FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Roger Peeters sieht in der Reform der privaten Altersvorsorge eine Chance, die Kapitalmarktbeteiligung zu fördern. Die Einführung einfacher Aktien- und Fondssparpläne könnte insbesondere junge Menschen motivieren, ihre Altersvorsorge aktiv zu gestalten und das Bewusstsein für wirtschaftliche Zusammenhänge zu stärken.

28. Oktober 2024. Unsere viel besprochene "Ampel"-Regierungskoalition ist nach meinem Empfinden in einer Art "Endstadium" angekommen. Damit beziehe ich mich nicht darauf, dass es noch maximal ein Jahr bis zur nächsten Bundestagswahl dauert, sondern auf das immer offensivere öffentliche gegenseitige Anfeinden der Protagonisten, die immer offensichtlicher gänzlich verschiedene Lösungsansätze für die Probleme dieses Landes bevorzugen. Wirklich bemerkenswert empfinde ich mittlerweile die Energie, die aufgebracht wird, den jeweils anderen Koalitionspartner mehr oder minder öffentlich vorzuführen, statt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Als ein den Regierungsgesprächen außenstehender Bürger bleibt dann ein Rätselraten, ob eine Idee vom jeweils anderen Flügel doch wieder zerschossen wird oder ob sie zu den Projekten gehört, die zumeist über eine Art Kuhhandel (nach dem Motto "Ihr stimmt bei x zu, dann tragen wir auch y mit") doch irgendwie durchkommt. Das ist natürlich ein grundlegendes Problem und immer dann besonders bitter, wenn hierdurch auch richtig gute Ideen und Konzepte verloren gehen.

Als einen echten potenziellen Fortschritt würde ich den aktuellen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge einordnen, für den in gut zwei Wochen eine Kabinettsbefassung vorgesehen ist. Diese vereinfacht gesprochene Neufassung der bisherigen "Riester-Rente" empfinde ich tatsächlich als möglichen Game Changer, der dazu führen könnte, dass wirklich große Teile der Bevölkerung ihre Altersvorsorge in Teilen auf dem belastbaren Fundament des Kapitalmarkts aufbauen.

Der wesentliche Vorteil des neuen Entwurfs: Auch einfache Aktien- und Fondssparpläne würden gefördert. Die so mögliche Anlage ohne teure Garantien erhöht zwar technisch ein Stück weit das Risiko, sorgt aber für eine ungebremste Partizipation an der Wertschöpfung der Wirtschaft. Neben diesem wesentlichen Element sind auch viele kleinere sinnvolle Maßnahmen angedacht. Eine durch komplette Digitalisierung erreichte Vereinfachung des Prozesses und eine erhöhte Zulage für Berufseinsteiger möchte ich kurz highlighten, sorgen doch diese Aspekte potenziell dafür, dass besonders junge Mitbürger motiviert werden. Und gerade hier ist der objektive Handlungsdruck am größten, denn die heute 20-Jährigen können sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf dem unsicheren Umlageverfahren ausruhen. Und eine auf Risikovermeidung ausgerichtete Anlage nur in abgesicherten Renten wird ihnen ebenfalls wenig helfen. Die Aktienanlage hingegen kann ganz andere Renditen erwirtschaften, wie viele andere Staaten mit progressiveren Systemen beweisen.

Es gäbe auch noch einen weiteren Nebeneffekt, wenn es auch in Deutschland gelingt, breitere Schichten der Bevölkerung an der Wertentwicklung von Unternehmen teilhaben zu lassen: Das Bewusstsein wächst, dass eine starke Wirtschaft allen nützt. Bürger, die einen wesentlichen Teil ihrer Ersparnisse in Unternehmen investiert haben, hinterfragen wirtschaftsfeindliche Politik vielleicht noch einmal stärker und haben auch ein Interesse daran, dass die Politik einen Rahmen schafft, in dem sich Wirtschaft entfaltet und Wohlstand generiert wird. Subjektiv wahrgenommen ist das Verständnis für Märkte und Wirtschaft in den Staaten, in denen auch die Altersvorsorge substanziell auf einer direkten Partizipation am unternehmerischen Geschehen basiert, größer.

Und gerade in der Hinsicht des Verständnisses für das wesentliche Fundament unseres heutigen Wohlstands, in Form einer funktionierenden ökonomischen Ordnung, ist hierzulande noch einiges an Potenzial, vorsichtig formuliert. Und dies betrifft nicht nur die breite Bevölkerung, sondern schließt ganz sicher auch große Teile der Handelnden in der Politik mit ein. Noch besser wäre es wohl auch, wenn auch deren Pensionen zumindest in Teilen "mit der Wirtschaft atmen" statt vom Staat, also dem Steuerzahler, garantiert zu sein, aber das wäre wohl ein etwas zu ehrgeiziger Anspruch.

Von Roger Peeters, 28. Oktober 2024, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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