BÖRSE EXPRESS: “Die Inflationsgefahr durch die EZB wird überschätzt”, meinte Ökonom Bruckbauer noch im vergangenen April. Die OeNB hat kürzlich die Inflationserwartung hinaufgesetzt und geht von einer Inflationsrate für 2021 in Österreich von 2,2 anstatt 2 Prozent aus. in den USA sind die Preise im Juni stärker als erwartet gestiegen. Wie sehen Ihre Erwartungen hinsichtlich der Inflation - vor allem in Europa und den USA - aus, haben sich die Erwartungen während der letzten Monate verändert und wie sehr verzerrt die Pandemie das Inflationsgeschehen?

THOMAS BICHLER: Die Inflation in der Eurozone ist in den letzten Monaten aufgrund einer Reihe von Sondereffekten stark angestiegen. Positiv trugen unter anderem die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung und die CO2-Steuer in Deutschland, der Energiepreis, die Neugewichtung des Warenkorbs und unterschiedliche saisonale Muster bei. Die Kerninflation - 0,9 Prozent im Juni - ist daher ein besserer Indikator, um das Inflationsgeschehen zu bewerten. Auch die besonders konjunkturreagible Supercore Inflation lag im Juni nur bei 1,1 Prozent und somit unter Vor-COVID-Niveaus. Für 2022 erwarten wir, dass sich der Großteil der Sondereffekte rückbildet und die Inflation bei 1,4 Prozent liegt. Dieser Schätzung unterliegt ein zyklisch bedingter leichter Anstieg der Kerninflation.

In den USA verzeichnete die Inflation einen noch wesentlich stärkeren Anstieg. Dieser ist allerdings auf ein paar wenige Kategorien zurückzuführen, wo Angebotsengpässe bestehen, z.B. Gebrauchtwagen: oder wo die Preisindizes noch Aufholbedarf zu Vor-COVID-Niveaus zeigen, wie bei Beherbergung, Transport und Bekleidung. Dieser Effekt kann allerdings nicht fortgeschrieben werden und die weitere CPI-Entwicklung wird von den persistenten Komponenten, wie z.B. Mieten und Kosten für selbst genutztes Wohnungseigentum, entscheidend beeinflusst werden. Hier blieben die Anstiege bis jetzt moderat und wir erwarten eine Rückkehr der Inflationsrate auf 2,5 bis 3,0 Prozent im Jahr 2022.

 

BÖRSE EXPRESS: Die EZB peilt nun auf mittlere Sicht eine Inflationsrate im Euroraum von zwei Prozent an (Anm.: bisheriges Ziel: „unter, aber nahe zwei Prozent“). Was bedeutet diese "neue" Strategie, Ihrer Meinung nach, für die zukünftigen Maßnahmen der EZB im Hinblick auf die Geldpolitik?

THOMAS BICHLER: Um das neue symmetrische mittelfristige Inflationsziel von 2 Prozent zu erreichen, will die Notenbank an der effektiven Zinsuntergrenze besonders kraftvolle und langanhaltende geldpolitische Maßnahmen setzen. Die EZB befindet sich mittlerweile seit mehr als 5 Jahren nahe der effektiven Zinsuntergrenze. Die Notenbank hat vor allem unter Draghi immer wieder ihren Willen, sich mittels neuer unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen aus dem Nullzinsumfeld zu befreien, unter Beweis gestellt. Allerdings ohne Erfolg, denn Notenbankpolitik allein ist keine Garantie für höhere Inflation. Vor allem die Fiskalpolitik muss gleichzeitig ausreichend expansiv bleiben. Die EZB passt also ihre Forward Guidance an die neue geldpolitische Strategie an. Eine Möglichkeit ist, Zinsanhebungen auszuschließen bis die mittelfristigen EZB-Inflationsprognosen (aktuell 1,4% für 2023) das neue EZB-Ziel von 2,0 Prozent erreicht haben. PEPP wird voraussichtlich zur Gänze ausgeschöpft und wir erwarten, dass die EZB im vierten Quartal ein Nachfolgemodell für PEPP oder eine Aufstockung ihres APP-Programmes bekannt gibt.

 

BÖRSE EXPRESS: Der Raiffeisen-Inflation-Shield ist ein globaler Mischfonds. “Er investiert in unterschiedliche inflationssensitive Strategien, wobei als Anlageziel angestrebt wird, eine mit der Inflationsentwicklung (Inflationserwartungen) positiv korrelierende Wertentwicklung abzubilden”, so steht es in Ihrem Halbjahresbericht. Worin unterscheidet sich der Fonds von anderen Mischfonds bzw. wie fließen die Inflationserwartungen in den Fonds ein?

THOMAS BICHLER: Wie Sie richtig erwähnen, steht in der Portfolioausrichtung des Raiffeisen-Inflation-Shield das Thema Inflationsschutz im Mittelpunkt. Das heißt, bei der Auswahl und Gewichtung von Anlageklassen geht es um Fragen wie: „Welche Anlageklassen/Strategien bieten einen Inflationsschutz?“, „Wie hoch ist die Korrelation mit Inflation bzw. wie verlässlich ist der Inflationsschutz?“ bzw. „In welchen Marktsegmenten kann Inflationsschutz günstig gekauft werden?“. Das heißt, während in klassischen Mischfonds das Thema Inflationsschutz eher „passiv“ adressiert wird – im Sinne des langfristigen realen Werterhalts – steht beim Raiffeisen-Inflation-Shield dieses Thema ganz klar im Mittelpunkt. Um ein Beispiel zu geben: Langfristig gesehen, bietet eine Investition in Aktienmärkte einen Inflationsschutz (positive reale Erträge), jedoch reagieren Aktienmärkte auf Inflationsüberraschungen bzw. Phasen von deutlich steigenden Inflationsraten oft negativ. Einzelne Aktienmarktsegmente wie z.B. Energieunternehmen bzw. Unternehmen mit starker Preissetzungsmacht können aber in solchen Phasen profitieren. Das heißt, bezogen auf den Raiffeisen-Inflation-Shield, dass wie zuvor beschrieben auch innerhalb der Aktienallokation ein besonderer Fokus auf das Thema Inflationsschutz gelegt wird.

Inflationserwartungen bzw. unsere Erwartung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Inflationserwartungen fließen direkt in die Ausrichtung des Fonds ein. Das heißt, wir steuern die Inflationssensitivität des Portfolios („Inflations-Beta“) aktiv über einen antizyklischen und bewertungsorientierten Zugang. In Zeiten von niedrigen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer, womit Inflationsschutz günstig gekauft werden kann, streben wir ein höheres Inflationsbeta an und nach deutlich gestiegenen Inflationserwartungen reduzieren wir die Gewichtung in inflationssensitiven Anlageklassen.

 

BÖRSE EXPRESS: Ein Großteil des Fondsvolumens ist in inflationsgebundene Anleihen investiert. Wie funktionieren diese - Laufzeiten, Verzinsung, Emittenten - und wie unterscheiden sie sich von herkömmlichen Anleihen?

THOMAS BICHLER: Bei inflationsindexierten Anleihen sind – im Gegensatz zu herkömmlichen Anleihen – die Kupons und die Tilgung an die Entwicklung der Inflation gebunden. In einem Umfeld von steigenden Inflationserwartungen entwickeln sich daher inflationsgeschützte Anleihen besser als vergleichbare nominelle Anleihen. Geht die erwartete Inflation zurück, so schneiden klassische Anleihen besser ab. Während bei klassischen Fixzinsanleihen bei einer Investition der nominelle Ertrag sicher ist und der reale Ertrag unsicher ist, verhält sich dies bei inflationsindexierten Anleihen genau umgekehrt, d.h. ein sicherer realer Ertrag, jedoch ein unsicherer nomineller Ertrag.

Wir halten im Portfolio aktuell inflationsindexierte Anleihen, die sowohl an die Inflationsrate der Euro-Zone gebunden sind (deutsche, französische und italienische Anleihen) als auch an die US-Inflation. Je nach Attraktivität der gepreisten Inflationsraten steuern wir dabei im Zeitablauf auch die regionale Ausrichtung im Fonds. Bezüglich Laufzeiten ist ein Großteil des Portfolios im Bereich 1 bis 10 Jahre investiert.

 

BÖRSE EXPRESS: “Inflationsindexierte Anleihen werden die Asset-Klasse dieses Jahrzehnts”, sagte Harald Preißler, Aufsichtsratsvorsitzender des Asset Managers Bantleon in einem Interview mit der "Börsen-Zeitung" im März dieses Jahres. Wie stehen Sie zu dieser Aussage bzw. zu den langfristigen Treibern der Inflation?

THOMAS BICHLER: Diese Aussage hängt maßgeblich von der Erwartung bezüglich der weiteren Inflationsentwicklung ab. Seit den Marktverwerfungen im März 2020 konnten sich inflationsindexierte Anleihen aufgrund gestiegener Inflationserwartungen deutlich besser als herkömmliche Anleihen entwickeln.

Wir gehen davon aus, dass sich die sehr starke Inflationsdynamik der letzten Quartale nicht in diesem Ausmaß fortsetzt, da diese maßgeblich von einigen Sonderfaktoren getrieben ist. Mittelfristig - auf Sicht der nächsten Jahre - gehen wir aber dennoch von höheren Inflationsraten als in den letzten Jahren aus. Den deflationären Kräften der vergangenen Jahre, z.B. Globalisierung, hohe Verschuldung, Demographie, Digitalisierung, wird mit immer aggressiveren Maßnahmen im Bereich der Geldpolitik - unlängst etwa auch ausgedrückt in der Überarbeitung der Inflationsziele durch die US-Notenbank und die EZB - und zuletzt vor allem auch im fiskalischen Bereich versucht entgegenzuwirken. Besonders die fiskalische Komponente sehen wir als Faktor, der mittelfristig für höhere Inflationsraten sorgt.

 

BÖRSE EXPRESS: In welchen anderen Assetklassen ist der Fonds derzeit veranlagt und warum?

THOMAS BICHLER: Neben inflationsgesicherten Anleihen hält der Fonds Positionen im Rohstoffbereich - Edelmetalle, Industriemetalle und Energierohstoffe jeweils über Derivate auf Rohstoffindizes. Im Bereich der Aktien setzen wir auf Energieunternehmen, Grundstoffwerte, Unternehmen im Agrarbereich und aus dem Bereich Infrastruktur. Zusätzlich bestehen noch Positionen in Rohstoffwährungen (z.B. kanadischer Dollar) und Emerging-Markets-Währungen.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche Absicherungsstrategien verfolgen Sie im Fonds?

THOMAS BICHLER: Die wesentlichen Absicherungspositionen im Fonds sind Short-Positionen in nominellen Anleihen. D.h. der Fonds hält Long-Positionen in inflationsgeschützten Anleihen und im Gegenzug Short-Positionen in nominellen Anleihen-Futures, d.h. wir machen einen sogenannten „Inflation Break Even Trade“. Damit ist das nominelle Zinsrisiko im Fonds weitestgehend abgesichert und der Fonds partizipiert hauptsächlich an der Veränderung der Inflationserwartungen.

 

BÖRSE EXPRESS: Der langfristige Abwärtstrend des Fonds ist im Vorjahr gestoppt worden und hat deutlich nach oben gedreht. Worauf ist diese erfreuliche Entwicklung zurückzuführen und wie schätzen Sie den weiteren Trend ein?

THOMAS BICHLER: Der Fonds strebt eine positive Korrelation mit den Inflationserwartungen an. In den letzten Jahren war das Kapitalmarktumfeld von rückläufigen Inflationserwartungen geprägt und dies belastete die Fondsentwicklung. Seit Mitte März 2020 konnte ein deutlicher Anstieg bei den Inflationserwartungen beobachtet werden und der Fonds konnte durch die Ausrichtung auf inflationssensitive Anlageklassen von dieser Bewegung profitieren. Wir erwarten auf Sicht der nächsten Jahre einen weiteren Anstieg bei den Inflationserwartungen und sind daher auch für die Entwicklung des Fonds entsprechend positiv gestimmt.

 

BÖRSE EXPRESS: Den Raiffeisen-Inflation-Shield sollte ich lieber heute als morgen kaufen, da …

THOMAS BICHLER: …Inflationsschutz Bestandteil eines jeden Portfolios sein sollte und der Raiffeisen-Inflation-Shield die perfekte Lösung dafür ist.

Mehr zum Fonds gibt’s hier und auf www.boerse-express.com hier.