Das bisherige Jahr war an den Börsen neben den Kriegs- und Inflationssorgen vor allem von Leitzinsanhebungen geprägt. Die Notenbanken stehen nach der sehr expansiven Geldpolitik der letzten Jahre, unter anderem aufgrund der der Covid-Pandemie, auf der Bremse und nehmen über die Zinspolitik Liquidität aus dem Finanzkreislauf.

Neben dem eingetrübten Finanzumfeld deuten wichtige Indikatoren wie das Konsumentenvertrauen allmählich auf eine abgeschwächte Wirtschaftsdynamik. Auch der bisher noch sehr robuste US-Arbeitsmarkt zeigt Anzeichen einer Abkühlung. Die Sorgen vor einer Rezession werden vor allem an der Zinskurve bei US-Staatspapieren augenscheinlich: Kurzlaufende US-Staatspapiere rentieren derzeit deutlich höher als langlaufende Anleihen. „Dieses Phänomen einer inversen Zinskurve könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Vereinigten Staaten unmittelbar vor einer Rezession stehen oder sich bereits in einer befinden“, so Zemanek. Gleichzeitig sorgt die geänderte Zinspolitik der Notenbanken auch für eine gewisse „Normalisierung“ an den Anleihenmärkten. Die Zeiten von Negativrenditen bei festverzinslichen Wertpapieren scheinen vorerst vorbei. Während zu Beginn des Vorjahres weltweit Staatsanleihen im Umfang von rund 18.000 Mrd. US-Dollar eine negative Rendite aufwiesen, sind aktuell de facto nur noch japanische Staatspapiere von Negativrenditen betroffen. Im Schnitt befinden sich die Renditen von Staatsanleihen wieder auf den Niveaus der Jahre 2015 und 2016, was für Anleger:innen eine durchaus attraktive Einstiegsgelegenheit sein könnte, argumentiert Zemanek.Auch Unternehmensanleihen bieten wieder Chancen. So haben Corporate-Anleihen der Rating-Stufe Investment-Grade rein nominell, also vor Betrachtung der Inflation, relativ hohe Rendite-Niveaus von 2 bis 3 Prozent erreicht. Bei hoch rentierenden Unternehmensanleihen, den High-Yield-Anleihen, liegen die Rendite-Niveaus sogar zwischen 6 und 8 Prozent. „Das sind attraktive Margen, wenn man davon ausgeht, dass die Ausfallsraten nicht massiv ansteigen“, kommentiert Zemanek. Vor allem bei Investment-Grade-Anleihen weisen die Risikoaufschläge über die verschiedensten Sektoren hinweg eine breite Streuung auf. Eine Tatsache, die bei Corporate-Anleihen für aktives Fondsmanagement spricht.

Weitere Leitzinsanhebungen bis Jahresende erwartet.

„Nach einem schmerzhaften ersten Halbjahr sind die Chancen für Anleger:innen für das zweite Halbjahr besser“, führt Zemanek aus. Bei den Lieferketten sei mittelfristig mit einer Entspannung zu rechnen, was hinsichtlich der Inflationsthematik für Entlastung sorgen könnte. Bis Jahresende werden seitens der Federal Reserve in den USA und der Europäischen Zentralbank (EZB) noch weitere Leitzinsanhebungen folgen, die Dynamik wird sich jedoch abflachen, erwartet Zemanek. Die Geld- und Anleihenmärkte preisen derzeit bis Jahresende Leitzinsen von 3,75% in den USA (derzeit 2,25 bis 2,50%) und 1,25% bis 1,50% in der Eurozone (derzeit 0,50%) ein.

Das Basis-Szenario der Erste Asset Management geht von einer Wachstumsabschwächung im zweiten Halbjahr aus. Während der Abschwung in den USA vor allem notenbankgetrieben ist, belasten in der Eurozone überwiegend die stark gestiegenen Energiepreise. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs dürfte sich die EZB auch weiterhin eher zurückhalten und Leitzinsanhebungen nur solange es der makroökonomische Ausblick erlaubt, vornehmen. Im Falle einer Abkühlung rechnet Zemanek jedoch nicht mit einem schnellen Senken der Leitzinsen durch die Notenbanken im kommenden Jahr.

Die bestimmenden Themen werden weiterhin das Ende der geldpolitischen Notmaßnahmen und die Rückführung der Liquidität sein. Gleichzeitig bleiben die geopolitischen Spannungen ein großer Unsicherheitsfaktor.

 

Aus dem Börse Express PDF vom 19.08. hier zum Download

 

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