Derzeit gibt es zwei wesentliche Einflussfaktoren auf die Stimmung an den Finanzmärkten, allen voran die konjunkturelle Abkühlung. Diese steht nicht mehr vor der Tür, sondern ist bereits in vollem Gange. Ein wichtiger Hinweis dafür ist die jüngste wirtschaftliche Entwicklung in den USA, die noch Ende 2018 mit kräftigem Wirtschaftswachstum und einer rekordverdächtig niedrigen Rezessionswahrscheinlichkeit ein Ausrufezeichen zu setzen vermochten. Doch das Bild hat sich gewandelt und im Zuge der Verschärfung des Handelskonfliktes haben sich die Konjunkturaussichten weiter eingetrübt. Die Konjunkturdaten der Eurozone fielen gleichfalls schwach aus, in Deutschland und Italien dürfte das Wachstum sogar geschrumpft sein. Unsere Erwartungen für das Wachstum der Eurozone im zweiten Quartal liegen daher bei nur 0,2 Prozent.  

 

Sinneswandel der US-Notenbank

Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung steigt die Handlungsbereitschaft der beiden großen Notenbanken der USA und Europa. In diesem fortgeschrittenen Zyklus macht es Sinn, etwa durch Zinssenkungen unterstützend einzugreifen. Das niedrige  Inflationsniveau rechtfertigt diese Maßnahme. Selbst die Fed (Federal Reserve - Zentralbank der Vereinigten Staaten) stimmt nun zusammen mit der EZB (Europäische Zentralbank) in den Chor der Lockerungsbefürworter ein. Beide senden einstimmig Signale aus, dass sie der wirtschaftlichen Unsicherheit entgegenwirken wollen. Insbesondere bei der Fed, die den Leitzins in den USA auf immerhin 2,5 Prozent anhob, bahnt sich ein Sinneswandel an. Rechnete im März noch kein Vertreter des Federal Open Market Committee mit einem niedrigeren Leitzins zum Jahresende, waren es im Juni bereits acht von 171.  Wir gehen im Juli und September von einer Zinssenkung um 25 Basispunkte aus. Die Finanzmärkte preisen für die kommenden 12 Monate sogar 100 Punkte ein. Dies setzt allerdings eine stärkere konjunkturelle Abschwächung voraus, die wir so nicht erwarten.

Die EZB stand zuletzt wegen der Nachbesetzung des frei gewordenen Postens von Mario Draghi als EZB-Chef durch Ex-IWF-Chefin Christine Lagarde in den Schlagzeilen. Lagardes Nominierung stellt jedoch kein Risiko für die Finanzmärkte dar. Es ist zu erwarten, dass Lagarde die wenig restriktive und lockere Geldpolitik von Mario Draghi fortsetzt, wenngleich der Spielraum begrenzt ist. In Europa rechnen wir mit einer Senkung des Einlagezinses von -0,4 Prozent auf -0,5 Prozent.

 

Handelskonflikt bleibt omnipräsent

Neben der konjunkturellen Entwicklung leistet auch die politische Unsicherheit ihren Beitrag zur Intervention der Notenbanken. So ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China tonangebend und wird wohl noch einige Zeit lang andauern. Immerhin zeigten die beiden Kontrahenten auf dem G20 Gipfel Ende Juni, dass sie ihre Verhandlungen wieder aufnehmen und sich die Fronten zunächst nicht weiter verhärten. Der Handelskrieg ist ein sehr komplexes Thema, weil es nicht nur um Strafzölle und Handelsungleichgewichte geht, sondern auch um Technologieführerschaft. Die Wirtschaftsmacht China beansprucht einen hervorgehobenen Platz auf der Weltbühne und folgt dabei konsequent der Vision, in vielen Bereichen federführend zu sein. Spannungen zwischen China und ihrem wichtigsten Handelspartner USA sind die logische Konsequenz.

 

Aus unserer Sicht sind im derzeit vorherrschenden Umfeld der konjunkturellen Abkühlung und politischen Unsicherheit Aktieninvestments nach wie vor gefragt. Zwar wird der Markt fragiler, die Maßnahmen der Notenbanken sind jedoch eine wichtige Stütze. Der Ausblick auf zusätzliche Stimuli hat die Risikoneigung der Investoren an den Börsen erhöht, dementsprechend stiegen die Notierungen. Insgesamt schätzen wir die Chancen und Risiken am Aktienmarkt zurzeit als etwa ausgeglichen ein. Daher positionieren wir uns im Aktienbereich neutral. Bei der regionalen Allokation haben wir die Übergewichtung bei US-Titeln wegen ihrer hohen Bewertungen abgebaut und die Untergewichtung bei europäischen Titeln reduziert. Am Rentenmarkt wiederum wird sich nicht viel ändern. Die EZB wird die Zinsen noch auf längere Zeit sehr tief halten, wodurch die Renditen bei europäischen Staatsanleihen niedrig bleiben. Renditestärkere Alternativen im Bereich Anleihen identifizieren wir in Schwellenländern oder im Hochzinsbereich.