Der frühere Spitzenbeamte im Finanzministerium, Josef Mantler, hat heute im Zeugenstand beim Grasser-Prozess wieder stundenlang zu Details der Privatisierung der Bundeswohnungen ausgesagt. Der Hauptangeklagte Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser habe alleine ohne Kommission die Abhaltung einer zweiten Bieterrunde entscheiden können, sagte Mantler am Tag 83 im Prozess.

"Die Kommission hat ja keinerlei Verbindlichkeit, das ist eine reine Beratungsmaßnahme, wenn der Minister zum Ergebnis kommt dass er keiner Beratung bedarf konnte er selber entscheiden", sagte der frühere Abteilungsleiter im Ministerium, der selber Mitglied der Auswahlkommission für die Bundeswohnungen war. Richterin Marion Hohenecker hatte gefragt, warum nach der am 4. Juni 2004 erfolgten Öffnung der Angebote für die Bundeswohnungen am darauffolgenden Montag, dem 7. Juni 2004, bei einem Treffen im Ministerium die Abhaltung einer zweiten Runde entschieden wurde, obwohl doch für den 8. Juni eine ordentliche Kommissionssitzung der Auswahlkommission angesetzt war, die sich eigentlich mit dem Prozedere beschäftigen sollte.

Der Unterschied: Bei dem Treffen am 7. Juni war Grasser dabei. Grasser war aber kein Mitglied der Auswahlkommission, wäre also am 8. Juni nicht bei der Kommissionssitzung dabei gewesen. Bei dem Treffen am 7. Juni habe die den Privatisierungsprozess begleitende Investmentbank Lehman Brothers empfohlen, eine zweite Runde durchzuführen, sagte Mantler. Grasser habe das dann so entschieden, die Kommissionssitzung am 8. Juni wurde vom Kommissionsvorsitzenden Rainer Wieltsch abgesagt. Als Grund für die zweite Angebotsrunde nannte Mantler heute, dass ein Bieter, nämlich das Österreich-Konsortium, ein Zusatzangebot gemacht habe, das betragsmäßig nicht einstufbar gewesen wäre. Das Konsortium hatten angeboten, dass beim Verkauf von mehr als 120 Bundeswohnungen pro Jahr der Gewinn mit dem Bund geteilt werde, und zwar über zehn Jahre lang.

Der Vertreter der privatbeteiligten CA Immo, Johannes Lehner, wies heute daraufhin, dass der Unterschied zwischen dem Erst- und Zweitgereihten in der ersten Runde 89 Millionen Euro gewesen seien. Um diesen Betrag lag das Angebot der CA Immo vor dem des Österreich-Konsortiums. Auch durch Wohnungsverkäufe bzw. Gewinnteilung daraus hätte sich diese Reihung nicht verringern können, so Lehner. Außerdem habe das Österreich-Konsortium mit dem Zusatzangebot nicht den Anbotserfordernissen entsprochen. Warum habe man das Anbot nicht gleich zurückgewiesen, da es nicht den Formalerfordernissen entsprochen habe, sondern im Gegenteil eine zweite Runde ermöglicht? "Das wäre möglicherweise ein Weg gewesen", meinte Mantler, das habe man aber nicht gemacht.

Warum sei vom vorgesehenen Prozedere abgewichen worden und die Kommissionssitzung vom 8. Juni einfach abgesagt worden, wollte Richterin Hohenecker wissen. Der Zeuge meinte, dass durch das Treffen vom 7. Juni die Kommissionssitzung eben hinfällig geworden sei. Vermutlich hätte die Kommission dieselbe Empfehlung von Lehman bekommen und genauso wie Grasser entschieden, meinte er. Die Einladung für den 7. Juni sei wohl vom Ministerbüro gekommen, sagte Mantler. Die Sitzung am 7. Juni sei aus seiner Sicht zunächst nur eine "Informationssitzung" gewesen, dann habe aber Grasser dort die zweite Bieterrunde verfügt.

Mantler wurde in seiner Zeugenbefragung auch zur Zahl 960 Mio. Euro befragt. Das war die Gesamtinvestitionssumme, die von der Bank Austria in der Finanzierungszusage für die CA Immo angegeben wurde. Diese Zahl war in der Sitzung am 7. Juni in den Unterlagen von Lehman Brothers enthalten. "Ich kann mich nicht erinnern, dass das ein wesentlicher Punkt bei der Besprechung war", so Mantler heute. Er habe erst in den Medienberichten Jahre nach der Privatisierung erfahren, welche Bedeutung dieser Zahl zugemessen werde.

Die Frage, wer die zweite Runde entschieden hat, ist deswegen wichtig, weil in der ersten Bieterrunde die CA Immo deutlich vor dem Österreich-Konsortium lag. Erst in der zweiten Runde lag dann das Österreich-Konsortium vorne und gewann die Privatisierung. Daraufhin zahlte die Immofinanz, Teil des Konsortiums, im Geheimen eine Provision von einem Prozent des Kaufpreises an Peter Hochegger und Walter Meischberger. Laut Anklage haben Meischberger, Grasser und der mitangeklagte Makler Ernst Karl Plech durch Weitergabe von Insiderinformationen an das Konsortium die Privatisierung manipuliert und im Gegenzug die Millionenprovision erhalten. Grasser, Plech und Meischberger bestreiten dies, Hochegger hat ein Teilgeständnis abgelegt.

Mantler wurde auch dazu befragt, ob er Wahrnehmungen habe, dass der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) Einsicht in das Privatisierungsverfahren gehabt habe? Nein, dazu habe er keine Wahrnehmungen, so Mantler.

Eine zweite Runde sei von der Auswahlkommission, der er selber als Spitzenbeamter angehörte, ursprünglich nicht vorgesehen gewesen, sagte Mantler. Es war lediglich vorgesehen, bei sehr knappem Abstand der Gebote noch einmal nachzuverhandeln. Der Abstand der Gebote war allerdings in der ersten Runde nicht knapp. Als dann nach der zweiten Runde die beiden Bieter sehr knapp beieinanderlagen wurde nicht mehr nachverhandelt.

In der Befragung durch Grassers Anwälte sagte Mantler, er sei der Ansicht dass die Privatisierung der Bundeswohnungen korrekt abgelaufen sei. Ausschlaggebend für die zweite Bieterrunde sei das nicht bezifferbare Zusatzangebot des Österreich-Konsortiums sowie das Zinsänderungsrisiko gewesen. Dieses hatte allerdings nur die CA Immo angegeben. Es sei damals aber sicherlich bewusst gewesen, dass nicht nur die eine Bank ein Problem damit hatte, sondern auch die andere, sagte Mantler.

Für zahlreiche Fragen sorgte auch ein Aktenvermerk von Mantler, den er am 7. Juni 2004 verfasst hatte. Darin heißt es, dass "in Abstimmung mit dem HBM (Grasser, Anm.)" entschieden wurde, das Steigerungspotenzial in einer zweiten Runde zu nutzen. Weiters heißt es, dass die für 8. Juni vorgesehene Kommissionssitzung entfalle: "Wieltsch hat mit Email vom 4. 6. bereits alle Kommissionsmitglieder verständigt". Während Mantler zunächst von einem Schreibfehler sprach, dass statt 4.6. hier 7.6 - der Tag der Sitzung - stehen müsse, meinte er später, dass vielleicht Wieltsch tatsächlich schon am 4. Juni das Mail geschrieben habe um die Sitzung vom 8. Juni abzusagen. Wieltsch hätte vielleicht bereits am 4. Juni von Heinrich Traumüller verständigt worden sein können, so Mantler heute.

Nach rund fünfeinhalbstündiger Befragung wurde Mantler als Zeuge entlassen. Nun folgt die Befragung von Heinrich Traumüller, ehemals Kabinettschef von Grasser.

gru/stf/bel

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