Zuvor gingen die Menschen durch die Hölle. Parallelen verbieten sich eigentlich angesichts der Schrecken der damaligen Zeit. Doch auch jetzt herrscht mehr Aussichtslosigkeit als Optimismus. Die dritte Corona-Welle rollt heftiger und tödlicher als zuvor. Ein erneuter Lockdown ist eine Frage von Tagen. Die Konjunkturerholung läuft schleppend. Laut dem Institut für Handelsforschung IFH steht jedes 5. Geschäft in Deutschland vor dem Aus. Die konjunkturellen Aussichten waren wirklich schon mal besser. Die Skepsis nimmt zu.

Umso erstaunlicher erscheint es, dass die Börsen nicht schon längst in einer tiefen Depression stecken. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Zahlreiche Aktien und Indizes wie der Deutsche Aktienindex DAX feiern neue Rekordstände. Wie kann das sein?

Steigende Aktienkurse trotz großer Skepsis der Marktteilnehmer – diese Konstellation ist gar nicht so ungewöhnlich. Die Finanzmärkte bezeichnen das als „Mauer der Angst (Wall of worry)“. Die Anleger haben Angst vor einem erneuten Konjunktureinbruch. Das verhindert, dass die Kurse zu stark nach oben schießen. Noch größer aber ist die Angst, angesichts weiter steigender Kurse die Rallye zu verschlafen. Ängstliche Anleger schauen an der Seitenlinie sorgenvoll den steigenden Aktienkursen hinterher und kaufen schließlich doch. Denn Anlagealternativen sind unverändert sehr rar. Entlang dieser Wand hangeln sich die Aktienkurse nach oben. Erst wenn die Stimmung wieder euphorisch wird oder sich am Markt ernsthafte Alternativen ergeben, wird die Luft für weitere Kurssteigerungen bei Aktien dünner.

Niedrige Zinsen – alles hat ein Ende ...

Ja, was war denn das? Die Renditen für langlaufende Anleihen in USA und in Europa haben sich tatsächlich von ihren Tiefstständen verabschiedet. In den letzten Monaten stieg die Rendite für zehnjährige USA-Staatsanleihen von 0,5 Prozent auf zuletzt 1,75 Prozent. Für sichere Anlagen gibt es auf einmal wieder Geld. Doch gemach: So lange die Dividendenrenditen internationaler Qualitätsaktien noch bei 2,5 bis 3,5 Prozent liegen, dürfte keine echte Konkurrenzsituation entstehen. Erst nachhaltig steigende Zinsen sind Gift für Aktien.

Ein Grund für die aktuell steigenden Zinsen ist die deutlich anziehende Inflationserwartung. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann erwartet für Deutschland einen kräftigen Anstieg der Inflation von über drei Prozent in diesem Jahr.

Wenn die Krise vorbei ist, werden viele Menschen verschobene Anschaffungen nachholen. Sie werden mehr einkaufen, mehr in Restaurants gehen und verreisen. Weltweit hat sich nach Experten-Schätzungen ein Konsum-Stau von rund 3000 Milliarden US-Dollar gebildet. Dieser Nachfrageschub dürfte die Preise kurzfristig steigen lassen. Es könnten sogar Produktengpässe drohen. Hinzu kommen explodierende Rohstoffpreise. Unternehmen sehen sich schon jetzt mit steigenden Preisen für Vorprodukte und Dienstleistungen konfrontiert.

Das kürzlich in den USA verabschiedete Hilfspaket von über 1900 Milliarden US-Dollar sowie das geplante drei Billionen US-Dollar-Infrastrukturprojekt beschleunigen außerdem das internationale Inflationsgeschehen. Der Chef der amerikanischen Notenbank, Robert Powell, hat zuletzt erst darauf hingewiesen, dass man die US-Wirtschaft weiterhin stützen werde, trotz einer kurzfristig anziehenden Inflation. Einen übermäßigen Preisanstieg werde man jedoch zu bremsen wissen. Das bedeutet, dass ein nachhaltiger Zinsanstieg keinesfalls sicher ist.

Sparfüchse – mit Corona notgedrungen.

Geschlossene Geschäfte und Restaurants, verhinderte Urlaubsreisen. Die Pandemie hat auch die Bundesbürger zu Sparfüchsen gemacht. Nach Berechnungen der DZ Bank dürfte das Geldvermögen der privaten deutschen Haushalte im Jahr 2020 um 393 Milliarden Euro auf den Rekordwert von 7100 Milliarden Euro zugenommen haben. Inzwischen sind demnach mehr als 28 Prozent des gesamten Geldvermögens – rund 2000 Milliarden Euro – dauerhaft „zwischengeparkt“. Das Geld liegt vorwiegend in Sichteinlagen, die bei Bedarf rasch umgeschichtet werden können.

Durch die erzwungene Enthaltsamkeit der letzten Monate entsteht bei vielen Konsumenten der Wunsch, Entgangenes nachzuholen. Spätestens, wenn die Pandemie beendet oder beherrscht erscheint. Nach Schätzungen des Instituts für Weltwirtschaft halten Konsumenten in Deutschland etwa 200 Milliarden Euro an Kaufkraft zurück. Dieser Konsumstau wird sich auflösen und die Nachfrage ankurbeln.

Psychologen sprechen von einem Bumerang-Effekt. Je länger die Phase der Verbote dauere, desto stärker ausgeprägt sei bei Menschen der Nachholeffekt. US-Soziologen sehen sogar Parallelen zu den „Roaring Twenties“ des letzten Jahrhunderts. Auch führende US-Wissenschaftler sprechen von einer Neuauflage der goldenen Zwanzigerjahre.

Die Frage ist nur, wann? Das ifo-Institut erwartet ebenfalls einen kräftigen Aufschwung. Durch die dritte Corona-Welle wird sich dieser aber nach hinten verschieben. Für das laufende Jahr sieht das Institut ein Wachstum von 3,7 Prozent; im kommenden Jahr von 3,2 Prozent. Dem gegenüber stehen erwartete Corona-Gesamtkosten für Deutschland von mehr als 400 Milliarden Euro. Die Gegenfinanzierung wird nach der Bundestagswahl stärker in den Fokus der Politik rücken.

Für Anleger bedeutet das ...

Zu Beginn eines konjunkturellen Aufschwungs war es immer gut, eher ein- statt auszusteigen. Auch wenn die Börsen viel von der erhofften Aufschwungszukunft vorweggenommen haben, sollten kurzfristige Markt-Korrekturen für den Zukauf von globalen Qualitätsaktien genutzt werden. Diese internationalen Qualitätsaktien bleiben mittel- bis langfristig ohne Alternative.

Mit einer größeren Verfügbarkeit und einem stärkeren globalen Einsatz der Impfstoffe deutet sich für die zweite Jahreshälfte 2021 eine gewisse Normalisierung der pandemischen Gesamtsituation an. Durch Nachholeffekte bei Konsum und Investition wird die Weltwirtschaft voraussichtlich so stark wachsen wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Somit erscheint es ratsam, Aktienpositionen aus prozyklischen Branchen mit ins Depot aufzunehmen.

Die Lage im Rentenbereich bleibt in einem inflationären Umfeld trotz Stabilitätsbekundungen der Notenbanken weiterhin angespannt. Hier dürften allenfalls ausgesuchte Anleihen im Emerging-Market- Segment auskömmliche Renditen bringen. 

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