Der Baltic Dry Index, jene indexierte Zusammenstellung der Veränderungen in den Preisen globaler Schiff-Frachtraten, kennt seit Wochen nur mehr eine Richtung. Nach oben. Seit seinem heurigen Tief am 6. Februar performte er unglaubliche 174 Prozent. Als Indikator für den Zustand der globalen Schifffahrt, eine auf den ersten Blick unglaubliche Performance. Gerade in Zeiten massiver Tarifkonflikte, rapide abnehmender Importe / Exporte über Atlantik und Pazifik, sollten die Frachtraten doch eher sinken? Genauso, weil die mit 1.1.2020 gültig werdenden Abgasnormen die Altölverbrenner der Meere in heftige Investitionen zwingen oder, wie es die meisten von ihnen machen weil Geld eben ein rares Gut in dieser Industrie ist, sie fahren langsamer, und verbrauchen dadurch weniger. Auch das kein Grund bullish zu werden.

Die Suche geht weiter. Mit dem Zustand des globalen Container-Verkehrs kann man im Index ebenso nicht begründen. Hier geht es nämlich rückwärts, und das hat eben hauptsächlich obige Ursachen - Handelskonflikte und Umweltkosten.

Die Ursache für die Index-Explosion liegt aber trotzdem genau in diesen Handelskonflikten und Umweltursachen begründet. Nur eben anders gerichtet: die Umweltkatastrophe in Brasilien, als der Staudamm eines der größten Eisenerzproduzenten der Welt brach und hunderte Menschen begrub, löste nicht nur Entsetzen und Mitgefühl aus, sie verknappte auch die Zufuhr von Eisenerz. Jenes Erz, das als besonders gut und reich an verhüttbarem Eisen gilt. China mag man vieles nachsagen, aber langsam sind die Chinesen nicht. Und inkonsequent genauso wenig. Die Reaktion war, so viel wie möglich von Eisenerz und auch von der zur Verhüttung benötigten Kohle zu „organisieren“. Die globalen Preise für Eisenerz sprechen exakt diese Sprache. Seit Anfang des Jahres ein Anstieg von 87 Prozent. Und eben deswegen stiegen auch die Preise für die großen „Dry Bulk Carrier“. Und die dominieren den Baltic Dry Index.

Die Ableitung für die Stahlindustrie ist aber leider nicht linear positiv. Die höheren Produktionskosten kommen nämlich derzeit gar nicht bei den Stahlpreisen an. Hier schlägt wiederum der Handelskonflikt zu. Während die Stahlexporte Chinas in die USA auf nahezu Null sanken, stiegen sie nach Europa gewaltig an. Auch die Türkei beeilte sich rasch nach Europa zu liefern, was die USA nicht mehr „wollten“. voestalpine und Co schnaufen um die Wette, um diese Stahlflut nur halbwegs zu bekämpfen. Und nicht nur China, auch Indien macht sich bereits auf den Weg. Der europäische Ruf nach Hilfe prallte vorerst an den EU-Kontrolloren ab. Die Angst vor den Reaktionen der USA wird’s wohl sein, die die erhoffte Herstellung von Fairness, oder zumindest Wettbewerbsfähigkeit, in den Herzen der Ordnungshüter blockiert. Wieder ein Teilchen im globalen Polit-Puzzle, in dem die Rollen so plakativ verteilt zu sein scheinen: Die USA als größte Diktatur der Welt, China als ebensolche knapp dahinter, Japan dem das Lächeln gerade einfriert, Indien mit dem Wirtschaftsmesser zwischen den Zähnen, Russland in gespielter, aber diplomatisch extrem geübter Lässigkeit, Großbritannien demnächst mit einem Berufsversager und nachweislichen Lügner an der Spitze und die EU im Regulierungswahn mit Tendenzen an kommunistische Erinnerungen.

Unseren Kapitalmärkten hat man ein Jahrhundert nachgesagt effizient und wirtschaftsfördernd zu sein. Die Politik stellt diese historische Erfahrung gerade auf eine enorm harte Probe. Und der Baltic Dry lehrt uns eben jetzt, dass auch steigende Kurse nicht immer etwas Gutes bedeuten müssen.