Im Zentrum der strukturellen Änderungen des Finanzsektors steht Technologie. Banken haben die Art und Weise, wie sie Produkte und Dienstleistungen anbieten, mittlerweile grundlegend verändert. Schließlich müssen sie den ständig wechselnden Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht werden. Niedrigere Eintrittsbarrieren bedeuten jedoch, dass eine Flut neuer FinTech-Unternehmen auf den Markt drängt. Sie bieten eine große Bandbreite innovativer Produkte und Dienstleistungen an, was sie zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die Banken macht.

Dank etablierter Kundenstämme, Lizenzen und Marken sollten traditionelle Banken am besten aufgestellt sein, um der Branche auch in Zukunft ihren Stempel aufzudrücken. Allerdings führt ihre komplexe Struktur dazu, dass sie sehr viel Kapital für IT-Systeme und deren Wartung zur Verfügung stellen müssen, was die Mittel für Innovation oftmals begrenzt. Tatsächlich können FinTech-Unternehmen, unter anderem weil sie nicht durch riesige IT-Systeme belastet sind, Dienstleistungen derzeit bis zu 50 Prozent günstiger anbieten als Banken.1 Angesichts dieser starken Konkurrenz müssen sich Banken daher in der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien an die Spitze setzen, um eine Chance zu haben, ihren Marktanteil zu verteidigen oder sogar zu vergrößern.

US-Banken weisen den Weg

Während Banken weltweit mehr und mehr Kapital für Technologie und Innovation bereitstellen, geben sie durchschnittlich nur 10 Prozent ihrer Einnahmen und 15 Prozent ihrer Gesamtausgaben für IT aus. Darüber hinaus werden lediglich 36 Prozent der gesamten IT-Ausgaben im Front Office und für Initiativen eingesetzt, die Veränderungen in den Banken vorantreiben. Der Rest wird im Back Office für aufsichtsrechtliche und Compliance-Anforderungen ausgeben.

Die IT-Ausgaben und die Bereitschaft der Banken zur Innovation unterscheiden sich erheblich je nach Region. Untersuchungen von Morgan Stanley zufolge ist der US-Bankensektor tendenziell am ehesten bereit, neue Technologien einzusetzen – allen voran US-Large-Caps. JPMorgan hat sein Technologiebudget beispielsweise von 9,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 2017 auf 10,8 Mrd. USD im Jahr 2018 aufgestockt. Zusätzlich werden 5 Mrd. USD des diesjährigen Budgets für neue technologische Entwicklungen ausgegeben.3 Zum Teil werden die US-Banken von der Gesetzeslage in den USA unterstützt, da die Aufsichtsbehörden FinTech-Unternehmen in der Regel wie etablierte Finanzinstitutionen behandeln. Dadurch herrschen für Banken gleiche Voraussetzungen, was es ihnen erleichtert, mit dem Tempo der digitalen Transformation in der Branche mitzuhalten.

Der europäische Bankensektor hingegen scheint am meisten durch den digitalen Fortschritt bedroht zu sein (mit Ausnahme der skandinavischen Länder). Aufgrund der Belastung durch jahrelange Negativzinsen haben europäische Banken in der Regel nicht ausreichend in Technologie investiert, da die niedrigen Zinsen ihre Gewinnmargen stark beeinträchtigt haben. Im Gegensatz zu den USA sind die Aufsichtsbehörden in Europa im Allgemeinen aufgeschlossener gegenüber neuen FinTech-Anbietern, was bedeutet, dass die europäischen Banken Schwierigkeiten haben, mit dem Innovationstempo Schritt zu halten. Die EU-Richtlinie PSD2 beispielsweise ermöglicht es Bankkunden, Drittanbieter mit der Verwaltung ihrer Finanzen zu beauftragen, wodurch den FinTech-Unternehmen, die Lösungen für Finanzdienstleistungen anbieten, die Tür geöffnet wird.

Asiatische Banken weisen im weltweiten Durchschnitt die geringsten IT-Ausgaben auf (als Prozentsatz an Einnahmen und Ausgaben). Jedoch gibt Asien (ausgenommen Japan) inzwischen gemessen an den gesamten IT-Ausgaben am meisten für innovative Technologien aus. Gemeint ist damit wartungsfreie IT. Längerfristig gesehen könnte diese Investition in Innovation erhebliche Auswirkungen haben: Der Währungsbehörde von Singapur zufolge könnten Banken ihre Ausgaben um bis zu 30 Prozent senken, wenn sie FinTech wirksam in Bereichen wie der Automatisierung von Bankfunktionen und künstlicher Intelligenz einsetzen, welche 10–20 Prozent der operativen Erträge asiatischer Banken ausmachen

FinTech-Unternehmen als Motoren für Wandel

Auch wenn sie eine gewisse Bedrohung für traditionelle Finanzdienstleister darstellen, können FinTech-Unternehmen dem Bankensektor viele Wachstumschancen bieten. Banken sind zunehmend bestrebt, FinTech-Dienstleistungen über Partnerschaften, Investitionen oder Gründerzentren zu nutzen, während lediglich 7 Prozent es vorziehen, sämtliche Technologielösungen intern zu entwickeln. Angesichts der Rekordinvestition von 58 Mrd. USD in Deals mit 875 FinTech-Unternehmen im ersten Halbjahr 2018 ist den Banken bewusst, dass sie sich den Veränderungen stellen und ihre Geschäfte weiterentwickeln müssen, um im Wettbewerb mit neuen Anbietern nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Investitionen in Innovation

Innovationen im Finanzsektor haben Investoren neue Chancen eröffnet. Dabei haben sich zwei große Lager gebildet: die im Sektor etablierten Banken und Finanzunternehmen, auch „adopters“ genannt, die sich neue Technologie zunutze machen, und FinTech-Unternehmen oder „Enablers“ der finanziellen Innovation, die vielfältige Dienstleistungen und Lösungen über das gesamte Spektrum der Finanztechnologie hinweg anbieten. Das Angebot der FinTech-Branche erstreckt sich über eine sehr breite Palette: von Datenanalytik über Sicherheitslösungen bis hin zu mobilen Zahlungsdiensten. Das bedeutet, dass FinTech-Unternehmen in verschiedensten Bereichen mit Banken kooperieren können, wobei die meisten ein beträchtliches Wachstumspotenzial aufweisen. Wenn die Banken willens sind, mit dem rasanten Tempo der Innovation mitzuhalten, könnten diese FinTech-Unternehmen dem traditionellen Bankensektor enorme Vorteile bieten.