Seit etwa drei Jahren mühen sich Compliance- und Rechtsabteilungen der Finanzindustrie durch die EU-Verordnungen zur Nachhaltigkeit. Ohne auf einen abschließenden grünen Zweig zu kommen, denn die vorhandenen Regularien sind ebenso diffizil wie unvollständig. Die EU-Taxonomie kennt beispielsweise bis heute nur Umweltziele, jedoch keine sozialen Ziele und Aspekte der guten Unternehmensführung. Wertvolle Ressourcen bindet daher nicht nur das aufsichtsrechtlich korrekte Umsetzen, sondern auch das Stopfen der Löcher, die die europäische Gesetzgebung hat.

Ein Dilemma, das sogar Aufsichtsbehörden eingestehen, ist die mangelnde Verfügbarkeit von nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmensdaten. Diese Daten benötigt die Finanzindustrie, um der Pflicht zum Ermitteln von Nachhaltigkeitsrisiken im Kredit- oder Versicherungsportfolio nachzukommen. Asset Manager benötigen diese Informationen, um bewerten zu können, ob und wie sehr ihre Investitionen in Unternehmen nachhaltig sind. Es gibt die Daten aber nur bruchstückhaft. Also fließen auch wertvolle Ressourcen in das langwierige Erheben von Unternehmensdaten.

Parallel dazu bereiten sich börsennotierte Unternehmen bereits jetzt auf die neuen Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) vor. Betroffene Unternehmen müssen eine Flut an nachhaltigkeitsbezogenen Daten laufend erheben, berechnen, analysieren und ab 2025 auf Basis des European Sustainability Reporting Standard ESRS veröffentlichen. Die noch unvollständigen Entwürfe zum ESRS erstrecken sich schon jetzt auf etwa 380 Seiten. Entsprechend viele Ressourcen fließen in die Vorbereitung und Umsetzung.

Auf europäischer Ebene in Vorbereitung befinden sich Sozial-Taxonomie und EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen zu weitreichenden Sorgfaltspflichten in der gesamten, weltweiten (!) Wertschöpfungskette verpflichten soll. Wie das in der Praxis funktionieren soll, fragen sich sogar die renommiertesten Experten. Ganz abgesehen davon, wer es bezahlen soll.

Treppenwitz nebenbei: eine EU-Beschleunigungs-VO soll den Rechtsrahmen festlegen, um Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energiequellen zu beschleunigen. Bürokratieabbau durch noch mehr Regulatorik. Darauf kann auch nur die EU-Kommission kommen.

Das Erfüllen dieser und weiterer „grüner“ Regularien kostet enorme zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen, die dem tatsächlich wirksamen Klima- und Umweltschutz sowie der Nachhaltigkeit bitter fehlen. Die Zukunft wird zeigen, ob all dieser Einsatz dem Ziel, wie der Klimaneutralität ab 2050, dient, oder sich eher als regulatorischer Klimakiller entpuppt.

 

Aus dem Börse Express PDF vom 20.03.2023 

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