OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL) / Auch Immobilien werden nicht immun bleiben ...
06.04.2020 | 09:13
Auch Immobilien werden nicht immun bleiben - Deutscher Investmentmarkt
zum Ende des ersten Quartals von Pandemie noch unbeeindruckt
Frankfurt (ots) - Noch vor wenigen Wochen sprachen alle Marktteilnehmer von
einer Fortsetzung des Immobilienbooms. Das war vor Corona. Mittlerweile alles
Schall und Rauch. Eine Rückkehr zur Normalität, die sich nach der Pandemie neu
finden muss, braucht Geduld und Zeit. Bereits nach nur einer Woche des
"deutschen Lockdowns" werden jedoch Rufe nach einer Lockerung der Maßnahmen
laut. Denn fast alle Wirtschaftsbereiche beklagen massive Einschnitte. "Fakt
ist, die Rezession wird kommen. Und im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/2009 ist
dieses Mal auch die Realwirtschaft signifikant betroffen. Wie lange wird das
gehen? Kaum zu prognostizieren. Hierüber werden erst die nächsten Wochen und
Monate Auskunft geben können, wenn alle Auswirkungen der Pandemie ersichtlich
und die staatlichen Hilfspakete angelaufen sind", so Helge Scheunemann, Head of
Research JLL Germany. Helge Scheunemann weiter: "Die weltweit angelaufenen
Unterstützungspakete der Politik und der Zentralbanken werden zweifellos ihre
Wirkung entfalten und helfen, Liquidität und Kapitalverkehr aufrecht zu
erhalten. Diese Geldschwemme mag für die aktuelle Linderung der Krise
alternativlos sein, langfristig sind die Folgen für Investoren und Kapitalgeber
indes gar nicht absehbar. Zumindest steht zu befürchten, dass die
Inflationsgefahren langfristig deutlich zunehmen."
Während die amerikanische Notenbank in den letzten zwei Wochen Wertpapiere im
Volumen von einer Billion Dollar erworben hat und in Sachen ihrer "Whatever it
Takes-Maßnahmen" wieder voranprescht, hat nun auch die Europäische Zentralbank
(EZB) zusätzlich zu den bereits laufenden Anleiheankäufen in einem Volumen von
360 Mrd. Euro weitere rund 750 Mrd. Euro in die Märkte gepumpt. "Ob damit aber
ein halbwegs funktionierender Markt am Laufen gehalten werden kann, ist
zweifelhaft. Zwar bleibt damit das niedrige Zinsniveau wahrscheinlich für viele
weitere Jahre fest zementiert, ob die Banken aber bereit sind, in einem derzeit
so unsicheren Umfeld Fremdfinanzierungen im üblichen Volumen auszureichen, darf
zumindest angezweifelt werden. Mehr denn je steigt die Bedeutung eines
ausreichenden Eigenkapitalanteils. Vor allem für Investoren, deren
Fremdfinanzierungsquote 50 bis 60 Prozent nicht übersteigt, könnten sich im
weiteren Zeitverlauf interessante Investitionsmöglichkeiten ergeben. Dabei
werden wir bestimmt auch einige Investoren asiatischer Herkunft sehen, die auf
solche Gelegenheiten warten", erklärt der JLL-Research-Chef.
Transaktionsvolumen* im ersten Quartal 2020 noch überhaupt nicht beeinflusst
In den ersten drei Monaten des Jahres haben sich die Auswirkungen der Covid-19
Krise noch nicht bemerkbar gemacht. Zahlreiche Prozesse und Transaktionen waren
bereits angeschoben oder befanden sich im Endstadium der Verhandlungen, so dass
ein "Deal freeze" oder ein Einbruch im Investmentmarkt zumindest in den Zahlen
noch nicht ersichtlich wird. "Gleichwohl dürfte der März dennoch eine Zäsur
bedeuten und die Auswirkungen werden sich wahrscheinlich dann zum Ende des
zweiten Quartals zeigen", vermutet Scheunemann.
Normalerweise würde man an dieser Stelle von einem Rekord berichten. Denn
zahlenmäßig lag das gesamtdeutsche Transaktionsvolumen im ersten Quartal 2020
bei rund 28 Mrd. Euro (18,3 Mrd. Euro gewerblich genutzte Immobilien und 9,7
Mrd. Wohnungstransaktionen). Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht dies
einer exorbitanten Steigerung von 82 Prozent. Darin enthalten sind teilweise
sehr großvolumige Unternehmensübernehmen und Beteiligungen (u.a. die fast
90%-ige Adler Beteiligung an Ado im Wohnungssektor oder die 77,8 %-ige
Beteiligung von Aroundtown an der TLG), die sich insgesamt auf 11,3 Mrd. Euro
summieren. Doch auch ohne diese indirekten Immobilientransaktionen wäre es
rückblickend ein sehr starkes Quartal gewesen. Auch gab es immerhin über 20
direkte Einzelabschlüsse mit einem Volumen von jeweils über 100 Mio. Euro,
überwiegend im Bürosektor.
"Eine Prognose für das Gesamtjahr kann aufgrund der derzeitigen Situation seriös
nicht formuliert werden. Es lassen sich aber einige signifikante Beobachtungen
jenseits aller negativer Erkenntnisse festhalten", betont Scheunemann:
- Es gibt nach wie vor eine Reihe institutioneller Investoren, die in Immobilen
anlegen möchten
- Bei bestimmten Produkten, insbesondere bei Büroimmobilien, sehen wir nach wie
vor eine Reihe an (hochpreisigen) Geboten
- Core Produkte werden in einer Krise besonders nachgefragt
Wie geht es weiter am deutschen Investmentmarkt? Die im Zuge des neu
entwickelten JLL-Thermometers befragten Investoren/Eigentümer gehen mehrheitlich
davon aus, dass das Transaktionsgeschehen auf dem Immobilieninvestmentmarkt in
Deutschland an Dynamik verlieren wird. Aber immerhin geben 48 Prozent der
Investoren an, dass sie an ihren Transaktionszielen für 2020 festhalten. Diese
Auswertungen sind ein erstes Indiz für den weiteren Jahresverlauf, genauso wie
die jüngst veröffentlichten Verlautbarungen zahlreicher institutioneller
Investoren, weiterhin aktiv investieren zu wollen. Die wesentlichen
Hinderungsgründe sind allerdings das Fehlen echter aktueller Marktwerte, in
Verbindung mit nicht möglichen physischen Objektbesichtigungen, was die
Preisfindung erschwert sowie die gestiegenen Restriktionen der Banken in Bezug
auf das Ausreichen von Fremdkapital. "Gerade die auf persönliche Kontakte so
stark ausgerichtete Immobilienbranche sehnt sich nach einer Lockerung der
Kontaktbeschränkungen. Ob sich nämlich digitale Besichtigungen vollumfänglich
durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Für Top Objekte ohne Renovierungs- oder
Sanierungsstau mag dies noch am ehesten möglich und akzeptabel sein", meint
Helge Scheunemann.
Insgesamt entfallen auf Einzeltransaktionen aktuell nur noch 39 Prozent des
Gesamtvolumens (10,8 Mrd. Euro), hier musste gegenüber dem Vorjahr ein leichtes
Minus konstatiert werden. Sehr deutlich zugelegt haben Portfolioverkäufe, unter
anderem auch gepusht durch die erwähnten Unternehmensübernahmen. Ihr
Quartalsergebnis liegt bei rund 17 Mrd. Euro, im Jahresvergleich ein Plus von
über 300 Prozent.
Anteil der Büroimmobilien sinkt - Diversifizierung und Risikobewusstsein der
Käufer steigt
Der Anteil der im ersten Quartal gehandelten Büroimmobilien liegt mit fast 18
Prozent zwar deutlich unter dem Jahreswert von 2019. Hier relativieren
allerdings die als Mischnutzung eingestuften Mega-Unternehmensübernahmen das
Bild. Dennoch flossen immerhin rund 5 Mrd. Euro in diese Assetklasse. Mehr als
doppelt so viel Volumen wurde für die Assetklasse Living registriert. Insgesamt
10,7 Mrd. Euro bezahlten Investoren für Wohnportfolios, Studentenwohnheime,
Mikroappartements oder Senioren- und Pflegeheime. "Auch wenn letztere aufgrund
der derzeitigen Viruspandemie unter besonderer Beobachtung stehen, dürften
Immobilien, die im weitesten Sinne etwas mit Gesundheit zu tun haben, zum
Beispiel Medizinische Versorgungszentren, Ärztehäuser, künftig noch stärker in
den Fokus der Investoren rücken", prognostiziert Helge Scheunemann.
Einzelhandelsgenutzte Immobilien kommen auf einen im Vergleich zum Vorjahr etwas
erhöhten Anteil von 15 Prozent (rund 4 Mrd. Euro). Davon waren deutlich über die
Hälfte Fachmärkte, Fachmarktzentren oder Supermärkte und Discounter. In Bezug
auf die Anzahl der Transaktionen waren es sogar 80 Prozent. "Die jüngsten
Ereignisse haben gezeigt, wie letztlich krisenresistent und wie wichtig die
Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist. Erste
Ergebnisse lassen erkennen, dass die Händlererlöse in diesem Sektor derzeit
stark wachsen. Davon profitieren auch die Immobilien. Sie werden im
Jahresverlauf eine weitere entsprechende Nachfrage auf sich ziehen", betont der
Research-Chef.
Logistikimmobilien kommen auf einen Anteil von rund 8 Prozent. Für diese
Nutzungsart ergibt sich aktuell und im Rückblick auf die vergangenen drei Monate
ein sehr gemischtes Bild. Auf der einen Seite reduzieren die von der
Unterbrechung der globalen Handelsströme betroffenen Logistiker ihre Lager
(Industrie, Automobil), auf der anderen Seite suchen Online-Händler und
Unternehmen der Lebensmittelbranche händeringend kurzfristig verfügbare
Lagerkapazitäten. So haben allein Edeka, Aldi und Rewe in den letzten Wochen
neue Mietverträge im Volumen von rund 1 Mio. m² unterschrieben. Gesucht werden
in erster Linie kleinere bis mittlere Hallenflächen am Rande der großen Städte
und vor allem flexible Mietvertragskonditionen. Für die nächste Zeit bleibt
abzuwarten, ob a) die positive Nutzernachfrage anhält und b) sich Investoren
auch für solche Objekte als Anlageprodukt interessieren werden.
Die restlichen Nutzungsarten summieren sich auf rund 6 Mrd. Euro, wobei gemischt
genutzte Objekte und Portfolios den weitaus größten Anteil auf sich vereinen
(4,9 Mrd. Euro). Darin enthalten sind auch Hotelimmobilien, die aufgrund der
massiven und anhaltenden Reisebeschränkungen eine der am schwersten betroffenen
Assetklassen ist. "Das grundlegende Interesse von Investoren ist allerdings nach
wie vorhanden, aufgrund der gestörten Cash Flows und der niedrigen
Auslastungsraten ist eine Preisfindung allerdings derzeit fast nicht möglich und
wird zumindest für die nächsten zwei Quartale anhalten", erklärt Scheunemann.
Unter den Big 7 warten München und Frankfurt mit einem deutlichen Plus auf
In der Aggregation über alle sieben Hochburgen hinweg entfallen rund 11,5 Mrd.
Euro auf diese großen Märkte. Das ist ein Anteil von über 40 Prozent am
gesamtdeutschen Transaktionsvolumen und entspricht einem Plus von 31 Prozent
gegenüber dem Vorjahresquartal. In München und Frankfurt legte das Volumen sehr
deutlich um 125 Prozent auf knapp 1,5 Mrd. Euro bzw. um 117 Prozent auf rund 2,4
Mrd. Euro zu. Auch Hamburg und Düsseldorf lagen im Plus. In Berlin hat sich das
Transaktionsvolumen auf hohem Niveau bestätigt, während in Köln und Stuttgart
Rückgänge von 15 Prozent bzw. 44 Prozent zu verzeichnen waren.
Deutlich zugenommen hat im ersten Quartal auch das Transaktionsvolumen außerhalb
der etablierten Märkte. Rund 16,5 Mrd. Euro wurden investiert, ein Plus im
Jahresvergleich von 148 Prozent. Hauptgrund für diesen deutlichen Zuwachs ist
die sehr heterogene regionale Verteilung der gehandelten Portfolios und
Unternehmensübernahmen. Neben diesen Transaktionen gab es aber auch einige
Einzel- und Portfoliotransaktionen im Bereich von 100 Mio. Euro, vor allem im
Logistik- und Einzelhandelssegment. "Sollten die Investoren in den nächsten
Wochen und Monaten eine eher defensivere Investitionsstrategie verfolgen, gehen
wir davon aus, dass der Anteil der Transaktionen außerhalb der Core Märkte
wieder an Dynamik verliert", so Helge Scheunemann.
Renditen bleiben in den meisten Assetklassen zunächst stabil
"Für die ersten drei Monate des Jahres beobachten wir in fast allen Assetklassen
keine Veränderung bei den Renditen in allen Nutzungsarten. Ein gewisser Druck
für bestimmten Asset- und Risikoklassen war zwar auch noch in den letzten drei
Monaten zu spüren, aufgrund der Entwicklungen im März ist eine Preisfindung
allerdings derzeit ungleich schwierig. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich
realitätsnahe Preise herauskristallisieren", so der Researcher.
Mit einer über alle sieben Hochburgen hinweg gemittelten Büro-Spitzenrendite von
2,93 Prozent verharrt das Preisniveau aktuell noch auf einem hohen Niveau. Im
12-Monatsvergleich sind es damit 13 Basispunkte weniger.
Im stationären Einzelhandel bleiben die Renditen im Schnitt bei 2,84 Prozent.
Mit Ladenschließungen und Verkaufsverboten gewinnt der schon lange im Gange
befindliche Transformationsprozess nun nochmals an Dynamik. Der Onlinehandel
gilt als Gewinner der Krise und gewinnt weitere Umsatzanteile, jetzt auch im
Lebensmittelbereich. In diesem Sog profitieren aber auch Nahversorgungszentren
(Supermärkte, Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker) und ziehen nach wie vor
das Interesse der Investoren auf sich. Für Fachmärkte liegen die Renditen
aktuell bei 5,00 Prozent und für Fachmarktzentren bei 4,20 Prozent. Nur bei
Shopping Centern gab es eine Veränderung nach oben, die bereits in den Monaten
vor Ausbruch der Krise zu beobachten war. Die Spitzenrenditen liegen nun bei
4,65 Prozent und damit 55 Basispunkte höher als noch vor 12 Monaten.
Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend sein, wohin die Renditen
tendieren. Aktuell rechnen wir mit keinen signifikanten Verwerfungen oder
Notverkäufen. Die in den letzten Jahren abgeschlossenen Finanzierungen sollten
überwiegend sehr solide gewesen sein. Es wird aber auch für die
Renditeentwicklung darauf ankommen, wie lange diese Krise anhält und wie tief
die Spuren sind, die sie in der Realwirtschaft hinterlassen werden. Eine noch
genauere objektspezifische Risikoeinschätzung insbesondere in Bezug auf die
Mieterstruktur ist das Gebot der Stunde. Dabei wird es auch darauf ankommen, in
welchem Umfang gewerbliche Mieter von der Möglichkeit einer Mietpreisstundung
Gebrauch machen werden", so Helge Scheunemann abschließend.
* Das Transaktionsvolumen umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und
Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien, gemischt genutzte
Immobilien sowie die Asset-Klasse Living mit Mehrfamilienhäusern und
Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung, Verkauf von
Unternehmensanteilen (ohne Börsengänge), Appartementhäuser, Studentenwohnen,
Senioren-/Pflegeimmobilien und Kliniken
Pressekontakt:
Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62984/4565009
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AXC0117 2020-04-06/09:13
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