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26.03.2020 | 19:30
Die Einsätze steigen / Kommentar zur Bankenaufsicht in Zeiten der
Coronakrise von Bernd Neubacher
Frankfurt (ots) - Die Einsätze der Bankenaufseher in der Coronakrise erhöhen
sich zusehends: Erst erlauben sie den Großbanken Eurolands, für schlechte Zeiten
angelegte Kapitalpuffer anzugreifen, dann zeigen sie sich mit Blick auf
Bilanzvorschriften zur Risikovorsorge sehr beweglich, inzwischen steht mit dem
Abschluss der Kapitalregeln von Basel III nicht weniger als das Finale des
zentralen Reformwerks infolge der Finanzkrise in Frage. Dass das damals in
Bewegung versetzte Pendel der Reregulierung zurückzuschwenken beginnt, wurde
erstmals im Dezember ruchbar, als Europas Aufseher ihre Anforderungen an die
Qualität des Eigenkapitals herunterschraubten. Nun gibt ihm die Coronakrise
kräftig Schwung - glücklicherweise hat die Bankenaufsicht, nachdem sie einen
guten Teil zur Finanzkrise beigetragen hatte, in den vergangenen Jahren wider
die Bankenlobby auf immer dickeren Eigenkapitaldecken beharrt. Von diesen können
die Institute vorerst zehren.
Eskaliert die Coronakrise aber weiter wie bisher, wird es bei den jüngsten
Lockerungen kaum bleiben. Ein Aufschub oder eine Verwässerung künftiger Baseler
Eigenkapitalregeln wirkt vor allem langfristig. Schlagen die beispiellosen
fiskalischen Hilfen nicht binnen weniger Wochen ein, müssen jedoch kurzfristige
Maßnahmen her, soll ein Ausfall von Schuldnern im großen Stil nicht bald Banken
auf breiter Front destabilisieren. Vor diesem Hintergrund ist es vermutlich eher
eine Frage von Tagen anstatt von Wochen, bis man die internationalen Regeln zur
Bildung von Risikovorsorge nicht flexibilisiert, sondern schlicht ausgesetzt,
solange das Schlimmste in der Coronakrise nicht überstanden ist.
Der entsprechende Bilanzstandard IFRS 9 stand schon vor Einführung Anfang 2018
im starken Verdacht, mit seinen rigorosen Vorgaben für den Fall der Erhöhung
eines Kreditrisikos in einem Konjunkturabschwung als Brandbeschleuniger in den
Bilanzen und letztlich in der Realwirtschaft zu wirken - wo Aufseher mit
antizyklischen Kapitalpuffern hantieren, hat der internationale Bilanzrat IASB
offenkundig einen prozyklisch wirkenden Standard in die Welt gesetzt, ohne
freilich für Fälle wie den einer Pandemie vorzusorgen. Wohl dem, der in diesen
Tagen nicht die auf maximale Transparenz getrimmten internationalen Regeln
einsetzt, sondern wie die allermeisten deutschen Institute nach
Handelsgesetzbuch bilanziert und stille Reserven hat bilden können. Sie dürften
bitter nötig sein - wie nach der Krise eine längere Debatte über die
Anforderungen an internationale Bilanzregeln.
(Börsen-Zeitung, 27.3.2020)
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