Neuer Bericht: Massive Umwelt- und Arbeitsrechtsverletzungen durch EU-finanzierte Minen. Südwind für schärfere Regeln beim Rohstoffabbau
12.02.2021 | 08:10
Missstände zeugen von mangelnden EU-Schutzbestimmungen – Faire Arbeitsbedingungen und Lieferketten gefordert sowie Klimapolitik im Einklang mit Natur und Menschenrechten
Wien/Brüssel (OTS) - Um den wachsenden Ressourcenbedarf für Informationstechnologien und erneuerbare Energien zu decken, plant die Europäische Kommission eine massive Steigerung des Rohstoffabbaus trotz mangelhafter Schutzbestimmungen. Der Vorstoß droht auf Kosten von Arbeiter*innen, lokalen Gemeinden und der Natur zu gehen. Zu diesem Schluss kommt der neue [Bericht „Raw Deal“]
(https://bankwatch.org/wp-content/uploads/2021/01/RAW-DEAL.pdf) von
Bankwatch, einer Partner-Organisation der österreichischen Menschenrechtsorganisation Südwind. „Der Kampf gegen die Klimakrise darf nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen. Die dringend benötigte Energiewende muss strengen Schutzmaßnahmen für Mensch und Natur unterliegen“, fordert Matthias Haberl, Experte für faire Elektronik bei Südwind und verweist dabei auf ein besonders drastisches Fallbeispiel aus Bulgarien: Um die EU-Gesundheitsstandards zu umgehen, wird in Europa abgebautes Gold zum Einschmelzen nach Namibia geschickt, bevor es in verarbeiteter Form zurück in die EU gelangt. „Diese gesundheits- und umweltschädlichen Abbaupraktiken müssen ein Ende haben. Die EU-Kommission muss daher eine konkrete Schutzstrategie vorlegen sowie einen Reduktionsplan im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft. Auch Österreichs Bundesregierung ist gefragt, sich auf EU-Ebene für wirksame Schutzbestimmungen und ein strenges Lieferkettengesetz stark zu machen.“
Der Bericht „Raw Deal“ belegt mehrere konkrete Fälle von drastischen Arbeitsrechtsverletzungen im Bergbau- und Metallurgie-Sektor. Dazu zählen eine Kupfermine im serbischen Bor, die gegen Eigentumsrechte und Umweltstandards verstößt, eine Goldmine in Armenien, die den Lebensraum des vom Aussterben bedrohten Persischen Leoparden bedroht sowie Minen im Senegal, die trotz Unterstützung der Europäischen Entwicklungsfinanzierung ohne transparente Gewährleistung der Sorgfaltspflicht (Due Diligence) betrieben werden. Dazu kommt der Goldabbau aus der Chelopech-Mine in Bulgarien. Der dort gewonnene Rohstoff wird in Namibia weiterverarbeitet, nachdem innerhalb der EU die geltenden Grenzwerte für Arsen überschritten würden. „Neben der enormen Klimabelastung gefährdet die aktuelle Klima- und Rohstoffpolitik der EU bewusst die Gesundheit von Arbeiterinnen und Arbeitern im Globalen Süden“, kritisiert Südwind-Experte Haberl.
In vielen Fällen stammt die Finanzierung dieser Abbaupraktiken von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie von der Europäischen Investitionsbank und damit von europäischen Steuergeldern. „Gerade bei wachsenden Industriezweigen müssen Ausbeutungs-freie Lieferketten garantiert sein. Die EU hat hier eine besondere Verantwortung und muss mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt Matthias Haberl. Laut Schätzungen der EU-Kommission steigt alleine bei den beiden Rohstoffen Lithium und Kobalt, die bei Fahrzeugbatterien und Energiespeicher zum Einsatz kommen, der Bedarf bis 2030 ums 18-fache beziehungsweise Fünffache. Bis zum Jahr 2050 werden laut Prognose europaweit sogar 60-mal mehr Lithium und 15-mal mehr Kobalt gefragt. Unter den aktuellen Abbaubedingungen droht damit zusätzlicher Druck für Arbeiter*innen und Natur.
Forderungen für faire Lieferketten in der Elektronikindustrie.
Südwind setzt sich im Rahmen des EU-Projekts 1Planet4All dafür ein, Menschen im Globalen Süden eine Stimme im klimapolitischen Diskurs zu geben. Die Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Wien fordert im Sinne der Klimagerechtigkeit eine Reduktion des Konsums und des Ressourcenverbrauchs im Globalen Norden bei gleichzeitiger Stärkung der Rechte von Arbeitnehmer*innen im Globalen Süden sowie einen verbindlichen Rechtsrahmen für transparente und faire Lieferketten.
Der Gesamtbericht „Raw Deal“ steht zum Download unter:
[bankwatch.org/raw-deal] (http://bankwatch.org/raw-deal)