerhin
noch kein Platzen der Umzugs- bzw. Anmietungspläne. Im weiteren Verlauf der
Krise dürfte das Thema der Optimierung der eigenen Flächensituation eine
zunehmende Bedeutung erfahren, auch vor dem Hintergrund, dass das Thema Home
Office für immer mehr Beschäftigte zu einer Daueroption werden könnte", so
Scheunemann. Und weiter: "Dies kann die Anpassung der vorhandenen Fläche zum
Beispiel durch Untermietverträge ebenso wie Preisnachverhandlungen aktueller
Mietvertragsverhältnisse betreffen. In der aktuellen Wirtschaftslage sollte man
aber immer wieder betonen, dass es für beide Seiten - Eigentümer und Nutzer -
angebracht erscheint, zu sinnvollen und nachhaltigen Lösungsmodellen zu kommen."
Leerstand stabilisiert sich auf niedrigem Niveau
Nachdem die Leerstände in den letzten Jahren von Quartal zu Quartal deutlich
weiter gesunken waren, scheint nun ein Tiefpunkt erreicht zu sein: Insgesamt
standen den flächensuchenden Unternehmen in den Big 7 zum Ende des ersten
Quartals 2020 2,85 Mio. m² zur Verfügung. Gegenüber dem Vorjahr ergibt sich eine
Reduktion von über 11 Prozent. Die über alle Hochburgen gemittelte
Leerstandsquote liegt damit nach wie vor bei 3 Prozent."Für den weiteren
Jahresverlauf war bislang, also vor Corona, immer nur die Neubaukomponente
entscheidend, ein für den Leerstand ausschlagebenes Nachgeben der Nachfrage
stand nicht im Plan. Das wird sich nun voraussichtlich ändern. Es ist davon
auszugehen, dass in den kommenden Monaten die Leerstände aufgrund einer deutlich
nachlassenden Dynamik der Nachfrage ansteigen werden. Auch das Thema
Untervermietungen könnte wieder auf die Agenda der Büronutzer gesetzt werden",
vermutet Helge Scheunemann.
Volumen der Fertigstellungen wird sich reduzieren
Im ersten Quartal 2020 wurden Büroflächen im Volumen von insgesamt knapp 220.000
m² fertiggestellt. Das ist weiterhin ein nur sehr moderates Neubauvolumen. Dass
dies angesichts des Mangels an modernen und gut ausgestatteten Flächen ein
notwendiger Zuwachs war, belegt der Anteil der bereits vermieteten Flächen. Oder
anders formuliert: von den 220.000 m² waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung nur
noch 6 Prozent unvermietet. "Dies dokumentiert, dass der Vermietungsmarkt nach
wie vor in Bewegung ist und auch Neuverträge abgeschlossen werden. Inwiefern
sich der positive Trend der Vorvermietungen in projektierten Büros aber
fortsetzen wird, bleibt abzuwarten. Nicht zuletzt hängt es auch daran, ob
geplante oder sich im Bau befindliche Büros zeitlich verschoben oder gar auf Eis
gelegt werden. Schon jetzt wirken sich Kontaktverbote, Ausgangs- und
Arbeitsbeschränkungen massiv auf die Bauprozesse aus", so Scheunemann. Noch
stehen für die kommenden drei Quartale in allen sieben Hochburgen insgesamt rund
1,55 Mio. m² in der Pipeline, die sich bereits im Bau befinden. Auch hiervon ist
der überwiegende Teil bereits vorvermietet, die meisten Verträge wurden zeitlich
gesehen allerdings deutlich vor März 2020 abgeschlossen. Suchenden Unternehmen
stehen mit rund 386.000 m² nur noch ein Viertel der Flächen zur Verfügung. "Die
Pipeline ist auch für die nächsten Jahre aktuell noch prall gefüllt. Wir gehen
aber davon aus, dass längst nicht alle Neubauprojekte auch realisiert werden.
Bei einer insgesamt nachlassenden Nachfrage werden auch die Vorvermietungsquoten
sinken, die bei einer entsprechend konzipierten Projektfinanzierung auch zu
einem Stopp des Projektes führen können", prognostiziert der Research-Chef.
Spitzenmieten in den Big 7 bleiben stabil
Zum Ende des ersten Quartals gab es ausreichend Belege, die Spitzenmieten in
allen Hochburgen unverändert gegenüber dem letzten Quartal 2019 zu belassen. Der
JLL-Spitzenmietpreisindex verharrt im Vergleich zum vierten Quartal 2019
entsprechend bei 218,1 Punkten, dem nach wie vor höchsten Stand seit 1992. Im
Jahresvergleich schlägt aber immerhin noch ein Plus von 4,6 Prozent zu Buche.
Davon ausgehend, dass der Höhepunkt des Zyklus erreicht ist, lohnt ein Vergleich
mit dem letzten Zyklushöhepunkt und der darauffolgenden globalen Finanzkrise.
Der aktuelle Indexwert liegt mit einem Plus von 32 Prozent deutlich über dem
letzten Höhepunkt im vierten Quartal 2008. Intuitiv könnte man daraus nun ein
hohes Rückschlagspotential vermuten. "Hierbei darf allerdings nicht vergessen
werden, dass die durchschnittliche Leerstandsquote in den Big 7 in der
Aufschwungphase bis hin zur Finanzkrise Ende 2008 gerade mal auf 8,6 Prozent
abgesunken war. Diesmal ist die Flächenknappheit dagegen viel extremer und
stützt damit die Mieten", vermutet Scheunemann.
Nach der Finanzkrise ging der Mietpreisindex sieben Quartale zurück, bevor die
Erholung eintrat. Der Gesamtrückgang betrug damals lediglich 5 Prozent, am
stärksten trat er 2008-2010 in Berlin (-10 %, damals von 22 auf 20 Euro) und in
Frankfurt (- 9 %, 37 auf 33 Euro) auf. "Genaue Aufschlüsse über die
Abschlussbereitschaft der Mieter, das Entgegenkommens der Vermieter in Bezug auf
Stundungen oder der Gewährung von Incentives mit entsprechenden Konsequenzen für
die Effektivmieten werden die nächsten Wochen zeigen. Viele vorwiegend kleinere
Unternehmen haben bereits begonnen, Nachverhandlungen mit ihren Vermietern zu
führen. Bei großen Corporates sehen wir aktuell noch keine solche Aktivitäten,
hier stehen Umzugsfragen und die Bedeutung des Themas Bürofläche im Rahmen einer
langfristigen Strategie, die nicht so schnell aufgegeben wird", so Scheunemann
vorausblickend.
Pressekontakt:
Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62984/4565087
OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL)
AXC0143 2020-04-06/10:17
Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.