3 Millionen US-Dollar! Nein, es handelt sich dabei nicht um den Jahresetat einer der unzähligen explosiven österreichischen Waldstädte, sondern um das Preisgeld, das Dominic Thiem vergangenen Sonntag für seinen Finalsieg bei den US Open einstrich. Als gelernter österreichischer Sportfan konnte man seinen Augen kaum trauen, denn es sah für lange Zeit wieder nach einer gewohnt schmerzhaften Erfahrung für das leidgeprüfte heimische Sportvolk aus: Im Finale gegen einen Deutschen, 0:2 Satzrückstand und Break im Dritten kassiert. Besonders im entscheidenden fünften Satz wurden beim 3:5 Rückstand Erinnerungen an die ehemalige österreichische Nummer 1 Jürgen Melzer und das für viele Sportbegeisterte bekannte Adjektiv „vermelzern“ wach. Mit einer mentalen Meisterleistung konnte Thiem jedoch das Ruder doch noch herumreißen und den Sieg in einem wahren „Hitchcock-Tennisthriller“ an sich reißen. Dies führte dazu, dass Thiem sich wie bereits erwähnt nun weitere 3 Mio.US-Dollar an Gewinnausschüttungen gesichert hat und sein Karrierepreisgeld auf rund 27 Mio. US-Dollar hochschrauben konnte. Doch während im Tennis noch fleißig Gewinnausschüttungen vorgenommen werden, ist dies andernorts in „Coronazeiten“ nicht immer der Fall.

Die Raiffeisen Bank International veröffentlichte vergangene Woche, dass man der Empfehlung der EZB folgen wird und im laufenden Kalenderjahr keine Dividende ausschütten wird. Jedoch, aufgeschoben ist (noch) nicht aufgehoben. Der Vorstand beabsichtigt, Anfang 2021 neuerlich zu evaluieren, ob im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung eine nachträgliche Ausschüttung des im Geschäftsjahr 2019 ausgewiesenen Bilanzgewinns vorgeschlagen werden soll. Die Meldung stellte insgesamt keine besonders große Überraschung mehr dar, nachdem RBI-CEO Johann Strobl sich zuletzt bei der Präsentation der Halbjahresergebnisse bereits sehr pessimistisch zeigte, im Kalenderjahr 2020 die Dividende für 2019 auszahlen zu können. Mit Erste, Bawag und Addiko sehen sich, wenig überraschend, auch die weiteren Geschäftsbanken des Prime Segment mit der exakt selben Problematik konfrontiert, weshalb man davon ausgehen kann, dass auch hier dieses Jahr keine Ausschüttungen mehr erfolgen werden. Bis zuletzt zeigten sich jedoch alle der genannten Kreditinstitute überzeugt, die bisher angekündigte Dividende grundsätzlich auszahlen zu wollen. Die ins vierte Quartal verschobenen Jahreshauptversammlungen (Ende Oktober bis Anfang November) werden wohl weitere Aufschlüsse liefern.

Ende Juni untersuchte die WU Wien in einer Studie die kurzfristigen Auswirkungen der COVID-​19 Krise auf die beschlossenen und geplanten Gewinnausschüttungen sowie die Abhaltung der Hauptversammlungen für das Geschäftsjahr 2019 der am Vienna Prime Market gelisteten Unternehmen. Demnach reagierten die meisten Unternehmen auf die Coronakrise indem sie die Dividende kürzten oder sogar gänzlich strichen. Zum Zeitpunkt der Studie waren es rund ein Viertel aller Unternehmen, die keine Dividende ausschütteten, während 10 von 29 Unternehmen ihre Dividende erhöhten, nach 17 im Vorjahr. Insgesamt verringerte sich die durchschnittliche Dividende im Jahresvergleich von 1,10 Euro / Aktie auf 0,89 Euro /Aktie, während die Ausschüttungsquote von 40% auf 30% zurückging. Noch nicht inkludiert in diesen Ergebnissen sind beispielsweise Unternehmen wie Immofinanz, Kapsch TrafficCom, oder Polytec, die erst zu einem späteren Zeitpunkt die Streichung der Dividende bekannt gaben. Zudem hängt wie bereits erwähnt weiterhin ein Fragezeichen über den Dividenden der Banken. Alles in allem also doch deutliche Auswirkungen der Covid-19 Pandemie, die sich bei den österreichischen Gewinnausschüttungen widerspiegelten, mit Ausnahme von Dominic Thiem.

Doch nicht nur die heimischen Unternehmen schalten zusehends auf Sparflamme, auch international müssen sich dividendenorientierte Investoren auf harte Zeiten einstellen. Angesichts der Covid-19-Krise sahen sich Unternehmen in aller Welt dazu gezwungen, ihre Dividendenzahlungen zu kürzen oder auszusetzen, um ihre Liquidität zu schonen. Doch nicht nur der Wunsch nach einer gut gefüllten Brieftasche treibt die Unternehmen um, auch sozialpolitisch bietet die Auszahlungsbereitschaft potenziellen Sprengstoff. Sich erst über großzügig verteilte Staatshilfen zu stabilisieren, nur um dann ebenso großzügig die Anleger zu beschenken, wirft zumindest ein eher fragwürdiges Licht auf entsprechende Unternehmen. Einige Analysten glauben, dass dies die Ära der Aktionärsfreundlichkeit gar zu einem abrupten Ende bringen könnte, sollten Regierungen (ähnlich wie bereits im Bankensektor) einen Preis für ihre Unterstützung in Form von höheren Steuern und Ermutigung zu großzügigeren Löhnen bis hin zum direkten Auszahlungsverzicht fordern.

Die Frage, warum so viele Firmen der aktuellen Krise mit teils sehr fragilen Bilanzen begegnen, lässt sich dabei relativ leicht beantworten: billige Schulden. Aufgrund der vielerorts bestehenden Steuervorteile zapfen nicht wenige Unternehmen immer intensiver Fremdkapitalquellen an, was schlussendlich zu einem ungesunden bilanziellen Gleichgewicht zwischen Schulden und deutlich teurerem Eigenkapital führen kann. Die Daten unterstreichen die seismische Verschiebung. 1980 vergab S&P beispielswiese noch an 65 Unternehmen weltweit ein Triple-A-Rating, mehr als die Hälfte befand sich im A-Bereich. Heute erreichen nur noch fünf Unternehmen den Spitzenplatz von insgesamt fast 5.000 Unternehmen. Weniger als 14 Prozent liegen im A-Bereich. Dass dies kein neues Phänomen ist, dürfte vielen Marktteilnehmern freilich klar sein, die regulatorischen Lehren aus der Finanzkrise 2008 trafen allerdings lediglich den Bankensektor. Gleichzeitig senkten die Zentralbanken die Zinssätze auf ein Rekordtief und ermutigten die Unternehmen, sich weiter zu verschulden.

Auf globaler Ebene fielen die Dividenden – die ebenfalls eine wichtige Einkommensquelle für Pensionsfonds, Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen darstellen - im zweiten Quartal 2020 in der Folge nun um mehr als ein Fünftel auf 382,2 Mrd. US-Dollar. Der Rückkauf von Unternehmensaktien ist sogar noch stärker zurückgegangen - im gleichen Zeitraum hat er sich in den USA fast halbiert. Dabei beschränken sich die Einschnitte keinesfalls auf einzelne Sektoren oder Märkte. So sah sich beispielsweise BP (zum ersten Mal seit 2010) ebenso zu einer Kürzung genötigt wie Wells Fargo, BAE Systems, Reckit Benckiser, ENI, Kroger, die BHP Group, Deutz, Volvo oder Adidas.