Europäische Aktien sind günstig – und das aus gutem Grund. Die Reihe an Zwischenfällen und Unsicherheitsfaktoren ist lang und es gibt keine Garantie, dass sich dies in absehbarer Zeit ändert. Italien ist auf Konfrontationskurs mit der EU, die Franzosen demonstrieren, die Briten möchten ihre eigene Suppe kochen und der deutsche Automobilsektor ist angeschlagen.

Deshalb mag es etwas riskant erscheinen, dass wir gerade jetzt in europäischen Aktien eine Übergewichtung aufbauen und deren Anteil in unseren Portfolios erhöhen. Aber dafür gibt es gute Gründe Zum einen sind europäische Aktien wesentlich günstiger bewertet als US-Aktien. Gleichzeitig liegen die aktuellen Bewertungen von europäischen Aktien unter ihrem historischen Durchschnitt. Letzteres hält schon eine ganze Weile an.

Warum wir unsere Gewichtung erhöhen

Dass wir Europa nun stärker gewichten, ist großenteils einer Reihe anderer Faktoren geschuldet: 

  • Das europäische Wachstum ist in den vergangenen Quartalen fast zum Stillstand gekommen. Doch wir gehen davon aus, dass die Wirtschaftsdaten in den kommenden Monaten ihre Tiefstände überwinden und wir anschließend eine Belebung sehen.
  • Wir erwarten, dass die USA und China in den kommenden drei bis sechs Monaten ein Handelsabkommen beschließen werden und dies einen spürbar positiven Effekt auf europäische Aktien haben wird.
  • Außerdem rechnen wir damit, dass wir um einen „harten Brexit“ herumkommen, obwohl der 29. März, das Austrittsdatum Großbritanniens aus der EU, immer näher rückt. Das Risiko eines harten Brexits ist durchaus präsent, aber wir halten es für wahrscheinlicher, dass Großbritannien und die EU eine bessere Alternative erzielen werden, um einen vernünftigen Rahmen für den künftigen Handel sicherzustellen.
  • Zu guter Letzt ist in den europäischen Aktienkursen unseres Erachtens zu viel Negatives eingepreist. Oder anders ausgedrückt: Billig ist jetzt zu billig geworden.

Der Handelskrieg beeinträchtigt auch Europa

Es klingt vielleicht paradox, dass ein bevorstehendes Handelsabkommen zwischen den USA und China unseren Fokus auf Europa verstärkt. Aber die negativen Auswirkungen des Handelskriegs auf die chinesische Wirtschaft haben dazu geführt, dass die europäischen Exporteure unter einer niedrigeren Nachfrage aus China zu leiden hatten. 

Die schwächere Nachfrage hat dem bereits angeschlagenen deutschen Automobilsektor einen Dämpfer versetzt und zur Schwächung der deutschen Wirtschaft hat beigetragen. Aufgrund des starken Binnenhandels hat  sich die wirtschaftliche Abkühlung auf andere Länder in Europa ausgebreitet. Darüber hinaus hat der mögliche ungeordnete Abschied der Briten von der EU nicht zum Optimismus beigetragen und ein erschreckend schwaches Geschäftsklima bewirkt.

Aus diesen Gründen ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Übergewichtung in Europa, weil es nur einen begrenzten Fokus auf europäische Aktien gibt. Es kann noch eine Weile dauern, bis die USA und China ein Handelsabkommen abschließen. Die Briten können ihrerseits den Zirkus rund um den Brexit noch weiter in die Länge ziehen. Doch würde man  geduldig abwarten, bis sich alles geregelt hat, dann hätten die Aktienmärkte diese Szenarien bis dahin schon längst eingepreist. Daher ist Abwarten eine denkbar schlechte Option.

Fokus auf Qualität, Industrie und Gesundheit

Da unsere Hauptszenarien von einer vernünftigen Klärung des Brexits und des Handelskriegs ausgehen, ist Handeln geboten. Gleichzeitig erwarten wir, dass die europäischen Unternehmensergebnisse in nächster Zeit gut genug ausfallen werden, sodass Anleger das Potenzial von europäischen Aktien erkennen und  die Lust auf Europa wiedergewinnen 

Bei unserer europäischen Übergewichtung konzentrieren wir uns insbesondere auf sogenannte Qualitätsaktien, die vor allem in unruhigen Zeiten robuster sind. Darunter fallen Unternehmen, die eine Reihe besonderer Merkmale aufweisen, zum Beispiel ein stabiles Gewinnwachstum, eine hohe Eigenkapitalrendite und einen niedrigen Fremdkapitalanteil, das heißt sie haben ein relativ begrenztes Schuldenniveau. Qualitätsaktien sind der  „Volkswagen des Aktienmarkts“. Unsere bevorzugten Branchen in Europa sind Industrie und Gesundheit mit Finanzen als möglichem Joker.

Deshalb reduzieren wir US-Titel

Im Gegensatz zu unserer neuen Übergewichtung in Europa haben wir entschieden, unsere Ausrichtung auf US-Aktien zu reduzieren, wo wir nun untergewichtet sind. Letztes Jahr haben sich US-Aktien besser entwickelt als der Rest der Welt, doch diese Phase ist unserer Ansicht nach beendet.

Die US-Wirtschaft wird weiterhin von Donald Trumps Steuerreform profitieren, aber die USA sind im Wirtschaftszyklus weiter fortgeschritten als der Rest der Welt – das wird zu einem Hemmschuh für US-Unternehmen werden. Ein angespannterer Arbeitsmarkt mit höheren Löhnen setzt die Margen unter Druck,  außerdem bringen höhere Zinsen höhere Zinsaufwendungen und niedrigere Gewinne mit sich. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich die US-amerikanischen Unternehmensgewinne tendenziell schwächer entwickeln werden als die europäischen.

Gleichzeitig sehen wir ein steigendes Risiko, dass ein Handelsabkommen zwischen den USA und China zunächst nicht den IT-Sektor umfassen wird, denn die Partner haben in ihren Verhandlungen noch einige harte Nüsse zu knacken. Ist das der Fall, kann dies den IT-Sektor beeinträchtigen, der am US-Aktienmarkt sehr viel mehr Gewicht hat als am europäischen Markt.