Die Einsätze steigen / Kommentar zur Bankenaufsicht in Zeiten der

Coronakrise von Bernd Neubacher

Frankfurt (ots) - Die Einsätze der Bankenaufseher in der Coronakrise erhöhen

sich zusehends: Erst erlauben sie den Großbanken Eurolands, für schlechte Zeiten

angelegte Kapitalpuffer anzugreifen, dann zeigen sie sich mit Blick auf

Bilanzvorschriften zur Risikovorsorge sehr beweglich, inzwischen steht mit dem

Abschluss der Kapitalregeln von Basel III nicht weniger als das Finale des

zentralen Reformwerks infolge der Finanzkrise in Frage. Dass das damals in

Bewegung versetzte Pendel der Reregulierung zurückzuschwenken beginnt, wurde

erstmals im Dezember ruchbar, als Europas Aufseher ihre Anforderungen an die

Qualität des Eigenkapitals herunterschraubten. Nun gibt ihm die Coronakrise

kräftig Schwung - glücklicherweise hat die Bankenaufsicht, nachdem sie einen

guten Teil zur Finanzkrise beigetragen hatte, in den vergangenen Jahren wider

die Bankenlobby auf immer dickeren Eigenkapitaldecken beharrt. Von diesen können

die Institute vorerst zehren.

Eskaliert die Coronakrise aber weiter wie bisher, wird es bei den jüngsten

Lockerungen kaum bleiben. Ein Aufschub oder eine Verwässerung künftiger Baseler

Eigenkapitalregeln wirkt vor allem langfristig. Schlagen die beispiellosen

fiskalischen Hilfen nicht binnen weniger Wochen ein, müssen jedoch kurzfristige

Maßnahmen her, soll ein Ausfall von Schuldnern im großen Stil nicht bald Banken

auf breiter Front destabilisieren. Vor diesem Hintergrund ist es vermutlich eher

eine Frage von Tagen anstatt von Wochen, bis man die internationalen Regeln zur

Bildung von Risikovorsorge nicht flexibilisiert, sondern schlicht ausgesetzt,

solange das Schlimmste in der Coronakrise nicht überstanden ist.

Der entsprechende Bilanzstandard IFRS 9 stand schon vor Einführung Anfang 2018

im starken Verdacht, mit seinen rigorosen Vorgaben für den Fall der Erhöhung

eines Kreditrisikos in einem Konjunkturabschwung als Brandbeschleuniger in den

Bilanzen und letztlich in der Realwirtschaft zu wirken - wo Aufseher mit

antizyklischen Kapitalpuffern hantieren, hat der internationale Bilanzrat IASB

offenkundig einen prozyklisch wirkenden Standard in die Welt gesetzt, ohne

freilich für Fälle wie den einer Pandemie vorzusorgen. Wohl dem, der in diesen

Tagen nicht die auf maximale Transparenz getrimmten internationalen Regeln

einsetzt, sondern wie die allermeisten deutschen Institute nach

Handelsgesetzbuch bilanziert und stille Reserven hat bilden können. Sie dürften

bitter nötig sein - wie nach der Krise eine längere Debatte über die

Anforderungen an internationale Bilanzregeln.

(Börsen-Zeitung, 27.3.2020)

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