Börsen-Zeitung: Auf der abschüssigen Bahn / Kommentar zum Aktienmarkt

von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Auch in der gerade abgelaufenen Woche haben die

Aktienmärkte nicht gerade ermutigende Konjunktur- und

Unternehmensnachrichten empfangen. China meldete am Freitag einen

erneuten Rückgang seines BIP-Wachstums von 6,2% auf nur noch 6% im

dritten Quartal und verfehlte damit die Erwartungen der

Marktteilnehmer. Hinzu kam eine erneute Gewinnwarnung aus der

Automobilbranche. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen schockte die

neue Renault-CEO Clotilde Delbos den Markt mit der Erwartung, dass

der Erlös im laufenden Jahr um zwischen 3% und 4% sinken wird, sowie

mit einer Reduzierung der Prognose für die operative Marge von 6% auf

5%.

Nach wie vor ist von einer Stabilisierung des globalen Wachstums

nichts zu spüren, von der noch zu Jahresbeginn von vielen erhofften

Beschleunigung ganz zu schweigen. Vielmehr befinden sich die

Wachstumsraten unverändert auf der abschüssigen Bahn. Das schlägt

sich auch in den Prognosen nieder. Wie zu befürchten war, hat der IWF

seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr

weiter von 3,2% auf 3% gesenkt. Das ist mittlerweile weit weg von den

3,7%, die noch vor zwölf Monaten vorausgesagt wurden. Für das

kommende Jahr werden nun 3,4% prognostiziert, was immerhin eine

leichte Beschleunigung bedeuten würde. Aber auch die Erwartungen für

2020 befinden sich auf der abschüssigen Bahn, und es ist noch völlig

offen, ob im nächsten Jahr am Ende tatsächlich noch eine 3 vor dem

Komma zu sehen sein wird.

"Eskalierende Spannungen und eine mögliche Abkehr von der

multilateralen, auf Regeln beruhenden Handelsordnung zählen zu den

zentralen Gefahren für die globalen Konjunkturaussichten", so der IWF

vor einem Jahr. Doch seine Warnung vor einer Unterbrechung weltweiter

Lieferketten, höheren Preisen und einem Vertrauensverlust sowohl bei

Unternehmen als auch an den Finanzmärkten verhallte wirkungslos. Der

von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelskonflikt hatte

seither weitere zwölf Monate Zeit, seine schadhaften Wirkungen zu

entfalten. Sollten die derzeitigen Verhandlungen in den kommenden

Wochen zumindest zu einer Teileinigung führen, könnte diese

Entwicklung gestoppt werden. Deutliche Kurssteigerungen an den

Aktienmärkten wären die sehr wahrscheinliche Folge - und für Trump

mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr vielleicht

auch ein verlockendes Motiv. Ganz anders sähe es aus, wenn der

Konflikt noch lange weiter brodelt oder sich weiter verschärft.

Eine Entspannung in den Beziehungen der beiden rivalisierenden

größten Volkswirtschaften ist damit dringend notwendig, nicht zuletzt

auch angesichts der Tatsache, dass der derzeitige Konjunktur- und

Aktienzyklus mit mehr als zehn Jahren schon sehr alt ist. In einer

Studie kam der Daten- und Informationsdienstleister IHS Markit zu dem

Ergebnis, dass die vom Handelskonflikt ausgehende Verunsicherung die

Ausrüstungsinvestitionen in den USA um 100 Mrd. Dollar bzw. 0,5% des

BIP gedrückt hat, mit Folgen für die gesamte Weltwirtschaft.

Neben der Politik werden die Marktteilnehmer damit in den

kommenden Wochen die Konjunkturdaten auf Anzeichen einer

Stabilisierung oder weiteren Abschwächung abklopfen. Gleiches gilt

für die begonnene Berichtssaison der Unternehmen zum dritten Quartal.

Absehbar ist, dass die Saison zu einem weiteren Rückgang der

Konsensgewinnschätzungen für das laufende Jahr führen wird.

Allerdings weiß der Markt das. Zudem ist dieser Effekt durch die Flut

an zurückliegenden Gewinn- und Umsatzwarnungen bereits ein Stück weit

abgearbeitet. Wichtiger als die Zahlen (der Vergangenheit) werden

daher die Ausblicke der Unternehmen auf das kommende Jahr sein.

In den nächsten Tagen wird eine Vielzahl wichtiger Unternehmen die

Marktteilnehmer mit Stoff versorgen. So legen in den Vereinigten

Staaten unter anderem United Technologies am Dienstag, Boeing,

Caterpillar, Ford und Tesla am Mittwoch sowie am Donnerstag Intel und

Visa ihre Zahlen vor. Unter den Dax-Unternehmen legt SAP am Montag

ihre endgültigen Zahlen vor, gefolgt von BASF und Daimler am

Donnerstag. Im europäischen Ausland berichten unter anderem Novartis

und UBS am Dienstag, ABB, Akzo Nobel und Peugeot am Mittwoch, Air

Liquide und Michelin am Donnerstag sowie Barclays und Eni am Freitag.

(Börsen-Zeitung, 18.10.2019)

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