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05.08.2020 | 18:47
Mit blauem Auge / Kommentar zur Commerzbank von Anna Sleegers
Frankfurt (ots) - Nach der Deutschen Bank hat nun auch die Commerzbank
unerwartet starke Quartalszahlen vorgelegt. Die beiden Großbanken, die in den
vergangenen Jahren nicht gerade zu den Lieblingsempfehlungen der Aktienanalysten
zählten, sind bislang überraschend gut durch die Krise gekommen. Bei der
Deutschen Bank überrascht das nur bedingt, weil das Institut global
bekanntermaßen zu den großen Adressen im Anleihegeschäft zählt, das wegen des
Runs auf Liquidität während des Lockdowns eine Sonderkonjunktur erlebte. Bei der
Commerzbank sieht das etwas anders aus: Weil sich das Institut stark in der
Finanzierung von kleineren und mittleren Unternehmen und Selbständigen
engagiert, waren große Belastungen aus faulen Krediten erwartet worden.
Tatsächlich steigen die Risikoausfälle aber offenbar deutlich weniger rasant als
befürchtet. Wie die Finanzchefin Bettina Orlopp erläuterte, materialisierten
sich im zweiten Quartal von den im Frühjahr als Risikopuffer gebuchten 111 Mill.
Euro lediglich 41 Mill. Euro. Das mag zum Teil an der von der Commerzbank
gepriesenen Qualität des eigenen Kreditbuchs liegen, zeigt aber auch, dass die
massiven Hilfsprogramme von Bund und Ländern die Wucht der Coronakrise offenbar
ganz gut abgefedert haben. Zwar wird die Zahl der Kreditausfälle in der zweiten
Jahreshälfte weiter steigen, wie der von Orlopp erwartete Anstieg des
Risikoergebnisses von -795 Mill. Euro im ersten Halbjahr auf bis zu -1,5 Mrd.
Euro bis Jahresende zeigt. Gelingt es jedoch, wie von den Volkswirten der
Commerzbank angenommen, einen zweiten Lockdown zu verhindern, könnten die
hiesigen Unternehmer und damit auch die Commerzbank mit einem blauen Auge durch
die Krise kommen. Der Hoffnung darauf mag der Kursanstieg geschuldet sein, mit
dem der Aktienmarkt die Quartalszahlen honorierte.
Doch auch, wenn die Aktie hier und da schon wieder zum Kauf empfohlen wird, ist
Vorsicht geboten. Wahl und Bestellung des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der
Commerzbank sind nur ein erster Schritt aus der Führungskrise. Ohne den
Großaktionär Bund wäre es dem Top-Management kaum gelungen, das Störfeuer zu
unterbinden, mit dem der Finanzinvestor Cerberus die Personalentscheidung zu
beeinflussen versuchte. Jetzt gilt es das Nachfolgeproblem an der Spitze des
Vorstands zu lösen. Wer immer in Martin Zielkes Fußstapfen tritt, muss mehr
Ehrgeiz und frische Ideen mitbringen, um Deutschlands Bank Nummer 2 von der
Rückendeckung aus Berlin unabhängig zu machen.
(Börsen-Zeitung, 06.08.2020)
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