Börsen-Zeitung: Trübsal am Aktienmarkt / Kommentar zu Lage an den

Aktienmärkten von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Die Rally, mit der die Aktienmärkte am Mittwoch

auf die Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten reagiert haben, hat

sich als kurzlebig erwiesen. Zum Wochenschluss war der Effekt

bereits verpufft, der Dax lag zuletzt mit 11.526 Zählern unwesentlich

über dem Niveau, auf dem er vor den Wahlen gelegen hatte. Mit dem

Wahlergebnis ist zwar ein Unsicherheitsfaktor vom Tisch, und es

entsprach auch den Erwartungen. De facto hat sich an der Ausgangslage

für die Aktienmärkte nicht viel verändert. Zwar wird Donald Trump

das Regieren mit einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus

schwerer fallen. Ein unberechenbarer Unruhefaktor wird der

US-Präsident jedoch bleiben.

Das gilt nicht zuletzt für den Handelskonflikt mit China, der die

Aktienmärkte seit geraumer Zeit hemmt und erhebliche Risiken für die

Weltwirtschaft und für die Aktienmärkte birgt. Unmittelbar vor den

Wahlen haben Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping zwar

versöhnlichere Töne angeschlagen. Für Trump erfüllte dies jedoch

zumindest teilweise den Zweck, sich vor dem Wahlvolk als

erfolgreicher Macher zu inszenieren. Es ist daher noch völlig

unklar, ob das Handelskonfliktrisiko mit dem Treffen von Trump und Xi

auf dem G20-Gipfel entschärft wird.

Ähnliches gilt aus Sicht der Aktienmärkte für die übrigen

"Baustellen". Ob ein Hard Brexit doch noch abgewendet wird, ist

ebenfalls unklar. Zudem schwelt der Konflikt zwischen der EU und

Italien um den Staatshaushalt des Landes unvermindert weiter. Die

Kommission hat in der abgelaufenen Woche Prognosen für das

italienische Wachstum veröffentlicht, die deutlich unter denen der

italienischen Regierung liegen. Daraus ergeben sich für 2018 und 2019

Haushaltsdefizite von 2,9% und 3,1%, deutlich mehr, als die

italienische Regierung mit 2,4% und 2,1% angesetzt hat. Diese

wiederum gab vor der am Dienstag fälligen Antwort auf die Bedenken

der EU klar zu verstehen, dass sie an ihrem Haushaltsentwurf

festhalten will.

Kein Wunder, dass die Aktienmärkte noch auf der Bremse stehen und

zögern, zu der von vielen erwarteten Jahresendrally anzusetzen. Zumal

sich auch das wirtschaftliche Umfeld eintrübt. In diesem Jahr wird

das globale Wachstum, anders als noch Anfang 2018 erwartet, nicht

anziehen, sondern leicht zurückgehen. 2019 wird der von Trump

gesetzte Fiskalimpuls schwinden, und mit den USA und China werden die

beiden größten Volkswirtschaften der Welt an Schwung verlieren, so

dass das globale Wachstum nochmals zurückgehen wird. Das ist gerade

für exportorientierte Industrienationen wie Deutschland ein Problem.

Nicht zu vergessen, dass die amerikanische Notenbank am Donnerstag

erneut ihren Zinserhöhungskurs bekräftigt hat.

Am inländischen Aktienmarkt wird die Stimmung durch die nicht

abreißenden Enttäuschungen durch die Unternehmensgewinnentwicklung

zusätzlich getrübt. Jüngstes Beispiel war am Freitag Thyssenkrupp.

Das Unternehmen schockte den Markt mit einer weiteren Gewinnwarnung,

woraufhin seine Aktie absackte.

Zu Beginn des Jahres hatten Analysten für die Dax-Unternehmen noch

ein aggregiertes Gewinnwachstum von 10% vorausgesagt. Diese

Spekulation, mit der die zuversichtlichen Dax-Prognosen begründet

wurden, ist gründlich danebengegangen. Mittlerweile geht der Konsens

von einem Rückgang um 3% aus. Nicht viel besser sieht es für das

kommende Jahr aus. Derzeit unterstellt der Konsens mit 11% ein

Gewinnwachstum in der Größenordnung der Prognosen, die vor einem Jahr

für 2018 abgegeben wurden. Angesichts des derzeitigen Umfelds dürften

auch diese Erwartungen enttäuscht werden.

Auf der Habenseite stehen unter anderem die gesunkenen

Bewertungen. Hinzu kommt, dass die Weltwirtschaft sich verlangsamt,

aber nach den derzeitigen Erwartungen auch im kommenden Jahr ein

durchaus zufriedenstellendes Wachstum aufweisen wird. Unübersehbar

sind aber die Abwärtsrisiken, die insbesondere vom Handelsdisput

zwischen den USA und China ausgehen. Der Konflikt muss dringend

entschärft werden, damit seine direkten Effekte und seine negativen

Wirkungen auf die Stimmung der Unternehmen und die

Investitionstätigkeit nicht zu einem schärferen Abschwung führen.

Damit bleiben die Augen der Anleger bis zum G20-Gipfel, der Ende des

Monats in Buenos Aires beginnt, auf den amerikanischen Präsidenten

gerichtet.

(Börsen-Zeitung, 10.11.2018)

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