Börsen-Zeitung: Die Taube auf dem Dach, Kommentar zu Linde von Joachim

Herr

Frankfurt (ots) - Besonders kreativ sind Aktienrückkäufe nicht.

Sie schaffen per se keinen zusätzlichen wirtschaftlichen Wert.

Managern, die sich dafür entscheiden, fehlen offensichtlich Ideen, um

mit Übernahmen oder Fusionen ihr Unternehmen voranzubringen.

Im Fall der Linde plc ist dies freilich anders. Es handelt sich

sogar um das Gegenteil: Die Fusion der Industriegasekonzerne Linde AG

und Praxair genehmigten mehrere Wettbewerbsbehörden rund um den

Globus nur mit Auflagen. Der erzwungene Verkauf von Konzernteilen in

Europa, Amerika und Asien bringt dem neuen größten

Industriegasekonzern der Welt weit mehr als 8 Mrd. Euro ein.

Wohin mit dem Geld? Auf dem M&A-Markt muss Linde auf lange Sicht

größere Ambitionen zügeln. Die Branche beherrscht ein Oligopol mit

jetzt nur noch drei Anbietern von globaler Bedeutung: Neben Linde

sind es Air Liquide und Air Products.

Abgesehen von dieser speziellen Ausgangslage ist eine Übernahme

oder Fusion immer mit dem Risiko des Scheiterns verbunden. Mit einem

Aktienrückkauf werden zumindest nicht Werte vernichtet. Die Risiken,

die ein Zusammenschluss mit sich bringt, muss auch Linde in den Griff

bekommen. Dazu zählen die Unterschiede zwischen Deutschland und den

USA in der Führung eines Unternehmens. Die zwei

Aktienrückkaufprogramme im Volumen von insgesamt 7 Mrd. Dollar

lassen sich als klarer Hinweis interpretieren: Linde wird schon bald

amerikanisch geprägt sein.

Gewiss, auch deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren

für Milliarden eigene Anteile erworben oder sind noch dabei, etwa

Siemens, Allianz, Munich Re, Covestro und Adidas. In den USA wird

dieses Instrument aber in sehr viel größerem Stil genutzt: Im Jahr

2018 haben Unternehmen geschätzt 1 Bill. Dollar dafür ausgegeben -

mehr als jemals zuvor. Die Steuerreform gab den Rückkäufen

zusätzlichen Auftrieb.

Welche Alternative hätte Linde? Eine Sonderdividende aus den

Verkäufen der Konzernteile käme bei den Aktionären bestimmt gut an

und gäbe dem Börsenkurs vielleicht mehr Schwung. Die Reaktion auf den

Rückkauf fällt recht reserviert aus. Klar, wenn die erworbenen

eigenen Anteile eingezogen werden, steigt rein rechnerisch der Gewinn

je Aktie. Das verbessert die Chancen für eine höhere Dividende. Doch

dabei geht es um eine Wette auf die Zukunft. Eine Sonderdividende in

bar gibt es gleich. Der Spatz in der Hand ist oft besser als die

Taube auf dem Dach. Und so klein wäre dieser Spatz gar nicht.

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AXC0260 2019-01-22/20:31

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