BÖRSE EXPRESS: Zu Jahresbeginn erwarteten Sie eine ATX-Performance in etwa der Höhe der Gewinnentwicklung von rund sechs Prozent. Aktuell liegt der Wiener Leitindex rund vier Prozent im Minus. Halten Sie am Jahresziel fest, oder haben sich etwa durch Zollstreit etc. die Rahmenbedingungen derart geändert, dass die Prognose so nicht mehr wahrscheinlich ist?

ALOIS WÖGERBAUER: Grundsätzlich gibt es bis dato, was die Unternehmensgewinne betrifft, keine wirklich neuen Erkenntnisse, auch wenn sich die Stimmungsindikatoren zuletzt etwas eingetrübt haben. Bei einem Markt mit einem KGV von im Schnitt etwa 12 und bei einer Dividendenrendite von im Schnitt knapp über 3 Prozent ist auch keinerlei Euphorie oder überzogene Erwartungshaltung gepreist. Sollte aufgrund der globalen Unsicherheiten der Markt unter Druck kommen, so würde sich das mittelfristige Potenzial eher erhöhen. Wenn man so wie ich sich seit 20 Jahren mit dem Markt beschäftigt, dann weiß man aber, dass man ohnehin nur langfristig strategisch agieren kann, weil kurzfristig und taktisch viele wenig planbare Dinge in Wien nicht umsetzbar sind.

 

BÖRSE EXPRESS: Ein wenig überspitzt ‚predigen‘ Sie an sich, sich als Anleger nicht von kurzfristigen Stimmungsschwankungen verunsichern zu lassen, solange die Idee dahinter richtig scheint. Was aber, wenn die kurzfristige Stimmungsschwankung nicht nur zur Normalität wird, sondern auch teils sprunghaft wechselnde Gewinner an den Börse erzeugt. Hier ist speziell US-Präsident Trump gemeint.

ALOIS WÖGERBAUER: Genau das gilt es eben zu trennen. Wir haben einen US-Präsidenten, der Unberechenbarkeit als Qualitätsmerkmal sieht und den Handelsstreit eher als Pokerspiel interpretiert. Darauf werden Sie sich als Anleger nicht täglich einstellen können. Würde aber das aktuelle Umfeld zu einer klaren wirtschaftlichen Abschwächung führen, dann müsste man agieren und neu denken – zumal Wien ein typisch zyklischer und von der Konjunktur abhängiger Markt ist. Eine deutliche wirtschaftliche Abschwächung ist aber derzeit nicht unser Kernszenario – darum wollen wir auch nicht vorgreifen.

 

BÖRSE EXPRESS: Haben Sie Ihr Portfolio in den vergangenen Wochen strategisch verändert?

ALOIS WÖGERBAUER: Nein. Die hohe Gewichtung der Finanzaktien wie Erste Group oder Vienna Insurance Group und der Immo-Titel um CA-Immo, Immofinanz und s Immo wurde beibehalten, da alle Stories voll intakt sind. Neu unter den Top-Holdings ist RHI-Magnesita, da durch die Fusion beträchtliches Potenzial gehoben und die Weltmarktstellung gefestigt wird. Übergewichtet bleiben auch Strabag. Gleiches gilt für AMS – die Aktie hat zuletzt geschwächelt, diese Schwankungen muss man aushalten, das ist nicht neu. Rechnet man das aktuelle Portfolio des Fonds durch, dann ergibt sich eine Dividendenrendite von 3,1 Prozent - das ist doch sehr beruhigend im Umfeld von Trump & Co.

 

BÖRSE EXPRESS: Ein P.S. bitte noch: Heute starten Sie mit einem nachhaltigen Laufzeitenfonds. Inhalt sind aber nicht wie man meinen könnte Anleihen, sondern Aktien. Können Sie mir das Konzept kurz erläutern, ich sah auch ein paar Österreicher im Portfolio...

ALOIS WÖGERBAUER: Mit „Verantwortung & Zukunft“ haben wir den oft oberflächlich gehandhabten Bereich der Nachhaltigkeit wesentlich enger definiert. Wir investieren in die Bereiche Mensch, Umwelt, nachhaltige Industrie und nachhaltige Technologie.

Neben den klassischen Ausschlusskriterien verzichten wir auch auf Investments in den Ölbereich, den Rohstoffbereich oder in internationale Großbanken. Nach „Megatrend“ und „Familienunternehmen“ ist dies unsere jüngste Emissionen. Diese drei Fonds erzielten bei Anlagern hohen Zuspruch und brachten Neuvolumina von insgesamt über 200 Millionen Euro. Der Vorteil ist: Anleger können sich klar auf einen Anlagehorizont einstellen. Bei normalen Fonds ist der Anleger am Tag 1 sofort voll investiert – wir können dagegen den Einstiegszeitpunkt über Wochen oder Monate je nach Markteinschätzung streuen, was voll im Sinne des Anleger ist. Auch gegen Ende der Laufzeit können wir je nach Meinung bereits früher mit der Risikoreduktion beginnen. Aus Österreich hat sich unter anderem Lenzing für den Fonds qualifiziert – wir denken auch hier nicht das kommende Quartal sondern an die Chancen der kommenden 5 oder 6 Jahre.

 

Aus dem Börse Express-PDF vom 2. Juli