Auch Immobilien werden nicht immun bleiben - Deutscher Investmentmarkt

zum Ende des ersten Quartals von Pandemie noch unbeeindruckt

Frankfurt (ots) - Noch vor wenigen Wochen sprachen alle Marktteilnehmer von

einer Fortsetzung des Immobilienbooms. Das war vor Corona. Mittlerweile alles

Schall und Rauch. Eine Rückkehr zur Normalität, die sich nach der Pandemie neu

finden muss, braucht Geduld und Zeit. Bereits nach nur einer Woche des

"deutschen Lockdowns" werden jedoch Rufe nach einer Lockerung der Maßnahmen

laut. Denn fast alle Wirtschaftsbereiche beklagen massive Einschnitte. "Fakt

ist, die Rezession wird kommen. Und im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/2009 ist

dieses Mal auch die Realwirtschaft signifikant betroffen. Wie lange wird das

gehen? Kaum zu prognostizieren. Hierüber werden erst die nächsten Wochen und

Monate Auskunft geben können, wenn alle Auswirkungen der Pandemie ersichtlich

und die staatlichen Hilfspakete angelaufen sind", so Helge Scheunemann, Head of

Research JLL Germany. Helge Scheunemann weiter: "Die weltweit angelaufenen

Unterstützungspakete der Politik und der Zentralbanken werden zweifellos ihre

Wirkung entfalten und helfen, Liquidität und Kapitalverkehr aufrecht zu

erhalten. Diese Geldschwemme mag für die aktuelle Linderung der Krise

alternativlos sein, langfristig sind die Folgen für Investoren und Kapitalgeber

indes gar nicht absehbar. Zumindest steht zu befürchten, dass die

Inflationsgefahren langfristig deutlich zunehmen."

Während die amerikanische Notenbank in den letzten zwei Wochen Wertpapiere im

Volumen von einer Billion Dollar erworben hat und in Sachen ihrer "Whatever it

Takes-Maßnahmen" wieder voranprescht, hat nun auch die Europäische Zentralbank

(EZB) zusätzlich zu den bereits laufenden Anleiheankäufen in einem Volumen von

360 Mrd. Euro weitere rund 750 Mrd. Euro in die Märkte gepumpt. "Ob damit aber

ein halbwegs funktionierender Markt am Laufen gehalten werden kann, ist

zweifelhaft. Zwar bleibt damit das niedrige Zinsniveau wahrscheinlich für viele

weitere Jahre fest zementiert, ob die Banken aber bereit sind, in einem derzeit

so unsicheren Umfeld Fremdfinanzierungen im üblichen Volumen auszureichen, darf

zumindest angezweifelt werden. Mehr denn je steigt die Bedeutung eines

ausreichenden Eigenkapitalanteils. Vor allem für Investoren, deren

Fremdfinanzierungsquote 50 bis 60 Prozent nicht übersteigt, könnten sich im

weiteren Zeitverlauf interessante Investitionsmöglichkeiten ergeben. Dabei

werden wir bestimmt auch einige Investoren asiatischer Herkunft sehen, die auf

solche Gelegenheiten warten", erklärt der JLL-Research-Chef.

Transaktionsvolumen* im ersten Quartal 2020 noch überhaupt nicht beeinflusst

In den ersten drei Monaten des Jahres haben sich die Auswirkungen der Covid-19

Krise noch nicht bemerkbar gemacht. Zahlreiche Prozesse und Transaktionen waren

bereits angeschoben oder befanden sich im Endstadium der Verhandlungen, so dass

ein "Deal freeze" oder ein Einbruch im Investmentmarkt zumindest in den Zahlen

noch nicht ersichtlich wird. "Gleichwohl dürfte der März dennoch eine Zäsur

bedeuten und die Auswirkungen werden sich wahrscheinlich dann zum Ende des

zweiten Quartals zeigen", vermutet Scheunemann.

Normalerweise würde man an dieser Stelle von einem Rekord berichten. Denn

zahlenmäßig lag das gesamtdeutsche Transaktionsvolumen im ersten Quartal 2020

bei rund 28 Mrd. Euro (18,3 Mrd. Euro gewerblich genutzte Immobilien und 9,7

Mrd. Wohnungstransaktionen). Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht dies

einer exorbitanten Steigerung von 82 Prozent. Darin enthalten sind teilweise

sehr großvolumige Unternehmensübernehmen und Beteiligungen (u.a. die fast

90%-ige Adler Beteiligung an Ado im Wohnungssektor oder die 77,8 %-ige

Beteiligung von Aroundtown an der TLG), die sich insgesamt auf 11,3 Mrd. Euro

summieren. Doch auch ohne diese indirekten Immobilientransaktionen wäre es

rückblickend ein sehr starkes Quartal gewesen. Auch gab es immerhin über 20

direkte Einzelabschlüsse mit einem Volumen von jeweils über 100 Mio. Euro,

überwiegend im Bürosektor.

"Eine Prognose für das Gesamtjahr kann aufgrund der derzeitigen Situation seriös

nicht formuliert werden. Es lassen sich aber einige signifikante Beobachtungen

jenseits aller negativer Erkenntnisse festhalten", betont Scheunemann:

- Es gibt nach wie vor eine Reihe institutioneller Investoren, die in Immobilen

anlegen möchten

- Bei bestimmten Produkten, insbesondere bei Büroimmobilien, sehen wir nach wie

vor eine Reihe an (hochpreisigen) Geboten

- Core Produkte werden in einer Krise besonders nachgefragt

Wie geht es weiter am deutschen Investmentmarkt? Die im Zuge des neu

entwickelten JLL-Thermometers befragten Investoren/Eigentümer gehen mehrheitlich

davon aus, dass das Transaktionsgeschehen auf dem Immobilieninvestmentmarkt in

Deutschland an Dynamik verlieren wird. Aber immerhin geben 48 Prozent der

Investoren an, dass sie an ihren Transaktionszielen für 2020 festhalten. Diese

Auswertungen sind ein erstes Indiz für den weiteren Jahresverlauf, genauso wie

die jüngst veröffentlichten Verlautbarungen zahlreicher institutioneller

Investoren, weiterhin aktiv investieren zu wollen. Die wesentlichen

Hinderungsgründe sind allerdings das Fehlen echter aktueller Marktwerte, in

Verbindung mit nicht möglichen physischen Objektbesichtigungen, was die

Preisfindung erschwert sowie die gestiegenen Restriktionen der Banken in Bezug

auf das Ausreichen von Fremdkapital. "Gerade die auf persönliche Kontakte so

stark ausgerichtete Immobilienbranche sehnt sich nach einer Lockerung der

Kontaktbeschränkungen. Ob sich nämlich digitale Besichtigungen vollumfänglich

durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Für Top Objekte ohne Renovierungs- oder

Sanierungsstau mag dies noch am ehesten möglich und akzeptabel sein", meint

Helge Scheunemann.

Insgesamt entfallen auf Einzeltransaktionen aktuell nur noch 39 Prozent des

Gesamtvolumens (10,8 Mrd. Euro), hier musste gegenüber dem Vorjahr ein leichtes

Minus konstatiert werden. Sehr deutlich zugelegt haben Portfolioverkäufe, unter

anderem auch gepusht durch die erwähnten Unternehmensübernahmen. Ihr

Quartalsergebnis liegt bei rund 17 Mrd. Euro, im Jahresvergleich ein Plus von

über 300 Prozent.

Anteil der Büroimmobilien sinkt - Diversifizierung und Risikobewusstsein der

Käufer steigt

Der Anteil der im ersten Quartal gehandelten Büroimmobilien liegt mit fast 18

Prozent zwar deutlich unter dem Jahreswert von 2019. Hier relativieren

allerdings die als Mischnutzung eingestuften Mega-Unternehmensübernahmen das

Bild. Dennoch flossen immerhin rund 5 Mrd. Euro in diese Assetklasse. Mehr als

doppelt so viel Volumen wurde für die Assetklasse Living registriert. Insgesamt

10,7 Mrd. Euro bezahlten Investoren für Wohnportfolios, Studentenwohnheime,

Mikroappartements oder Senioren- und Pflegeheime. "Auch wenn letztere aufgrund

der derzeitigen Viruspandemie unter besonderer Beobachtung stehen, dürften

Immobilien, die im weitesten Sinne etwas mit Gesundheit zu tun haben, zum

Beispiel Medizinische Versorgungszentren, Ärztehäuser, künftig noch stärker in

den Fokus der Investoren rücken", prognostiziert Helge Scheunemann.

Einzelhandelsgenutzte Immobilien kommen auf einen im Vergleich zum Vorjahr etwas

erhöhten Anteil von 15 Prozent (rund 4 Mrd. Euro). Davon waren deutlich über die

Hälfte Fachmärkte, Fachmarktzentren oder Supermärkte und Discounter. In Bezug

auf die Anzahl der Transaktionen waren es sogar 80 Prozent. "Die jüngsten

Ereignisse haben gezeigt, wie letztlich krisenresistent und wie wichtig die

Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist. Erste

Ergebnisse lassen erkennen, dass die Händlererlöse in diesem Sektor derzeit

stark wachsen. Davon profitieren auch die Immobilien. Sie werden im

Jahresverlauf eine weitere entsprechende Nachfrage auf sich ziehen", betont der

Research-Chef.

Logistikimmobilien kommen auf einen Anteil von rund 8 Prozent. Für diese

Nutzungsart ergibt sich aktuell und im Rückblick auf die vergangenen drei Monate

ein sehr gemischtes Bild. Auf der einen Seite reduzieren die von der

Unterbrechung der globalen Handelsströme betroffenen Logistiker ihre Lager

(Industrie, Automobil), auf der anderen Seite suchen Online-Händler und

Unternehmen der Lebensmittelbranche händeringend kurzfristig verfügbare

Lagerkapazitäten. So haben allein Edeka, Aldi und Rewe in den letzten Wochen

neue Mietverträge im Volumen von rund 1 Mio. m² unterschrieben. Gesucht werden

in erster Linie kleinere bis mittlere Hallenflächen am Rande der großen Städte

und vor allem flexible Mietvertragskonditionen. Für die nächste Zeit bleibt

abzuwarten, ob a) die positive Nutzernachfrage anhält und b) sich Investoren

auch für solche Objekte als Anlageprodukt interessieren werden.

Die restlichen Nutzungsarten summieren sich auf rund 6 Mrd. Euro, wobei gemischt

genutzte Objekte und Portfolios den weitaus größten Anteil auf sich vereinen

(4,9 Mrd. Euro). Darin enthalten sind auch Hotelimmobilien, die aufgrund der

massiven und anhaltenden Reisebeschränkungen eine der am schwersten betroffenen

Assetklassen ist. "Das grundlegende Interesse von Investoren ist allerdings nach

wie vorhanden, aufgrund der gestörten Cash Flows und der niedrigen

Auslastungsraten ist eine Preisfindung allerdings derzeit fast nicht möglich und

wird zumindest für die nächsten zwei Quartale anhalten", erklärt Scheunemann.

Unter den Big 7 warten München und Frankfurt mit einem deutlichen Plus auf

In der Aggregation über alle sieben Hochburgen hinweg entfallen rund 11,5 Mrd.

Euro auf diese großen Märkte. Das ist ein Anteil von über 40 Prozent am

gesamtdeutschen Transaktionsvolumen und entspricht einem Plus von 31 Prozent

gegenüber dem Vorjahresquartal. In München und Frankfurt legte das Volumen sehr

deutlich um 125 Prozent auf knapp 1,5 Mrd. Euro bzw. um 117 Prozent auf rund 2,4

Mrd. Euro zu. Auch Hamburg und Düsseldorf lagen im Plus. In Berlin hat sich das

Transaktionsvolumen auf hohem Niveau bestätigt, während in Köln und Stuttgart

Rückgänge von 15 Prozent bzw. 44 Prozent zu verzeichnen waren.

Deutlich zugenommen hat im ersten Quartal auch das Transaktionsvolumen außerhalb

der etablierten Märkte. Rund 16,5 Mrd. Euro wurden investiert, ein Plus im

Jahresvergleich von 148 Prozent. Hauptgrund für diesen deutlichen Zuwachs ist

die sehr heterogene regionale Verteilung der gehandelten Portfolios und

Unternehmensübernahmen. Neben diesen Transaktionen gab es aber auch einige

Einzel- und Portfoliotransaktionen im Bereich von 100 Mio. Euro, vor allem im

Logistik- und Einzelhandelssegment. "Sollten die Investoren in den nächsten

Wochen und Monaten eine eher defensivere Investitionsstrategie verfolgen, gehen

wir davon aus, dass der Anteil der Transaktionen außerhalb der Core Märkte

wieder an Dynamik verliert", so Helge Scheunemann.

Renditen bleiben in den meisten Assetklassen zunächst stabil

"Für die ersten drei Monate des Jahres beobachten wir in fast allen Assetklassen

keine Veränderung bei den Renditen in allen Nutzungsarten. Ein gewisser Druck

für bestimmten Asset- und Risikoklassen war zwar auch noch in den letzten drei

Monaten zu spüren, aufgrund der Entwicklungen im März ist eine Preisfindung

allerdings derzeit ungleich schwierig. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich

realitätsnahe Preise herauskristallisieren", so der Researcher.

Mit einer über alle sieben Hochburgen hinweg gemittelten Büro-Spitzenrendite von

2,93 Prozent verharrt das Preisniveau aktuell noch auf einem hohen Niveau. Im

12-Monatsvergleich sind es damit 13 Basispunkte weniger.

Im stationären Einzelhandel bleiben die Renditen im Schnitt bei 2,84 Prozent.

Mit Ladenschließungen und Verkaufsverboten gewinnt der schon lange im Gange

befindliche Transformationsprozess nun nochmals an Dynamik. Der Onlinehandel

gilt als Gewinner der Krise und gewinnt weitere Umsatzanteile, jetzt auch im

Lebensmittelbereich. In diesem Sog profitieren aber auch Nahversorgungszentren

(Supermärkte, Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker) und ziehen nach wie vor

das Interesse der Investoren auf sich. Für Fachmärkte liegen die Renditen

aktuell bei 5,00 Prozent und für Fachmarktzentren bei 4,20 Prozent. Nur bei

Shopping Centern gab es eine Veränderung nach oben, die bereits in den Monaten

vor Ausbruch der Krise zu beobachten war. Die Spitzenrenditen liegen nun bei

4,65 Prozent und damit 55 Basispunkte höher als noch vor 12 Monaten.

Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend sein, wohin die Renditen

tendieren. Aktuell rechnen wir mit keinen signifikanten Verwerfungen oder

Notverkäufen. Die in den letzten Jahren abgeschlossenen Finanzierungen sollten

überwiegend sehr solide gewesen sein. Es wird aber auch für die

Renditeentwicklung darauf ankommen, wie lange diese Krise anhält und wie tief

die Spuren sind, die sie in der Realwirtschaft hinterlassen werden. Eine noch

genauere objektspezifische Risikoeinschätzung insbesondere in Bezug auf die

Mieterstruktur ist das Gebot der Stunde. Dabei wird es auch darauf ankommen, in

welchem Umfang gewerbliche Mieter von der Möglichkeit einer Mietpreisstundung

Gebrauch machen werden", so Helge Scheunemann abschließend.

* Das Transaktionsvolumen umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und

Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien, gemischt genutzte

Immobilien sowie die Asset-Klasse Living mit Mehrfamilienhäusern und

Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung, Verkauf von

Unternehmensanteilen (ohne Börsengänge), Appartementhäuser, Studentenwohnen,

Senioren-/Pflegeimmobilien und Kliniken

Pressekontakt:

Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62984/4565009

OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL)

AXC0117 2020-04-06/09:13

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