Viele Vermögensverwalter verfolgen das gleiche Ziel: Sie sind auf der Suche nach Aktien qualitativ hochwertiger Unternehmen, in die es lohnt, zu investieren. Dieser, im Fachjargon „Quality Investing“ genannte Ansatz, bietet viele Vorteile und hat in der Praxis gezeigt, dass er funktioniert. Doch die Frage, was Qualitätsaktien ausmachen, ist gar nicht so einfach zu beantworten.

Interessant ist zunächst, dass für „Quality Investing“ keine genaue Definition existiert. In der akademischen Kapitalmarktforschung sind nur sehr wenige Studien zu dem Thema veröffentlicht worden. Der Grund: Die Qualität eines Unternehmens lässt sich allein mit Zahlen kaum greifen. Weiche Faktoren wie die Qualität des Managements oder die langfristig verfolgte Unternehmensstrategien spielen bei der Beurteilung der Qualität auch eine Rolle. Dieser Umstand stellt für die empirische Forschung eine nicht zu lösende Herausforderung dar. Dennoch haben Vermögensverwalter diverse Strategien entwickelt, welche mithilfe fundamentaler Kennzahlen Qualitätsunternehmen identifizieren sollen. Dabei wird in der Regel auf Themen wie die Profitabilität eines Konzerns, dessen Verschuldung oder die Gewinnstabilität geachtet. Attraktive fundamentale Kennzahlen sind aber nur die Folge der zugrunde liegenden Qualität des Unternehmens. „Quality Investing“ umfasst einiges mehr.

Das wichtigste Kriterium zur Bestimmung der Qualität ist die Wettbewerbsstärke bzw. die Frage, wie ausgeprägt und nachhaltig die Wettbewerbsvorteile sind. Warren Buffet hat dafür den Begriff des „Schutzwalls“ geprägt. Dieser kann ganz unterschiedlicher Natur sein. Manche Qualitätsunternehmen verfügen über herausragende immaterielle Vermögenswerte wie eine starke internationale Marke oder eine kaum kopierbare, eigenständige Technologie. Hohe Wechselkosten für die Kunden eines Unternehmens sind ebenfalls ein Qualitätsmerkmal. Andere Konzerne profitieren von Skaleneffekten (mit der Unternehmensgröße steigt die Effizienz, so dass kleinere Wettbewerber aus dem Markt gedrängt werden) oder – wie es vor allem bei Online-Konzernen zu beobachten ist - von Netzwerkeffekten: Je größer die Zahl der User wird, desto wertvoller die Plattform.

In der Praxis ist zu beobachten, dass Qualitätsunternehmen oftmals mehrere Wettbewerbsvorteile in sich vereinen. Daraus resultieren wiederum starke operative Kennzahlen. So sind Qualitätsunternehmen oftmals überdurchschnittlich profitabel, und zwar nicht nur temporär, sondern über einen sehr langen Zeitraum. Dass sie meist über einen hohen Cash Flow verfügen, also einen starken Liquiditätszustrom aus dem operativen Geschäft, ist der Kapitalbedarf äußert niedrig. Diese überschüssige Liquidität können die Gesellschaften für drei Dinge einsetzen: in Wachstum investieren, Dividenden auszahlen bzw. eigene Aktien zurückkaufen oder Schulden zurückzahlen. Meistens ist die Verschuldung von Qualitätsunternehmen jedoch relativ niedrig (oder gar nicht vorhanden), sodass sie sich auf das Wachstum konzentrieren und die Aktionäre durch Dividenden oder Aktienrückkaufprogramme am Unternehmenserfolg teilhaben lassen können. Ein gutes Management wird dabei immer versuchen, Wettbewerbsstärke und Profitabilität zu steigern. Wachstum um jeden Preis steht dagegen nicht auf der Agenda.

Des Weiteren ist es wichtig, auf die Zyklizität des Geschäftsmodells bzw. der Branche zu achten. Optimal ist, wenn ein Unternehmen kontinuierlich steigende Gewinne bzw. Cash-Flows erwirtschaften kann. Dies ermöglicht dem Management eine gute Planbarkeit und eine transparente Kapitalmarktkommunikation. Immer wichtiger wird zudem das Thema Nachhaltigkeit. Eine steigende Zahl von Investoren legt ihr Geld nur noch in Unternehmen an, die hinsichtlich der ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in der ersten Liga spielen.

 

Die Gründe des Erfolgs

 

Ein „Quality Investing“-Ansatz führt aus mehreren Gründen zum Erfolg. Einer der Hauptgründe ist die sogenannte „Zeitarbitrage“. Kurz gesagt profitiert man als Investor davon, dass man einen deutlich längeren Investmenthorizont verfolgt als die Mehrzahl der Anleger. Die zunehmende Schnelllebigkeit auf der Welt hat über die Jahrzehnte auch die Börse erfasst. Während laut verschiedener Studien die durchschnittliche Haltedauer einer Aktie in den 60er Jahren noch zwischen fünf und zehn Jahren lag, sind wir nun bei einer Haltedauer von gerademal gut einem Jahr angelangt. Aktuellen Ereignissen oder Entwicklungen wird ein besonderes Gewicht beigemessen. Umgekehrt besagt eine Faustregel, dass Ereignisse und Entwicklungen, welche mehr als 18 Monate in der Zukunft liegen, sich im Wesentlichen nicht im Aktienkurs widerspiegeln. Quality-Investoren versuchen, weiter in die Zukunft zu blicken. Zum einem sind Qualitätsunternehmen nicht so schnell von temporären Ereignissen zu erschüttern, zum anderen erholen sie sich deutlich leichter von Rückschlägen als Firmen geringerer Qualität. Kursrücksetzer stellen somit oftmals eine gute Einstiegschance dar. Insbesondere in Krisenzeiten werden die Aktien von Qualitätsunternehmen als sicherer Hafen genutzt. Aus diesem Mix von herausragenden Unternehmenseigenschaften und dem typischen Investorenprofil resultieren in der Regel eine niedrigere Volatilität der Aktie sowie geringere Rücksetzer in Schwächephasen.

Kurzfristiges Denken beeinflusst auch das Thema Unternehmensbewertung. Qualitätsaktien erscheinen den meisten Marktteilnehmern relativ teuer. Eines der populärsten Bewertungsmodelle, welches von Aktienanalysten zur Bewertung und Herleitung von Kurszielen genutzt wird, basiert auf der Abdiskontierung zukünftiger freier Cashflows. Üblicherweise werden Wachstum und Margen für die kommenden zwei bis drei Jahre möglichst genau prognostiziert. Für die darauffolgenden Jahre wird ein abnehmendes Wachstum erwartet, spätestens ab dem elften Jahr wird eine Wachstumsrate angenommen, die der Inflationsrate entspricht. Im Endeffekt also Null-Wachstum. Echten Qualitätsunternehmen gelingt es jedoch oftmals, Cashflow und Gewinn über mehrere Jahrzehnte hinweg zu steigern. Sei es durch Umsatzwachstum, sei es durch den Rückkauf eigener Aktien. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Zukäufe oder das Vordringen in neue Geschäftsfelder wird von den Unternehmen im Vorfeld meist nicht kommuniziert und bietet somit positives Überraschungspotenzial. Zumal diese Faktoren in den Analystenschätzungen nicht integriert werden.

Als Quality-Investor setzt man darauf, dass Qualitätsunternehmen durch ihre ausgeprägte Wettbewerbsstärke und Innovationskraft den Firmenwert über viele Jahre hinweg steigern können. Insbesondere die Innovationskraft erfordert ein hohes Maß an Phantasie, was die Bewertung dieser Gesellschaften zum Teil unmöglich macht. Ein Beispiel: Um Amazon zu Beginn der 2000er Jahre rückblickend fair bewerten zu können, hätte man die Cloud-Computing-Technologie voraussagen und prognostizieren müssen, dass ausgerechnet der Onlinehändler den Großteil seiner operativen Gewinne mit dieser Technologie verdienen würde.

 

Die Attraktivität hat mehrere Gründe

 

Die Attraktivität eines Quality-Ansatzes beruht also auf mehreren Punkten: Eine relativ niedrige Volatilität, vergleichsweise geringe Rücksetzer in allgemeinen Schwächephasen und der Status des sicheren Hafens in Krisenzeiten ermöglichen eine vergleichsweise risikoarme Aktienanlage. Durch die mittel- bis langfristige Ausrichtung und die damit einhergehende Investitionsdauer vermeidet man die steuerlichen Nachteile kurzfristig ausgelegter Strategien. Ein hoher Portfolioumschlag bzw. eine kurze Haltedauer und eine damit einhergehende regelmäßige Versteuerung von Aktiengewinnen hat einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf den Zinseszinseffekt der Renditen. Des weiteren lassen sich ESG-Aspekte gut in einen Qualitäts-Ansatz integrieren. Und: Vollautomatische, auf Algorithmen oder künstlicher Intelligenz basierende Strategien haben es schwer, die Qualität von Unternehmen zu beurteilen. Das Problem, Qualität zu quantifizieren, ermöglicht gerade klassischen Vermögensverwaltern einen Wettbewerbsvorteil, um nachhaltig erfolgreich zu investieren. Es ist zwar nicht garantiert, dass man mit einem Quality-Ansatz Jahr für Jahr zufriedenstellende Ergebnisse erzielt, über einen langen Zeitraum führt an Qualitätsaktien aber kein Weg vorbei.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.