Mit blauem Auge / Kommentar zur Commerzbank von Anna Sleegers

Frankfurt (ots) - Nach der Deutschen Bank hat nun auch die Commerzbank

unerwartet starke Quartalszahlen vorgelegt. Die beiden Großbanken, die in den

vergangenen Jahren nicht gerade zu den Lieblingsempfehlungen der Aktienanalysten

zählten, sind bislang überraschend gut durch die Krise gekommen. Bei der

Deutschen Bank überrascht das nur bedingt, weil das Institut global

bekanntermaßen zu den großen Adressen im Anleihegeschäft zählt, das wegen des

Runs auf Liquidität während des Lockdowns eine Sonderkonjunktur erlebte. Bei der

Commerzbank sieht das etwas anders aus: Weil sich das Institut stark in der

Finanzierung von kleineren und mittleren Unternehmen und Selbständigen

engagiert, waren große Belastungen aus faulen Krediten erwartet worden.

Tatsächlich steigen die Risikoausfälle aber offenbar deutlich weniger rasant als

befürchtet. Wie die Finanzchefin Bettina Orlopp erläuterte, materialisierten

sich im zweiten Quartal von den im Frühjahr als Risikopuffer gebuchten 111 Mill.

Euro lediglich 41 Mill. Euro. Das mag zum Teil an der von der Commerzbank

gepriesenen Qualität des eigenen Kreditbuchs liegen, zeigt aber auch, dass die

massiven Hilfsprogramme von Bund und Ländern die Wucht der Coronakrise offenbar

ganz gut abgefedert haben. Zwar wird die Zahl der Kreditausfälle in der zweiten

Jahreshälfte weiter steigen, wie der von Orlopp erwartete Anstieg des

Risikoergebnisses von -795 Mill. Euro im ersten Halbjahr auf bis zu -1,5 Mrd.

Euro bis Jahresende zeigt. Gelingt es jedoch, wie von den Volkswirten der

Commerzbank angenommen, einen zweiten Lockdown zu verhindern, könnten die

hiesigen Unternehmer und damit auch die Commerzbank mit einem blauen Auge durch

die Krise kommen. Der Hoffnung darauf mag der Kursanstieg geschuldet sein, mit

dem der Aktienmarkt die Quartalszahlen honorierte.

Doch auch, wenn die Aktie hier und da schon wieder zum Kauf empfohlen wird, ist

Vorsicht geboten. Wahl und Bestellung des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der

Commerzbank sind nur ein erster Schritt aus der Führungskrise. Ohne den

Großaktionär Bund wäre es dem Top-Management kaum gelungen, das Störfeuer zu

unterbinden, mit dem der Finanzinvestor Cerberus die Personalentscheidung zu

beeinflussen versuchte. Jetzt gilt es das Nachfolgeproblem an der Spitze des

Vorstands zu lösen. Wer immer in Martin Zielkes Fußstapfen tritt, muss mehr

Ehrgeiz und frische Ideen mitbringen, um Deutschlands Bank Nummer 2 von der

Rückendeckung aus Berlin unabhängig zu machen.

(Börsen-Zeitung, 06.08.2020)

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