Börsen-Zeitung: Rohkrepierer / Kommentar zum AMS-Rückzug bei Osram von

Joachim Herr

Frankfurt (ots) - Gäbe es eine Rangliste der Übernahmeangebote mit

der kürzesten Dauer, dann hätte die M&A-Welt ziemlich sicher einen

neuen Spitzenreiter. Nicht einmal sechs Stunden lagen zwischen den

Ad-hoc-Mitteilungen von Osram und AMS - und aus einem harten

Bieterwettbewerb wurde ein Rohrkrepierer.

Das Vorgehen des österreichischen Halbleiterkonzerns wirkt sehr

unprofessionell. Dessen Management musste doch damit rechnen, dass

Osram die Öffentlichkeit über das erwogene Angebot von 38,50 Euro je

Aktie sofort informiert. Schließlich liegt es 3,50 Euro über der

Offerte von Bain Capital und Carlyle.

Hätte Osram die mit Preisschild ausgestattete

Interessenkundenbekundung von AMS vorerst geheim gehalten, hätte sich

das Münchner Unternehmen der Gefahr von Aktionärsklagen ausgesetzt.

Offenbar erschreckte die von Osram verlangte und erfüllte Offenheit

die Österreicher so sehr, dass sie ihr Projekt noch vor einer Due

Diligence Knall auf Fall abbrachen.

Abenteuerlich erscheint auch der Finanzierungsplan von AMS. Die

Aufnahme von mehr als 4 Mrd. Euro Fremdkapital sollte zum Teil mit

einer Kapitalerhöhung refinanziert werden, über die erst die

Hauptversammlung hätte abstimmen müssen. Auch für die Darlehen hatte

AMS noch keine Zusage. Der Vorstand von Osram konnte in der

Ad-hoc-Meldung, üblicherweise eine sehr sachlich und nüchtern

formulierte Information, seine Zweifel an den Plänen aus Österreich

jedenfalls nicht verbergen.

Ganz nüchtern betrachtet, hätte eine Übernahme von Osram für AMS

durchaus eine Logik. Die Geschäfte beider Unternehmen überschneiden

sich wenig, ergänzen sich vielmehr gut. Auto- und

Smartphonehersteller sind für beide wichtige Kundengruppen. Außer

Synergien im Vertrieb wären auch Verbundvorteile in der Wertschöpfung

möglich: AMS fertigt komplette Module für Sensoren, Osram

Optohalbleiter, also Komponenten für Sensoren. Das klassische

Lichtgeschäft und digitale Anwendungen hätte AMS vermutlich

weiterverkauft.

Doch daraus wird nichts. AMS verpasste Bain Capital und Carlyle

nur eine Schrecksekunde. Der Aktienkurs von Osram bewegte sich am

Dienstag fast nicht und blieb deutlich unter den von den

Finanzinvestoren gebotenen 35 Euro. Das zeigt zweierlei: Der Markt

rechnet nicht damit, dass der - wenn auch missratene - Versuch von

AMS Startschuss für einen Bieterwettbewerb sein könnte. Und zweitens

bleibt die Skepsis groß, dass Bain und Carlyle die noch bei 70%

festgelegte Mindestannahmequote erreichen.

(Börsen-Zeitung, 17.07.2019)

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