Arbeiterkammer und Schuldnerberatungen schlagen Alarm

Wien (OTS) - Die Arbeiterkammer hat neue Zahlen zur Armut in Österreich vorgestellt: Nimmt man die Referenzbudgets der Schuldenberatungen als Maßstab, kann sich bereits jeder fünfte Mensch in Österreich die notwendigen monatlichen Ausgaben nicht mehr leisten.

Normalerweise und offiziell wird Armut ausschließlich anhand des Haushalts-Einkommens gemessen. Was dabei keine Berücksichtigung findet, ist die Frage, ob die Lebenshaltungskosten dadurch auch tatsächlich beglichen werden können. Gerade in Zeiten der Teuerung ist das ein immer größer werdender blinder Fleck.

Die AK hat von der Statistik Austria auswerten lassen, wie viele Menschen in Österreich aktuell von Armut betroffen sind, wenn die Referenzbudgets der Schuldenberatungen herangezogen werden. Demnach kann sich jeder fünfte Mensch in Österreich die notwendigen monatlichen Ausgaben nicht leisten.

Die Referenzbudgets der staatlich anerkannten Schuldenberatungen schlüsseln je nach der Anzahl von Kindern und Erwachsenen in einem Haushalt auf, welches Einkommen zur Deckung der monatlichen fixen Ausgaben bei bescheidener Lebensführung notwendig ist. „Um die Kosten für Miete, Energie, Verkehr, Schulkosten, Kleidung etc. decken zu können, braucht beispielsweise eine Familie mit zwei Kindern 3.819 Euro im Monat. Eine alleinerziehende Person mit einem Kind benötigt 2.307 Euro im Monat“, erläutert Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich.
Allerdings sind diese Budgets auf Basis des Verbraucherpreisindex 2021 erstellt worden – seither ist die Inflation massiv gestiegen:
Nimmt man diese seit Dezember 2021 dazu, liegen die Preise um 9,7 Prozent höher. Dadurch steigt der Mindestbedarf der Familie mit zwei Kindern um weitere 370 Euro im Monat und jenes der alleinerziehenden Person mit einem Kind um 224 Euro im Monat.

„Bei den Referenzbudgets geht es nicht um trockene Zahlen oder abstrakte Berechnungsmethoden“, betont AK Präsidentin Renate Anderl. „Es geht darum, exakte Daten zu haben, um den Menschen gezielt helfen zu können. Der Sozialstaat muss Armut verhindern und Betroffene wirksam unterstützen. Dafür ist es einerseits notwendig, eine fundierte Datengrundlage zu schaffen und andererseits die Definition von Armutsbetroffenheit zu überdenken.“

Auch das Existenzminimum - dieses liegt derzeit bei 1.030 Euro (Grundbetrag bei 14 Bezügen) – reicht in Zeiten der Teuerung nicht mehr zum Leben. „Die Schuldenberatungen fordern eine spürbare Anhebung des Existenzminimums, also jenes Betrags, der einer überschuldeten Person bei der Pfändung ihres Einkommens oder im Privatkonkurs verbleibt und mit dem alle Lebenskosten bestritten werden müssen. Außerdem ist es dringend nötig, die Förderungen zum Ausgleich der Teuerung gezielter an jene Menschen auszuzahlen, die darauf angewiesen sind. Nur so können existenzbedrohende Situationen und Armut aufgrund der aktuellen Entwicklung verhindert werden“, sagt Clemens Mitterlehner.

„Wir brauchen dringend die dauerhafte Anhebung von Sozialleistungen und treffsichere Maßnahmen für von der Teuerung am stärksten Betroffenen,“ fordert AK Präsidentin Renate Anderl.

Trotz gescheiterter Reform ist es notwendig, die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf ein armutsfestes Niveau anzuheben und Notstandshilfe an die Inflation anzupassen. Zudem ist eine staatliche Unterhaltsgarantie für Kinder von Alleinerziehenden; eine Reform der Mindestsicherung/Sozialhilfe inkl. Rückkehr von Höchst- zu Mindestsätzen, sowie die Anhebung des Richtsatzes und der „Mindestpension“ (Ausgleichszulagenrichtsatzes) zumindest auf die Armutsgefährdungsschwelle notwendig.

Zu den Referenzbudgets (Budgetbeispielen) der Schuldenberatungen:
https://www.ots.at/redirect/schuldenberatung5