Der Lockdown hinterlässt erste Bremsspuren am Bürovermietungsmarkt /

Büroflächenumsatz in den Big 7 sinkt im Jahresvergleich um 30%

Frankfurt (ots) - Deutschland hält den Atem an. Nicht nur gesundheitlich,

sondern auch wirtschaftlich. Ein noch nie dagewesener "Lockdown" versetzt die

hiesige Wirtschaft in eine Zwangsstarre mit ungewissem Ausgang.

Mit LUV wird in der Seefahrt die dem Wind zugewandte Seite eines Schiffes

bezeichnet. Je nachdem wie stark der aktuelle Pandemie-Orkan den Kurs behindern

wird, richtet sich danach auch die Schnelligkeit und die Ausprägung der

wirtschaftlichen Erholung in "L"-, "U"- oder "V"-Form. "Auf welche Formation wir

zusteuern werden erst die nächsten Wochen und Monate Auskunft geben können, wenn

das gesamte Ausmaß der Rezession ersichtlich ist und die staatlichen Hilfspakete

ausgelaufen sind. Aktuell steht zunächst einmal die akute Krisenbewältigung oder

anders formuliert die Handlungsfähigkeit der Unternehmen im Vordergrund", so

Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Für den Chef-Researcher von JLL

daher wenig überraschend, dass Unternehmen aus fast allen Bereichen (Handel,

Dienstleistungen und Bau) ihre Beschäftigungspläne gestoppt oder auf Eis gelegt

haben. Nicht von ungefähr ist das ifo-Beschäftigungsbarometer im März um 4,6 auf

93,4 Punkte gefallen, der größte Rückgang seit Beginn dieses wichtigen

Konjunkturindikators und auch die Wirtschaftsinstitute rechnen mittlerweile

überwiegend mit einem mehr oder weniger deutlichen Rückgang der

Wirtschaftsleistung zumindest in den nächsten beiden Quartalen.

Die eilig von der Regierung ins Leben gerufenen Hilfsprogramme sollen die akuten

Rückschläge mildern. Insbesondere der milliardenschwere

"Wirtschaftsstabilisierungsfonds" soll Firmen mit Kapital und Garantien stärken.

Der Staat soll sich notfalls wie in der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren

auch an Unternehmen beteiligen können. Für Unternehmer gibt es zudem Notkredite

und ein Hilfspaket für Soloselbstständige und Kleinunternehmer. Darüber hinaus

ist das in der Finanzkrise bereits recht erfolgreich eingesetzte Modell der

Kurzarbeit wieder implementiert worden. Noch Anfang März wurde über sinkende

Arbeitslosigkeit, kaum Kurzarbeit und massenhaft offene Stellen berichtet. Und

jetzt? Eine komplette Kehrtwende. Die letzten zwei Wochen im März markieren eine

historische Zäsur. Allein bis zum 27. März wurden Anträge auf Kurzarbeit von

über 470.000 Betrieben gestellt - Tendenz weiter steigend. "Dieser Anstieg

könnte bei einer Lockerung des wirtschaftlichen Lockdowns natürlich auch schnell

wieder gebremst oder umgedreht werden, aber angesichts der nach wie vor stark

steigenden Infektionsraten dürfte zumindest der April noch ökonomisch auf

Notbetrieb fahren. Zum Vergleich: in der Finanzkrise erreichten die

Kurzarbeiter-Anträge im Juli 2009 mit etwas über 61.000 ihren Höhepunkt. Dieser

Unterschied verdeutlicht die dramatische gesamtwirtschaftliche Rezession, mit

der wir es aktuell zu tun haben", so Scheunemann.

Nachfrage nach Büroflächen sinkt im Jahresvergleich deutlich

Helge Scheunemann gibt zu bedenken: "Dies alles kann nicht ohne Folgen für die

gewerblichen Bürovermietungsmärkte bleiben. Auch hier markiert die zweite

Märzhälfte einen Schnitt zwischen einem Büromarkt vor Corona und einem sich

verändernden Markt nach Corona. Die Antwort auf die Frage, wie dieser künftig

aussehen könnte, wäre reine Spekulation und darum sinnlos. Im Rückblick auf die

nüchternen Zahlen des ersten Quartals 2020 bleibt zumindest festzuhalten, dass

sich die Vermietungsmärkte auch bereits ohne Corona rückläufig entwickelt

hätten. Denn die ersten Anzeichen für ein etwas verhaltenes Marktgeschehen gab

es ja bereits zum Ende des letzten Jahres."

Über alle Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München,

Stuttgart) hinweg ergibt sich im ersten Quartal 2020 ein kumuliertes

Umsatzvolumen von 701.000 m², ein Minus von rund 30 Prozent im

12-Monatsvergleich. Damit ist der umsatzschwächste Dreimonatszeitraum seit Q3

2014 zu bilanzieren, der 10-Jahresschnitt der jeweiligen ersten Quartale ist um

15 Prozent unterschritten.Keine der Hochburgen konnte sich dem Rückgang

entziehen, ein ungewohntes Bild, nachdem es über 10 Jahre fast immer nur

positive Zahlen zu vermelden gab. München führt nun wieder die Statistik an mit

184.000 m² und einem nur moderaten Umsatzrückgang von 6 Prozent. Die stärksten

Nachfrageeinbußen mussten Köln mit einem Minus von 60 Prozent und Stuttgart mit

einem Rückgang von 61 Prozent hinnehmen. Selbst im erfolgsverwöhnten Berlin

reduzierte sich die Nachfrage um gut ein Viertel auf 172.000 m².

Wie kann es weitergehen?

Die mit Hilfe des Ende März neu entwickelten JLL-Thermometers befragten

Unternehmen befürchten zu mehr als 50 Prozent nachhaltig große Auswirkungen der

Corona-Krise auf ihr Kerngeschäft. Mögliche Auswirkungen auf die Büromärkte

könnten sich in Form von überwiegend sinkenden Flächenbedarfen

niederschlagen."Bereits jetzt wirkt sich die Corona-Krise auf aktuelle

Überlegungen zum Thema Neuanmietungen oder Mietvertragsverlängerungen aus. Mehr

als die Hälfte der befragten Unternehmen bestätigt, dass es zu einer Vertagung

von Entscheidungen kommt. Positiv formuliert bedeutet eine Vertagung immerhin

noch kein Platzen der Umzugs- bzw. Anmietungspläne. Im weiteren Verlauf der

Krise dürfte das Thema der Optimierung der eigenen Flächensituation eine

zunehmende Bedeutung erfahren, auch vor dem Hintergrund, dass das Thema Home

Office für immer mehr Beschäftigte zu einer Daueroption werden könnte", so

Scheunemann. Und weiter: "Dies kann die Anpassung der vorhandenen Fläche zum

Beispiel durch Untermietverträge ebenso wie Preisnachverhandlungen aktueller

Mietvertragsverhältnisse betreffen. In der aktuellen Wirtschaftslage sollte man

aber immer wieder betonen, dass es für beide Seiten - Eigentümer und Nutzer -

angebracht erscheint, zu sinnvollen und nachhaltigen Lösungsmodellen zu kommen."

Leerstand stabilisiert sich auf niedrigem Niveau

Nachdem die Leerstände in den letzten Jahren von Quartal zu Quartal deutlich

weiter gesunken waren, scheint nun ein Tiefpunkt erreicht zu sein: Insgesamt

standen den flächensuchenden Unternehmen in den Big 7 zum Ende des ersten

Quartals 2020 2,85 Mio. m² zur Verfügung. Gegenüber dem Vorjahr ergibt sich eine

Reduktion von über 11 Prozent. Die über alle Hochburgen gemittelte

Leerstandsquote liegt damit nach wie vor bei 3 Prozent."Für den weiteren

Jahresverlauf war bislang, also vor Corona, immer nur die Neubaukomponente

entscheidend, ein für den Leerstand ausschlagebenes Nachgeben der Nachfrage

stand nicht im Plan. Das wird sich nun voraussichtlich ändern. Es ist davon

auszugehen, dass in den kommenden Monaten die Leerstände aufgrund einer deutlich

nachlassenden Dynamik der Nachfrage ansteigen werden. Auch das Thema

Untervermietungen könnte wieder auf die Agenda der Büronutzer gesetzt werden",

vermutet Helge Scheunemann.

Volumen der Fertigstellungen wird sich reduzieren

Im ersten Quartal 2020 wurden Büroflächen im Volumen von insgesamt knapp 220.000

m² fertiggestellt. Das ist weiterhin ein nur sehr moderates Neubauvolumen. Dass

dies angesichts des Mangels an modernen und gut ausgestatteten Flächen ein

notwendiger Zuwachs war, belegt der Anteil der bereits vermieteten Flächen. Oder

anders formuliert: von den 220.000 m² waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung nur

noch 6 Prozent unvermietet. "Dies dokumentiert, dass der Vermietungsmarkt nach

wie vor in Bewegung ist und auch Neuverträge abgeschlossen werden. Inwiefern

sich der positive Trend der Vorvermietungen in projektierten Büros aber

fortsetzen wird, bleibt abzuwarten. Nicht zuletzt hängt es auch daran, ob

geplante oder sich im Bau befindliche Büros zeitlich verschoben oder gar auf Eis

gelegt werden. Schon jetzt wirken sich Kontaktverbote, Ausgangs- und

Arbeitsbeschränkungen massiv auf die Bauprozesse aus", so Scheunemann. Noch

stehen für die kommenden drei Quartale in allen sieben Hochburgen insgesamt rund

1,55 Mio. m² in der Pipeline, die sich bereits im Bau befinden. Auch hiervon ist

der überwiegende Teil bereits vorvermietet, die meisten Verträge wurden zeitlich

gesehen allerdings deutlich vor März 2020 abgeschlossen. Suchenden Unternehmen

stehen mit rund 386.000 m² nur noch ein Viertel der Flächen zur Verfügung. "Die

Pipeline ist auch für die nächsten Jahre aktuell noch prall gefüllt. Wir gehen

aber davon aus, dass längst nicht alle Neubauprojekte auch realisiert werden.

Bei einer insgesamt nachlassenden Nachfrage werden auch die Vorvermietungsquoten

sinken, die bei einer entsprechend konzipierten Projektfinanzierung auch zu

einem Stopp des Projektes führen können", prognostiziert der Research-Chef.

Spitzenmieten in den Big 7 bleiben stabil

Zum Ende des ersten Quartals gab es ausreichend Belege, die Spitzenmieten in

allen Hochburgen unverändert gegenüber dem letzten Quartal 2019 zu belassen. Der

JLL-Spitzenmietpreisindex verharrt im Vergleich zum vierten Quartal 2019

entsprechend bei 218,1 Punkten, dem nach wie vor höchsten Stand seit 1992. Im

Jahresvergleich schlägt aber immerhin noch ein Plus von 4,6 Prozent zu Buche.

Davon ausgehend, dass der Höhepunkt des Zyklus erreicht ist, lohnt ein Vergleich

mit dem letzten Zyklushöhepunkt und der darauffolgenden globalen Finanzkrise.

Der aktuelle Indexwert liegt mit einem Plus von 32 Prozent deutlich über dem

letzten Höhepunkt im vierten Quartal 2008. Intuitiv könnte man daraus nun ein

hohes Rückschlagspotential vermuten. "Hierbei darf allerdings nicht vergessen

werden, dass die durchschnittliche Leerstandsquote in den Big 7 in der

Aufschwungphase bis hin zur Finanzkrise Ende 2008 gerade mal auf 8,6 Prozent

abgesunken war. Diesmal ist die Flächenknappheit dagegen viel extremer und

stützt damit die Mieten", vermutet Scheunemann.

Nach der Finanzkrise ging der Mietpreisindex sieben Quartale zurück, bevor die

Erholung eintrat. Der Gesamtrückgang betrug damals lediglich 5 Prozent, am

stärksten trat er 2008-2010 in Berlin (-10 %, damals von 22 auf 20 Euro) und in

Frankfurt (- 9 %, 37 auf 33 Euro) auf. "Genaue Aufschlüsse über die

Abschlussbereitschaft der Mieter, das Entgegenkommens der Vermieter in Bezug auf

Stundungen oder der Gewährung von Incentives mit entsprechenden Konsequenzen für

die Effektivmieten werden die nächsten Wochen zeigen. Viele vorwiegend kleinere

Unternehmen haben bereits begonnen, Nachverhandlungen mit ihren Vermietern zu

führen. Bei großen Corporates sehen wir aktuell noch keine solche Aktivitäten,

hier stehen Umzugsfragen und die Bedeutung des Themas Bürofläche im Rahmen einer

langfristigen Strategie, die nicht so schnell aufgegeben wird", so Scheunemann

vorausblickend.

Pressekontakt:

Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62984/4565087

OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL)

AXC0143 2020-04-06/10:17

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